Masken für Prostituierte und Freier und andere Vorschläge für das Sexgewerbe

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DeutschlandMasken für Prostituierte und Freier und andere Vorschläge für das Sexgewerbe

Ein deutscher Verband für Sexarbeit will das derzeit geltende Prostitutionsverbot lockern. Er schlägt den Bundesländern seinerseits Schutzmassnahmen vor. Etwa Mundschutzpflicht, kein Oralverkehr, keine Orgien oder «gesichtsnahe Dienstleistungen».

Wegen des landesweiten Verbots von Prostitution hat der deutsche Verband für Sexarbeit BesD e. V. den Bundesländern ein neunseitiges Schutz- und Hygienekonzept vorgelegt.
Demnach sollen sowohl Dienstleisterin als auch Kunde während des kompletten Akts Mundschutz tragen.
Zudem sollen Prostituierten Kundendaten vier Wochen lang aufbewahren, damit eine allfällige Infektionskette nachvollzogen werden könnte.
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Wegen des landesweiten Verbots von Prostitution hat der deutsche Verband für Sexarbeit BesD e. V. den Bundesländern ein neunseitiges Schutz- und Hygienekonzept vorgelegt.

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Darum gehts

  • Das deutsche Sexgewerbe wehrt sich gegen das landesweite Prostitutionsverbot in der Corona-Krise.
  • Ein Branchenverband hat den Bundesändern nun ein Schutz- und Hygienekonzept vorgelegt.
  • Dem BAG liegen ähnliche Vorschläge vor, wie Sexarbeiter in der Schweiz ihre Arbeit wieder aufnehmen können.
  • Einige SPD- und Grünenpolitiker wollen Prostitution am liebsten für immer verbieten.

Wie in der Schweiz gilt auch in Deutschland seit Mitte März ein generelles Verbot für die Ausübung von Prostitution infolge des Coronavirus. Und wie in der Schweiz gibt es vor dem Hintergrund der allmählichen Lockerungen auch im deutschen Sexgewerbe zunehmend Widerstand gegen das Verbot (siehe Box). in Deutschland ist mittlerweile der Verband für Sexarbeit BesD e. V. aktiv geworden. Er hat den Bundesländern ein neunseitiges Schutz- und Hygienekonzept vorgelegt. «Gerade in der Sexarbeit lebt ein hoher Anteil von der Hand in den Mund und hat wenig bis keine Rücklagen», beginnt das auf der Website des Verbands aufgeschaltete Schreiben.

«Wir fordern die Gleichbehandlung von Sexarbeit mit vergleichbaren körpernahen Dienstleistungen.» Im Sinne der Übertragungsgefahr und Bekämpfung des Coronavirus bestehe «kein Unterschied zwischen einer nichtmedizinischen Massage und einer erotischen Massage», argumentiert der Verband. Er plädiert so für «eine geordnete Öffnung aller Bereiche der Sexarbeit unter Anwendung entsprechender Hygienekonzepte».

Und so sehen die vorgeschlagenen Hygienekonzepte der Deutschen aus:

– Sowohl Dienstleisterin und Kunde müssen Mundschutz tragen. Dieser dürfe während des kompletten Akts auch nicht abgenommen werden.

- Orale oder «gesichtsnahe» Praktiken sind nicht erlaubt, anale nur mit Handschuhen. Im Wortlaut heisst es: «Während der Dienstleistung muss zwischen den Köpfen der beiden Personen ein Abstand von mindestens einer Unterarmlänge sein.»

- Prostituierte und Freier verzichten auf Begrüssungsrituale mit ihren Freiern wie Händeschütteln oder eine Umarmung.

- Vor dem Sex müssen beide duschen. Orgien sind untersagt.

- «Bade- oder Whirlpool-Spiele» sind möglich – aber der Mund-Nasen-Schutz darf dabei nicht nass werden.

- Am Ende des Kundenbesuches müssen die Räumlichkeiten mindestens zehn Minuten durchlüftet und alle Kontaktflächen gereinigt werden.

- Die Prostituierten sollen Kundendaten vier Wochen aufbewahren, damit eine allfällige Infektionskette nachvollzogen werden könnte: «Wir empfehlen, diese in einem zugeklebten Briefumschlag zu verwahren und mit Datum zu versehen», heisst es.

Einige Medien bewerten den Vorschlag des Sexarbeiter-Branchenverbandes als «obskur» und «fragwürdig» und bezweifeln dessen Umsetzbarkeit, zumal sexuelle Handlungen mit Abstandsregeln kaum vereinbar seien. «Prostituierte sind – wie auch die Freier – einem erheblichen Infektionsrisiko ausgesetzt», meint etwa SPD-Gesundheitsexperte und Mediziner Karl Lauterbach gegenüber der deutschen «Tagesschau». Darüber hinaus könnten schnell Hotspots entstehen und sich «Superspreader entwickeln».

Ähnliche Forderungen in der Schweiz

Sexarbeiter sollen ab dem 8. Juni ihre Arbeit wieder aufnehmen können, fordert der nationale Zusammenschluss von Beratungsstellen für Sexarbeitende, der Verbrand Prokore. Desweiteren schlägt er vor, beim Geschlechtsverkehr Stellungen zu praktizieren, bei denen die Tröpfchenübertragung gering und der Abstand zwischen den Gesichtern möglichst hoch ist. Wie der deutsche Verband für Sexarbeit, schlägt auch Prokore vor, die Zimmer nach jedem Kundenkontakt mindestens 15 Minuten zu lüften und die Bettwäsche nach jedem Besuch zu waschen. Auch sollen Sexarbeiterinnen in der Schweiz Kundenkontakte aufnehmen und vier Wochen aufbewahren. Der Verband hat sein Schutzkonzept letzte Woche beim Bundesamt für Gesundheit BAG sowie bei der Verbindungsstelle Zivilgesellschaft eingereicht.

SPD und Grüne wollen Verbot gleich beibehalten

Lauterbach und weitere Bundespolitiker der SPD und der Grünen wollen aber eigentlich einen regelrechten «Systemwechsel» durchsetzen: Sie fordern das verhängte landesweite Verbot der Prostitution auch nach der Corona-Pandemie beizubehalten, da sie Infektionsherde befürchten. Ohnehin sei Sexarbeit «menschenunwürdig, zerstörerisch und frauenfeindlich». Sie plädieren für die Einführung des «nordischen Modells»: Hier macht sich derjenige strafbar, der Sex kaufen will, nicht aber die Prostituierte. Mit diesem Modell, das man auch in Norwegen, Island, Irland und Frankreich kennt, soll die Nachfrage nach gekauftem Sex gesenkt werden.

Nach Angaben von Berufsverbänden ist die Situation vieler Sexarbeiterinnen während der Corona-Krise katastrophal, da sich Probleme wie Armut, mangelnder Gesundheitsschutz und Wohnungslosigkeit jetzt noch verschärfen.

Da auch Prostituierte Gewerbetreibende sind, könnten sie staatliche Hilfe beanspruchen. Aber: Von den 400’000 Prostituierten, die in Deutschland arbeiten, sind nur etwa 33’000 bei den Behörden angemeldet. Und nur wer registriert ist, kann Hilfe vom Staat beantragen.

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