«Mein Sohn schämt sich, aufs WC zu gehen»

Aktualisiert

Überwachte Pinkelpause«Mein Sohn schämt sich, aufs WC zu gehen»

Wer aufs WC will, muss seinen Namen aufschreiben. An der Schule Dänikon-Hüttikon laufe vieles schief, sagt eine Mutter. Jetzt will der Schulbehörden-Präsident handeln.

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Dass die WC-Anlagen an der Primarschule Dänikon-Hüttikon ab sofort vor Schulbeginn, während der grossen Pause, über Mittag und nach Schulende geschlossen werden und die Kinder lediglich während zehn Minuten in der Pause ihre Notdurft frei verrichten dürfen, stösst auf Unverständnis. 83 Prozent von 9000 Lesern haben bei der Online-Umfrage angegeben, diese Massnahme «gehe eindeutig zu weit».

Grund für die Überwachung der Kinder ist laut der Schule Vandalismus. Mehrmals seien Toiletten verstopft und Fäkalien neben den WCs verstrichen worden, sagt Fabiano Marchica, Präsident der Schulbehörde. Diese befristete Sofortmassnahme diene sowohl der Vermeidung von weiteren Schäden als auch der nachhaltigen Sensibilisierung.

«Das erinnert an ein Militärregime»

Mit Sensibilisierung habe das nichts zu tun, sagt eine Mutter, die anonym bleiben möchte. Die Tatsache, dass Schüler, die die Toiletten während der Unterrichtszeit benutzen, ihren Namen in eine Liste eintragen müssen, erinnere viel mehr an ein Militärregime. «Mein Sohn geht in der Schule gar nicht mehr aufs WC, weil es ihm peinlich ist, dass alle wissen, wann und wie lange er auf der Toilette war. Das ist doch kein Zustand.»

Marchica räumt ein: «Diese Vorgehensweise mag Aussenstehenden ungewöhnlich erscheinen.» Doch die Schule versuche seit zwei Jahren, mit anderen Lösungen gegen die Verschmutzung der Toiletten vorzugehen. Erfolglos. «Der Zustand der Anlagen ist nicht haltbar, weder für das Reinigungspersonal noch für die Kinder.» Deswegen habe man handeln müssen.

«Die Schule verliert ihre Glaubwürdigkeit»

Markus Imhof, Gemeindepräsident von Hüttikon, sagt, er könne dazu nur seine persönliche Meinung abgeben, da die Primarschule unabhängig sei. Aber als Bürger sei er sehr unglücklich mit dieser Massnahme: «Die Schule schafft so ein Problem, das eigentlich gar keines ist.» Er frage sich, wie die Verantwortlichen mit Sachen umgingen, die tatsächlich ein Problem darstellen. «Die Schule scheint die Situation nicht im Griff zu haben und verliert damit ihre Glaubwürdigkeit.»

Das Vertrauen in die Schule hat auch die Mutter verloren: In einem Mail, das 20 Minuten vorliegt, macht sie der Schulleitung schwere Vorwürfe. Im Sommer hätten zehn Lehrpersonen gekündigt, viele seien komplett überfordert, weil sie Quereinsteiger seien, schreibt sie. In den Pausen gebe es keine Aufsicht, die Kinder spielten an der Hauptstrasse. Schwächere Schüler würden nicht gefördert und als Elternteil wisse man nicht, an wen man sich wenden müsse. «Das Sekretariat und der Schulleiter sind kaum erreichbar.»

«Wir nehmen die Sorgen der Eltern ernst»

Marchica zeigt sich überrascht: «Bei mir hat sich niemand mit Vorwürfen oder Beschwerden gemeldet, keine Eltern und auch keine Kinder.» Es sei schade, dass sich diese Frau direkt an die Presse gewandt habe, gebe es doch genau für solche Probleme den Elternrat, der sich regelmässig gemeinsam mit der Schulleitung treffe. «Ich kann nicht behaupten, dass diese Schule fehlerlos ist, doch wir nehmen die Sorgen der Eltern ernst.»

Genau dies bestreitet jedoch die Mutter. «Ich habe mich mehrmals an die Schulleitung gewandt. Es hiess, man organisiere ein Elterngespräch, dieses hat aber nie stattgefunden.» Und sie sei nicht die Einzige. Ihre Freundin habe sogar mit dem Elternrat Kontakt aufgenommen, doch auch da sei nichts passiert. Jetzt will Schulpflegepräsident Marchica handeln: «Wir werden aktiv auf die Eltern zugehen, um diese Sache in Ordnung zu bringen.»

Stellungnahme von Schulleiter Markus Eschenlohr

«Angesichts pauschaler Vorwürfe von Unbekannt ist es mir wichtig festzuhalten, dass sich die Zusammenarbeit mit der Elternmitwirkung sehr gut gestaltet und eine offene Kommunikation gepflegt wird. Die WC-Regelung wird noch diesen Monat in der Elternmitwirkung thematisiert, um Inputs für die Umsetzungsdauer und die zukünftige Handhabung zu gewinnen.

Stellung nehmen kann und will ich zur Personalfluktuation: Per Ende letztes Schuljahr haben fünf kantonal angestellte Lehrpersonen gekündigt und eine Schulische Heilpädagogin, allesamt keine Quereinsteiger mit einem bis 18 Dienstjahren an unserer Schule. Die vielfältigen Austrittsgründe können aufgrund des Persönlichkeitsschutzes nicht öffentlich gemacht werden.

Ebenso möchte ich festhalten, dass an unserer Schule die Pausenaufsicht klar geregelt ist und jeden Tag sichergestellt ist. Und: Die Kinder können während der gesamten Unterrichtszeit, in den kleinen Pausen und dann eben noch die ersten zehn Minuten der grossen Pause das WC benützen. Die Einschränkung für den einzelnen ist wirklich marginal.»

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