«Mein Gisbert ist doch kein Kampfhund»

Aktualisiert

Bewilligungspflicht«Mein Gisbert ist doch kein Kampfhund»

Veterinärämter können Hunde, die nicht auf Rasselisten stehen, wegen ihres Aussehens einer Beurteilung unterziehen. Hundevereine sprechen von Willkür.

von
Hannes von Wyl

Am Weihnachtsmorgen geht der Basler Deniz Senpinar mit seinem Hundewelpen Gisbert am Rheinufer spazieren. Eine Patrouille der Kantonspolizei, die zufällig vorbeifährt, hält die amerikanische Bulldogge für möglicherweise gefährlich und beschlagnahmt sie – obwohl die Rasse laut der kantonalen Rassenliste nicht per se als potenziell gefährlich gilt.

Die Beurteilung Gisberts durch Guido Vogel, Leiter der Hundefachstelle des Basler Veterinäramtes, ergibt aber ein anderes Resultat: «Sein äusseres Erscheinungsbild lässt vermuten, dass er von einer potenziell gefährlichen Rasse abstammt.» Damit unterliegt die amerikanische Bulldogge, genauso wie der als Kampfhund bezeichnete Pitbull, einer Bewilligungspflicht.

Gisbert muss umziehen

Die Haltung eines potenziell gefährlichen Hundes wurde der als Halterin eingetragenen Verlobten Senpinars aber im April des letzten Jahres untersagt. Der Welpe wurde vom Veterinäramt deshalb mit einem Kantonsverbot belegt und musste zu einer Familie in St. Gallen gebracht werden. Der Ostschweizer Kanton – anders als etwa Zürich, Basel-Landschaft oder der Aargau – kennt keine Bewilligungspflicht für bestimmte Hunderassen.

Deniz' Bruder Martin Senpinar, der die amerikanische Bulldogge im September bei einem deutschen Züchter kaufte, ist enttäuscht. «Ich habe mich auf den ersten Blick in Gisbert verliebt. Nun kann ich ihn nur noch selten sehen.» Den Behörden macht er schwere Vorwürfe: «Das ist Willkür und Amtsmissbrauch.» Er habe extra darauf geschaut, keine bewilligungspflichtige Rasse zu kaufen. Die Einschätzung des Veterinäramtes sei falsch: «Mein Gisbert ist doch kein Kampfhund!»

Mangelnde Kenntnisse der Kantonstierärzte?

Schützenhilfe erhält Senpinar von Hundevereinen, die sich gegen das Image der Listenhunde als gefährliche Killermaschinen wehren. Laut Simone Eggmann, Präsidentin der Pit-Dogs Nothilfe, komme es bei der sogenannten Exterieurprüfung stark auf die Haltung der Tierärzte zu den Listenrassen an. Sei diese negativ, beeinflusse dies das Ergebnis der Beurteilung. Auch Pascal Hug, Präsident des Vereins Dogs Guard, spricht von Willkür: «Die beigekreuzten Rassen eines Hundes rein nach Äusserlichkeiten zu beurteilen, fällt sogar langjährigen Züchtern schwer. Kantonstierärzte verfügen nicht über die dazu nötigen Kenntnisse.»

Gegen die Vorwürfe wehren sich die Veterinärämter verschiedener Kantone: «Die Prüfung wird von ausgewiesenen Fachleuten durchgeführt», sagt der Basler Amtstierarzt Vogel. Die Exterieurbeurteilung erfolge anhand internationaler Rassestandards, heisst es beim Veterinäramt Zürich. «Das Vorgehen ist standardisiert, dokumentiert und somit nachvollziehbar.» Und Rahel Marshall vom Veterinärdienst des Kantons Aargau ergänzt: «Ist ein Hundehalter mit dem Entscheid des Veterinärdienstes nicht einverstanden, steht ihm die Überprüfung durch die Rechtsmittelinstanz offen.»

Mit Mischlingen Bestimmungen umgehen

Dass Hunde einer Bewilligungspflicht unterzogen werden, die nicht auf einer Rassenliste stehen, kommt laut Behörden zudem selten vor. Im Kanton Basel-Stadt werden jährlich fünf bis zehn Äusserlichkeitsprüfungen durchgeführt, davon resultieren ungefähr die Hälfte in einer Bewilligungspflicht. In Zürich sind es etwa ein Dutzend pro Jahr, Rekurse gab es bisher keine.

Während der Bestand der Listenhunde gesamtschweizerisch kontinuierlich sinkt, werden deren Abwandlungen und Mischrassen zunehmend beliebt. «Es gibt Halter, die mit Mischlingen oder Neuzüchtungen die kantonalen Bestimmungen umgehen wollen», sagt Eggmann von der Pit-Dogs Nothilfe. So hat die Zahl der in der Hundedatenbank ANIS registrierten amerikanischer Bulldoggen seit 2009 um über 50 Prozent auf 381 Tiere zugenommen – am stärksten in Kantonen mit Rassenlisten. Auch Minibullterrier, die im Gegensatz zu ihrem nächsten Verwandten, dem Bullterrier, fast auf keiner Rassenliste zu finden sind, würden seit der Einführung der neuen Hundegesetze vermehrt gekauft, sagt Sandy Birrer vom Verein Bullstaff Hilfe. Dass Hunde aufgrund ihres Aussehens als potenziell gefährlich eingestuft werden, könnte in Zukunft also häufiger werden.

Kantone mit Rassenlisten

Listen mit potenziell gefährlichen Rassen haben die Kantone AG, BL, BS, FR, GE, SH, SO, TG, TI, VD, VS und ZH. Sehr restriktiv sind Genf, Zürich und das Wallis, wo alle Listenrassen verboten sind. In den übrigen Kantonen mit Listen gilt für die meisten darauf enthaltenen Rassen eine Bewilligungspflicht. Als potenziell gefährlich gelten unter anderem American Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Bullterrier, Dobermann, Dogo Argentino, Fila Brasileiro, Rottweiler und Staffordshire Bullterrier. Kreuzungen aus Listenhunden brauchen in allen Listen-Kantonen entweder eine Halterbewilligung oder sind verboten.

Quelle: Wikipedia

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