McCarthy - der leibhaftige Antikommunist

Aktualisiert

ZeitgeschichteMcCarthy - der leibhaftige Antikommunist

Joseph McCarthy war der wohl begabteste Demagoge, der jemals die USA in Hysterie versetzte. Am 14. November wäre er 100 Jahre alt geworden.

von
Daniel Huber

Wie ein dunkler Komet stieg der Senator aus Wisconsin Anfang der 50er-Jahre auf und gab einer ganzen Ära seinen Namen. So schnell wie sein Aufstieg war auch sein Fall. Nur vier Jahre lang befand er sich auf dem Zenit seiner Macht, aber in dieser Zeit zerstörte seine Hexenjagd zahllose Karrieren und Leben, beeinflusste die US-Politik und prägte das Bild der USA.

Ärmliche Anfänge

Es waren bescheidene, beengte Verhältnisse, in denen dieser Mann seine Kindheit verlebte. Joseph Raymond McCarthy wurde am 14. November 1908 in Grand Chute im US-Staat Wisconsin geboren. Er war das fünfte von neun Kindern; seine irischstämmigen Eltern waren streng katholisch. Die Schule verliess er schon mit vierzehn; die Familie benötigte jeden Cent.

Doch sechs Jahre später nahm der ehrgeizige McCarthy seine Ausbildung wieder auf, zog den Stoff von vier Schuljahren in einem Jahr durch und holte sich 1935 einen Uni-Abschluss in Jura. Als Rechtsanwalt war er zu Beginn wenig erfolgreich; er soll sich ein Zubrot mit Pokern verdient haben.

Seine wahre Begabung aber zeigte sich erst, als er für die republikanische Partei — die ursprünglich von ihm favorisierten Demokraten wollten ihn nicht aufstellen — als Bezirksrichter kandidierte: McCarthys Wahlkampf lebte von der Verbreitung falscher Anschuldigungen an seinen Rivalen; eine Taktik, die er später perfektionierte.

Kriegsheld und Senator

1944 scheiterte er zwar noch beim Versuch, Senator für Wisconsin zu werden, aber zwei Jahre später war seine Zeit gekommen. McCarthy, der den Krieg zwar bei den Marines, aber meist hinter dem Schreibtisch verbracht hatte, liess sich als Kriegsheld in voller Kampfmontur ablichten und attackierte seinen Konkurrenten Robert La Follette mit dem Vorwurf, der habe im Krieg Geld gemacht statt dem Vaterland gedient.

Die Taktik ging auf; obwohl La Follette bei Kriegsausbruch ohnehin schon zu alt für den Militärdienst gewesen war, wurde er abgewählt und McCarthy wurde Senator. La Follette beging später Selbstmord — McCarthys erstes Opfer.

Die Hexenjagd beginnt

Zu Beginn war McCarthy in Washington nur ein unauffälliger, etwas ungehobelter Senator aus dem Mittleren Westen, der am rechten Rand politisierte. Doch im Februar 1950 fand er sein Thema: In einer Rede in West Virginia behauptete McCarthy, er sei im Besitz einer Liste von 205 Personen, die Mitglieder der kommunistischen Partei seien und trotzdem im State Department arbeiten dürften.

Der — wie so oft bei McCarthy — vollkommen haltlose Vorwurf fiel auf fruchtbaren Boden. Schon seit 1938 existierte zwar ein Gremium wie das «House Commitee on Unamerican Activities» (HUAC), aber nun versanken die USA in eine paranoide Phase. Überall schien der Kommunismus auf dem Vormarsch zu sein; erst im Jahr zuvor hatte er in China gesiegt und die Sowjetunion hatte ihre erste Atombombe gezündet.

Sofort wurde ein Senatsausschuss einberufen, der McCarthys Aussagen überprüfen sollte; der junge Senator aus Wisconsin wurde über Nacht ein Star — nur ein Monat nach seiner Rede wurde der Begriff «McCarthyism» geprägt.

Die Anhörungen

Im Juli kam der Senatsausschuss zum Schluss, dass McCarthys Anwürfe haltlos waren, aber das kümmerte weder den Senator noch dessen wachsende Fangemeinde. Als 1952 der Republikaner Dwight D. Eisenhower Präsident wurde und die republikanische Partei eine knappe Mehrheit im Kongress erreichte, erhielt McCarthy den Vorsitz in einem Senatsausschuss, dem Government Operations Committee.

Jetzt verfügte der Demagoge über ein machtvolles Werkzeug: Von nun an konnte er jede beliebige Person vor das Komitee zitieren und befragen lassen. «Sind Sie oder waren Sie jemals Mitglied der Kommunistischen Partei?» war die stereotyp wiederholte Frage, die Künstler, Schauspieler, Staatsangestellte und Politiker zu beantworten hatten.

Wer vom Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch machte, das im 5. Verfassungszusatz garantiert ist, wurde von McCarthy öffentlich als «5.-Zusatz-Kommunist» beschimpft. Wer als «Kommunist» entlarvt wurde, verlor Job und Ansehen und landete mitunter sogar im Gefängnis.

Im ersten Halbjahr 1953 erreichte die antikommunistische Hysterie («Red Scare») einen Höhepunkt; die Anhörungen des Ausschusses fanden nun fast täglich statt. Zu McCarthys Informanten zählten unter anderem die Schauspieler Ronald Reagan und Gary Cooper sowie der Produzent Jack Warner.

Gerade Hollywood litt schwer unter dem Verfolgungswahn des Senators: Regisseure wie Elia Kazan denunzierten andere, um sich zu retten, oder wurden in ihrer Arbeit eingeschränkt.

Absturz und Ende

Schliesslich legte sich McCarthy sogar mit der Armee an: Er begann in den Reihen der Streitkräfte nach vermeintlichen Kommunisten zu suchen. Nachdem er einen Major attackiert und einen Brigadegeneral angeschrien hatte, schlug die Army zurück. Anfang 1954 beschuldigte sie McCarthy, er habe für einen eingezogenen ehemaligen Mitarbeiter eine Vorzugsbehandlung verlangt.

Auch hier wurde eine Untersuchung eingeleitet; die «Army-McCarthy-Hearings». Diese im Fernsehen ausgestrahlten Anhörungen schadeten dem Eiferer McCarthy. Vor allem mit der berühmt gewordenen Frage des Anwalts der Armee, Joseph Welch, begann sich das Blatt zu wenden: «Haben Sie denn überhaupt keinen Sinn für Anstand, Sir? Ist bei Ihnen gar kein Sinn für Anstand mehr übrig?»

Nach dieser Niederlage sank McCarthys Stern schnell. Die Hexenjagd auf alles, was in irgendeiner Weise kommunistisch sein könnte, ging zwar vorerst unvermindert weiter. Aber McCarthy selber, der sich zudem auch zunehmend mit Präsident Eisenhower angelegt hatte, wurde 1954 vom Senat gerügt und verlor das Präsidium über seinen Ausschuss. Damit war seine Macht gebrochen.

Ende April 1957 wurde McCarthy einmal mehr ins Krankenhaus eingeliefert; schon seit Sommer 1956 hatte sein immer schon latentes Alkoholproblem überhand genommen. Diesmal jedoch verliess der Senator das Spital nicht mehr: Am 2. Mai starb McCarthy erst 47-jährig, offiziell an akuter Hepatitis, möglicherweise aber an einer Leberzirrhose.

McCarthy in einem TV-Interview

Quielle: YouTube.com

Ausschnitt aus einem Hearing

Quelle: YouTube.com

Der Schweizer McCarthy

Auch in der Schweiz gab es einen eifrigen Antikommunisten, der Schwarze Listen mit Verdächtigen führte und Denunziationen von Spitzeln entgegennahm: Der Zürcher Freisinnige und selbsternannte «Subversivenjäger» Ernst Cincera (1928-2004).

Zwischen 1972 und 1974 hatte Cincera Fichen über rund 3500 Personen aus der politischen Linken angelegt und als Präsident der von ihm gegründeten «Informationsgruppe Schweiz» Interessenten aus Wirtschaft, Verwaltung und Politik zugespielt, damit diese ihnen nicht genehme Stellenbewerber aussortieren konnten. Aufgedeckt wurde das Geheimarchiv 1976 durch linksgerichtete Aktivisten, die in das Archiv eindrangen und im so genannten «Demokratischen Manifest» ihre Funde publizierten. 1979 erschien das Buch «Die unheimlichen Patrioten», in dem es vor allem auch um Cincera geht.

Quelle: Wikipedia.org

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