Ukraine-Russland-Konflikt - «Meine Freunde in der Ukraine sind bereit für den Krieg»

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Ukraine-Russland-Konflikt«Meine Freunde in der Ukraine sind bereit für den Krieg»

Die Situation zwischen Russland und der Ukraine droht zu eskalieren. Auch in der Schweiz lebende Personen machen sich Sorgen um ihre Verwandten in den Krisengebieten. 

Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine verschärft sich weiter, am Dienstag wurde bekannt, dass russische Soldaten in die Ostukraine vorgerückt seien.
Die EU verhängte Sanktionen gegen Russland, welche noch diese Woche in Kraft treten sollen.
Es droht ein möglicher Krieg.
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Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine verschärft sich weiter, am Dienstag wurde bekannt, dass russische Soldaten in die Ostukraine vorgerückt seien.

REUTERS/Alexander Ermochenko

Darum gehts

Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine verschärft sich weiter. Am Dienstag wurde bekannt, dass russische Soldaten in die Ostukraine vorgerückt seien. Die EU verhängte Sanktionen gegen Russland, welche noch diese Woche in Kraft treten sollen.

Ein drohender möglicher Krieg beschäftigt auch in der Schweiz lebende Personen aus der Ukraine und Russland. Viele stehen mit Verwandten und Freunden in den Krisengebieten in Kontakt und machen sich Sorgen.

Dmytro Sidenko (46), ist in der Ukraine aufgewachsen

«Jeder Mensch in Europa sollte sich Gedanken über den Konflikt zwischen der Ukraine und Russland machen, da es sich um eine grosse Krise mit womöglich weltweiten Folgen handelt. Ich habe Angst um meine Eltern, denn sie wohnen in der Ukraine nur 50 Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Ich kann sie leider nicht in die Schweiz holen, sie können nicht ausreisen. Ich muss jeden Tag daran denken, dass sie noch dort sind, und mache mir Sorgen um sie. Ich telefoniere jeden Tag mit ihnen.

Ich reise regelmässig in die Ukraine, das letzte Mal im Dezember. Für uns Ukrainer ist eine Gefahr durch Russland nichts Neues, es war schon immer präsent. Früher lebten wir einfach normal unseren Alltag weiter. Heute sieht die Lage aber anders aus. Wir machen uns Sorgen. Die Ukrainerinnen und Ukrainer werden jetzt vermutlich motiviert sein, sich zu wehren. Das Volk und auch die Armee sind bereit. Viele meiner Bekannten und Freunde haben sich bei der Armee gemeldet und sind auch bereit, Krieg gegen Russland zu führen.»

Anastasiia Danilova (24), hat Familie und Freunde in der Ukraine

«Ich war gerade erst für einen Monat in Kiew und kam am 20. Februar zurück in die Schweiz. Ich hatte gerade noch Glück, da einen Tag später alle Flüge ab Kiew gestrichen wurden. Als ich vor Ort war, fühlte ich überhaupt keine Panik oder Sorge bei den Leuten in der Stadt. Sie waren alle ganz ruhig und lebten ihren Alltag. Es war so, als würde nichts passieren. Ich glaube, sie sind solche Situationen gewöhnt. Wir befinden uns in der Ostukraine bereits seit acht Jahren im Krieg mit Russland. 

Wir Ukrainer fühlen uns sicher – wir glauben, dass die Armee unser Land verteidigen kann. Sie haben es ja die letzten acht Jahre geschafft, wieso auch nicht jetzt. Dank der Unterstützung des Westens ist die Armee jetzt stark genug.»

Lisa (24), hat Verwandte in Russland

«Zuerst habe ich den Konflikt in der Schweiz mitverfolgt, am 6. Februar reiste ich dann für voraussichtlich drei Wochen nach Moskau. Als ich ankam, musste ich feststellen, dass die Russen eine völlig andere Sichtweise auf den gesamten Konflikt haben als wir. Sie sprachen sehr wenig darüber, die Olympischen Spiele schienen sie mehr zu interessieren. Die Mehrheit der Russinnen und Russen glaubten nicht, dass es Krieg geben wird. Sie sahen es auch nicht so dramatisch an, wie es westeuropäische Medien schilderten. Vor Ort haben mir viele gesagt, dass alles aufgebauscht und sehr übertrieben werde.

Ich denke nicht, dass es Krieg zwischen Russland und der Ukraine geben wird oder die Lage ganz eskalieren könnte. In ein paar Tagen und Wochen wird sich das Ganze wieder beruhigen. Ich hoffe, dass für alle Gebiete und Staaten eine Lösung gefunden werden kann.»

Marina Okhrimovskaya (59), Journalistin aus Russland und Kritikerin Putins

«Ich wohne in der Schweiz, pflege aber zu Familie und Freunden im Ausland – in der Ukraine und in Russland – einen engen Kontakt. Wir telefonieren, schreiben uns auf dem Handy und besuchen uns auch oft. Ich mache mir grosse Sorgen um sie. Ich mache mir Sorgen um meine Verwandten in Russland, aber auch um die Betroffenen in der Ukraine. Die ganze Situation ist nicht einfach. Ich war 2017 das letzte Mal in Russland. Bereits damals gab es viel gegen Westeuropa und die USA gerichtete Propaganda. Ein Teil der russischen Bevölkerung glaubt auch daran und legt eine sehr aggressive Haltung an den Tag. Die meisten meiner Bekannten unterstützen Putin aber nur dem Anschein nach – hinter verschlossenen Türen machen sie sich über ihn lustig und verfluchen ihn.

Die russische Propaganda ist auch in der Diaspora weit verbreitet. Ich selbst landete im Fadenkreuz von Putins Patrioten, nachdem ich eine Reihe von kritischen Beiträgen über den ermordeten Oppositionspolitiker Boris Nemzow schrieb. Die Drohungen endeten erst, als ich bei der Staatsanwaltschaft Schutz suchte. Da ich in der Schweiz wohne, denke ich, dass meine Familie hier sicher ist. Doch der Konflikt bereitet mir Sorgen. In der Nacht träume ich von Panzern und von Frauen, die Kinderwagen mit toten Kindern vor sich her stossen. Ich denke, dass auch ich eine Schuld an Putins Verbrechen trage. Ich war zwar nicht direkt bei seinen Aktionen involviert, aber ich musste machtlos zusehen und konnte nichts dagegen unternehmen. Deshalb fühle auch ich mich schuldig.»

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