MenschenhandelIn der Schweiz werden immer mehr Menschen ausgebeutet
Im vergangenen Jahr wurden 197 neue Opfer von Menschenhandel in der Schweiz identifiziert, die Zahl ist angestiegen. Doch viele der Opfer würden nicht als solche erkannt, wird kritisiert.
Darum gehts
In der Schweiz wurden 2023 insgesamt 197 neue Opfer von Menschenhandel identifiziert.
Organisationen kritisieren, Opfer würden oft nicht als solche erkannt und sogar noch strafrechtlich verfolgt.
Die Opfer stammen aus Ungarn, der Demokratischen Republik Kongo, Kamerun und Somalia. Einen Anstieg gab es bei afrikanischen Ländern.
In der Schweiz haben die Mitgliedsorganisationen der Plattform Menschenhandel 488 Opfer von Menschenhandel begleitet und beraten, 197 neue Opfer wurden identifiziert, was einem Anstieg von elf Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.
Wer die Opfer sind
«Bei der grossen Mehrheit der aufgedeckten Fälle handelt es sich um Frauen. Die Tendenz der letzten Jahre bestätigt sich jedoch erneut: Männer sind als Opfer keine Randerscheinung», heisst es in der Mitteilung. In Zahlen waren es 75,5 Prozent Frauen gegenüber 23 Prozent Männer.
«Der Anstieg von männlichen Opfern erklärt sich vor allem damit, dass die Sensibilisierung bezüglich Menschenhandel und die entsprechenden Kontrollen sich zusehends von der Sexarbeit hin zu Arbeitssektoren verlagert hat, die männlich dominiert sind.»
Woher die Opfer stammen
«Das Profil der erfassten Opfer bezüglich Herkunft, Geschlecht und Arbeitstätigkeit hängt stark von den Branchen ab, in denen Kontrollen stattfinden, vom Sensibilisierungsgrad der Erstkontaktstellen und der Anwesenheit von spezialisierten Opferschutzstellen», heisst es in der Mitteilung. «Daher stellen die Zahlen nur einen Teil der Realität des Phänomens dar, das sich per Definition im Verborgenen abspielt.»
2023 kamen die Opfer aus 55 verschiedenen Ländern. Die häufigsten Herkunftsländer der neu identifizierten Opfer waren 2023 Ungarn, die Demokratische Republik Kongo, Kamerun und Somalia. Es sei mit 56 Prozent ein deutlich höherer Anteil an Opfern aus afrikanischen Ländern festgestellt worden, teilt die Plattform Menschenhandel mit.
Wozu die Menschen gezwungen werden
Die spezialisierten Fachstellen identifizieren immer häufiger Opfer von Menschenhandel zwecks Ausbeutung der Arbeitskraft. 2023 erreichte die Zahl mit 47 Prozent einen neuen Höchststand. Die Zahlen beinhalten auch Opfer, die zu illegalen Handlungen wie Diebstahl oder Drogenschmuggel gezwungen wurden.
Obwohl die Zunahme der aufgedeckten Fälle auf eine bessere Sensibilisierungsarbeit zurückzuführen ist, kritisiert Nina Lanzi von der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration FIZ: «Betroffene von Arbeitsausbeutung werden häufig nicht als solche anerkannt und erhalten entsprechend nicht den Schutz, zu dem sie Anrecht haben.» Die strafrechtliche Verfolgung der Täterinnen und Täter bleibe meist aus, da es an Beweisen fehle, ergänzt Leila Boussemacer von Centre Social Protestant in Genf.
«Opfer werden strafrechtlich verfolgt»
Die Plattform Menschenhandel kritisiert weiter, der Strafbestand des Menschenhandels werde von den Behörden viel zu selten verfolgt. «Oft sind es gar die Opfer, die strafrechtlich verfolgt und des Landes verwiesen werden, wegen illegalen Aufenthalts und fehlender Arbeitserlaubnis.»
Monica Marcionetti von Mayday fordert: «Mehr Ressourcen für die Einrichtung von spezialisierten Strukturen sind nötig, um die Opfer von Menschenhandel effektiv zu schützen.» Angela Oriti von Astrée unterstreicht: «Da die Zahl der identifizierten Opfer von Menschenhandel gestiegen ist, sind Schutzmassnahmen nötig, die zwischen der Kantons- und Bundesebene koordiniert und angemessen finanziert sind.»
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von Zwangsprostitution und/oder Menschenhandel betroffen?
Hier findest du Hilfe:
Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration, Tel. 044 436 90 00
ACT 212, Nationale Meldestelle gegen Menschenhandel, Tel. 0840 212 212
Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Folgst du schon 20 Minuten auf Whatsapp?
Eine Newsübersicht am Morgen und zum Feierabend, überraschende Storys und Breaking News: Abonniere den Whatsapp-Kanal von 20 Minuten und du bekommst regelmässige Updates mit unseren besten Storys direkt auf dein Handy.