UmweltschädenMehr Gülle, weniger Naturwiesen – Parlament kippt Umweltschutz-Regeln
Vor der Abstimmung über die Pestizid-Initiativen hat der Bundesrat Umweltschutzmassnahmen aufgegleist. Nun wolle das Parlament nachträglich die Spielregeln ändern, kritisieren Umweltverbände.
Darum gehts
Weniger Biodiversitätsflächen und mehr Toleranz beim Düngen und Misten: Die Wirtschaftskommission des Nationalrats hat zwei Motionen überwiesen, die den Umweltschutz aufweichen wollen.
Auch der Ständerat unterstützt die Vorstösse, demnächst entscheidet der Nationalrat.
Umweltverbände sind empört: Der Ukraine-Krieg und die globale Lebensmittelkrise würden missbraucht, um den Umweltschutz aufzuweichen.
Das Parlament will die schweizerische Lebensmittelproduktion stärken und macht deshalb Abstriche beim Umweltschutz. Nach dem Ständerat hat diese Woche auch die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK) zwei Motionen gutgeheissen:
Düngen und Misten: Der sogenannte «Nährstoffverlust» beim Düngen und Misten soll nicht um 20 Prozent gesenkt werden. Dies verlangt FDP-Ständerätin Johanna Gapany. Gülle und Mist beispielsweise müssen mit neuen Methoden ausgebracht werden, wodurch weniger davon in die Luft und ins Grundwasser gelangt. Doch eine Reduktion um 20 Prozent, wie der Bundesrat es plant, sei nicht umsetzbar, schreibt Gapany.
Kein Mindestanteil an Bioflächen im Ackerbau, fordert der Walliser Mitte-Ständerat Beat Rieder. Die Inkraftsetzung sei sowieso wegen des Ukraine-Kriegs auf 2024 verschoben worden. Der Bundesrat solle die Regel ganz fallenlassen. Denn er nehme so nochmals 3,5 Prozent der besten Ackerböden aus der Produktion. Der Krieg zeige die Wichtigkeit der heimischen Lebensmittelproduktion.
Wenn auch der Nationalrat dem zustimmt, muss der Bundesrat die Verordnungen anpassen. Jonas Schmid vom WWF ärgert sich: Diese Umweltziele habe der Bundesrat im Frühling 2021 formuliert, um vor der Abstimmung über die beiden Pestizid-Initiativen Klarheit zu schaffen. Tatsächlich schrieb der Bundesrat damals in einer Medienmitteilung: «Verglichen mit der Trinkwasser- und der Pestizidinitiative, über die das Volk am 13. Juni abstimmen wird, stellt die neue Gesetzgebung stellenweise konkretere Lösungen bereit.»
Nun stehe die Umsetzung an, die Akteure seien bereit, und das Parlament wolle die Spielregeln wieder ändern – «unter dem Deckmantel des Ukraine-Kriegs», sagt Schmid.
Dabei zeige gerade der Krieg, dass die Lebensmittelversorgung noch besser sichergestellt werden könnte, wenn man die Abhängigkeit der schweizerischen Landwirtschaft von den zu 100 Prozent importierten Mineraldüngern und Pestiziden reduzieren würde. Die Umweltziele des Bundesrats gingen in diese Richtung. Auch mit Blick auf die Volksgesundheit sei das dringend nötig, denn die gesetzlichen Grenzwerte für Schadstoffe im Wasser, das wir trinken, würden massiv überschritten.
Für Umweltverbände und linke Parteien ist klar: Die Versprechungen aus dem Abstimmungskampf um die beiden Umwelt-Initiativen würden jetzt gebrochen. So twittert Stella Jegher von Pro Natura: «’Unsere’ ParlamentarerInnen scheren sich immer weniger um ihre eigenen Versprechungen … Profit kommt vor Anstand.»
Anderer Meinung ist Mitte-Nationalrat und WAK-Präsident Leo Müller: «Es ist ja nicht so, dass der Bund nichts tut für die Schadstoff-Reduktion und für Biodiversität.» Doch der Bundesrat selber habe in seiner Botschaft damals geschrieben, dass der Schadenseffekt beim Düngen und Misten nur um sieben Prozent reduziert werden könne. Es sei schleierhaft, warum er dann eine Reduktion um 20 Prozent verordne. «Niemand weiss, wie.»
Müller, Rechtsanwalt und gelernter Landwirt, sieht das Problem darin, dass bei strengeren Vorschriften die Importe erhöht werden. Wie derzeit beim Rosenkohl, der unter Schädlingsbefall leide, weshalb die Produktion im Inland drastisch eingebrochen sei. «Der importierte Rosenkohl ist dann mit Pestiziden hergestellt, die hierzulande verboten sind.»
Bauer und WAK-Mitglied Marcel Dettling (SVP) sagt: «Von falschen Versprechungen im Abstimmungskampf kann keine Rede sein. An den Zielen zur Pestizid-Reduktion ändert sich nichts, diese bleiben bestehen.» Es seien lediglich die überhöhten Ziele, beispielsweise beim Misten und Güllen, die das Parlament korrigieren wolle.
Bricht das Parlament seine Versprechen?
Keine News mehr verpassen
Mit dem täglichen Update bleibst du über deine Lieblingsthemen informiert und verpasst keine News über das aktuelle Weltgeschehen mehr.
Erhalte das Wichtigste kurz und knapp täglich direkt in dein Postfach.