Weil Bundesrat sie für immun hältMaskenpflicht für Geimpfte soll fallen
Für den Bundesrat ist klar: Geimpfte verbreiten das Virus nicht mehr. Deshalb gerät nun auch die Maskenpflicht unter Druck. Doch Wissenschaftler appellieren an die Solidarität der Geimpften.
Darum gehts
Der Bundesrat sagt, dass Geimpfte und Genesene immun und nicht mehr ansteckend sind.
Sie sollen deshalb von der Quarantäneregelung ausgenommen werden.
In der Politik wird bereits über eine Ausweitung dieser Vorteile diskutiert, etwa die Ausnahme von der Maskenpflicht.
«Es ist wichtig, dass sich auch Geimpfte auf keinen Fall leichtfertig verhalten und sich weiterhin solidarisch zeigen», so ein Epidemiologe.
Geht es nach dem Bundesrat, müssen Geimpfte und Genesene künftig nicht mehr in Kontakt- oder Reisequarantäne. Denn: Sie seien immun und übertragen die Krankheit nicht mehr. Das schlug der Bundesrat am Mittwoch im Rahmen der neuen Massnahmen ab dem 31. Mai den Kantonen vor.
Mühsam für Zugpersonal
Politiker fordern nun, dass der Bundesrat aus seiner Feststellung, Geimpfte seien nicht mehr ansteckend, weitere Konsequenzen zieht. Mitte-Nationalrat Lorenz Hess sagt, es sei wichtig, dass bereits jetzt im Umgang mit Geimpften klare Spielregeln gesetzt würden. Über eine Ausweitung dieser Vorteile solle man diskutieren, sagt Hess. «Eine Befreiung der Maskenpflicht wäre theoretisch ebenfalls möglich. Praktisch ist sie aber schlecht umsetzbar, da man ja nicht sieht, wer geimpft ist. Für einen Zugkontrolleur wäre das zum Beispiel extrem mühsam.» Weiter sind die USA: Die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC hält fest, dass Geimpfte in vielen Situationen keine Masken mehr tragen müssen. Auch Österreich prüft einen solchen Schritt.
Für die Schweiz findet Mitte-Nationalrat Hess: «Im Schutzkonzept sollte es erlaubt sein, dass ein Club öffnen darf, wenn er nur Geimpfte und Genesene reinlässt. Das sollte der Bundesrat so schnell wie möglich anpassen, damit das möglich ist.» Der Nachweis könne zum Beispiel mit dem Impfbüchlein oder dem bald verfügbaren Covid-Zertifikat geschehen, so Hess.
Maskenpflicht in USA aufgehoben
Mit der steigenden Impfquote wird sich auch die Frage stellen, wann die Maskenpflicht für alle fällt. In der Schweiz hatte das Bundesamt für Gesundheit noch im März erklärt, man müsse auch nach der Durchimpfung für den Schutz der Ungeimpften eine Maske tragen, ansonsten drohe eine vierte Welle.
Für Mitte-Nationalrat Lorenz Hess ist aber ab jenem Zeitpunkt, an dem sich alle impfen lassen konnten, eine allgemeine Maskenpflicht nicht mehr haltbar: «Geimpfte sollen nicht weiter Masken tragen müssen, nur weil es Leute gibt, die sich nicht impfen lassen wollen.»
FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen sagt, die Quarantäne-Lockerungen für Geimpfte und Genesene seien gar zu spät gekommen. «Das hätte der Bundesrat bereits vor Wochen machen müssen. Jetzt können wir nach vorne schauen und über weitere Lockerungen für Geimpfte, Genesene und Getestete diskutieren.» Die Maskenpflicht müsse schrittweise fallen. «Genauso sollte etwa der Besuch von Konzerten und Sportveranstaltungen für alle Geimpften, Genesenen und Getesteten bald möglich sein.»
Cluböffnungen dank Pilotprojekten
Skeptischer zeigt sich Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel, die auch als Präsidentin der nationalrätlichen Gesundheitskommission amtet. Sie begrüsst zwar, dass Geimpfte ihre Freiheitsrechte zurückbekommen, sagt aber: Für weitere Unterscheidungen sei es noch zu früh. «Zumindest im öffentlichen Raum sollten immer noch die gleichen Regeln für Geimpfte und Nicht-Geimpfte gelten, bis alle geimpft werden, die das wollen.» Pilotprojekte, wie etwa das Öffnen der Clubs für Geimpfte, finde sie sinnvoll.
Dass Geimpfte das Virus nicht mehr weitergeben und die Maskenpflicht deshalb obsolet wird, ist in der Wissenschaft umstritten. «Geimpfte können sich weiterhin mit Sars-CoV2 infizieren und es weiter übertragen, ohne selbst Symptome zu entwickeln oder an Covid-19 zu erkranken», twitterte die Genfer Virologin Isabella Eckerle. Allerding scheine eine Infektion nach Impfung seltener zu sein und wenn, die Viruslast geringer. Nur Geimpfte unter sich könnten sich deshalb mehr Freiheiten erlauben. Beim engen Kontakt mit Ungeimpften sollten jedoch weiterhin Hygiene- und Abstandsregeln gelten, so die Virologin. Sie fordert die Geimpften auf, sich in Geduld zu üben.
«Politik propagiert Impfung als Allheilmittel»
Jürg Utzinger, Epidemiologe und Direktor des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Instituts, appelliert an die Geimpften: «Es ist wichtig, dass sich auch Geimpfte auf keinen Fall leichtfertig verhalten.»
Die Thematik birgt soziale Sprengkraft: Auf Social Media nerven sich einige User, wie unangenehm es sei, dass Geimpfte ihnen «ungetestet» überall zu nahe kämen und sich für unverwundbar hielten. Laut Urte Scholz, Professorin für Gesundheitspsychologie an der Universität Zürich, ist nachvollziehbar, dass Geimpfte mit den Corona-Massahmen leichtfertiger umgehen. «Die Politik propagiert die Impfung schliesslich als Allheilmittel für die Rückkehr in die Freiheit.» Nach der langen Zeit des Verzichts sei der Drang, sich wieder normal zu verhalten, umso grösser. «Viele Geimpfte vergessen dann, dass sie das Virus möglicherweise noch immer weiterverbreiten können.»
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