Treppensteigen am Sabbat«Mein Aufzug ist koscher»
Der jüdische Ruhetag ist für Josef Ball und seine Familie aus Israel etwas anstrengender geworden. Der orthodoxe Jude und seine Frau steigen mit ihren fünf kleinen Kindern im Schlepptau am Sabbat neuerdings die Treppen zu ihrer Wohnung im siebten Stock hinauf. Dass er den Lift nicht mehr benutzen darf, verdankt er einem ungemein strengen Rabbiner.
Beim Aufzug in Josef Balls Wohnung handelt es sich sogar um einen sogenannten Sabbat-Lift, der automatisch in jedem Stockwerk hält, ohne dass jemand einen Knopf drückt. Doch im September hat ein einflussreicher Rabbiner auch diese Art von Annehmlichkeit verboten.
Die Halacha, das jüdische Gesetz und Regelwerk für den Alltag, listet auf, was einem gläubigen Juden am Sabbat verboten ist. Unter anderem sollen keine elektrischen Geräte benutzt werden. Schon seit Jahrzehnten sind daher die Sabbat-Aufzüge im Einsatz.
Der 99-jährige Rabbiner Josef Schalom Eliaschiw, eine der Autoritäten des jüdischen Rechtssystems, hat mit seinem Aufzug-Verbot eine lebhafte Kontroverse wieder angefacht. Lange schon streitet die orthodoxe Gemeinschaft über das Thema. Aufzugsgegner argumentieren, selbst wenn kein Knopf aktiv gedrückt werde, erhöhe das Gewicht der Fahrgäste doch den Energieverbrauch.
Ball und seine Familie fügen sich der neuen Regel. «Es ist schwer, aber wir gehen die Stufen langsam und mit viel Geduld», sagt der 29-jährige Familienvater, der nun am Sabbat neben dem Nachwuchs auch einen Geschwisterkinderwagen die sieben Stockwerke hochschleppen muss.
Sabbat-Lifte bleiben in Betrieb
Andere Juden ignorieren die umstrittene Entscheidung des Rabbiners. «Mein Aufzug ist koscher», sagt Lila Lowell, die aus den USA stammt und jetzt in Jerusalem lebt. Die ältere Dame will ihren Sabbat-Lift weiterhin benutzen. Ihre Wohnung liegt im zweiten Stock. «Mein Mann und ich können die Treppen nicht mehr steigen, also nehmen wir den Aufzug», sagt sie.
Die Sabbat-Aufzüge haben es streng gläubigen Juden ermöglicht, in die oberen Stockwerke moderner Hochhäuser zu ziehen, ohne sich über die Konsequenzen am Sabbat Gedanken machen zu müssen. Das könnte sich mit Eliaschiws Anordnung ändern, glaubt der orthodoxe Journalist Jonathan Rosenblum: «Kein junges Paar wird in den neunten oder zehnten Stock ziehen, wenn die Wohnung für sie zum Gefängnis wird.»
Auch Hotels und Krankenhäuser müssen abwägen, wie sie mit dem Aufzug-Verbot umgehen. Das vornehme David-Citadel-Hotel in Jerusalem erklärt, es überlasse es den Gästen, ob sie einen der vier Sabbat-Lifte benutzen. Man rechnet aber damit, dass orthodoxe Gäste um ein Zimmer auf den unteren Etagen bitten.
Auch im Jerusalemer Schaare-Sedek-Krankenhaus bleiben die Sabbat-Aufzüge weiter wie üblich in Betrieb. Eine gegenteilige Anordnung liege nicht vor, heisst es.
«Ich denke, die Leute wissen, dass sich technisch gesehen nichts geändert hat», sagt Rabbiner Israel Rosen, Chef des Somet-Instituts und Experte für Sabbat-geeignete Elektrogeräte. Er sieht keine Einwände gegen die Benutzung der Sabbat-Aufzüge. «Aber wenn Leute lieber zehn Stockwerke zu Fuss gehen wollen, dann ist das ihre Entscheidung.»