Piratenpartei: Monica Amgwerd zur Initiative für digitale Integrität

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«Menschenwürde»Piratin erklärt ihre Initiative fürs Recht auf handyfreies Leben

Die Piratenpartei hat im Kanton Zürich eine Initiative für ein Recht auf Leben ohne Smartphone eingereicht. Im Interview erklärt Generalsekretärin Monica Amgwerd, warum das nötig ist – und liebäugelt mit einer nationalen Volksinitiative.

Die Generalsekretärin der Piratenpartei Zürich, Monica Amgwerd, setzt sich für ein Recht auf ein Leben ohne Smartphone ein.
Viele Dienstleistungen wie E-Banking oder ein ÖV-Ticket kaufen können heute über das Handy gemacht werden.
Billett-Automat gibt es immer weniger. Das sorge auch für praktische Probleme im Alltag, sagt Amgwerd.
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Die Generalsekretärin der Piratenpartei Zürich, Monica Amgwerd, setzt sich für ein Recht auf ein Leben ohne Smartphone ein.

20min/Marco Zangger

Darum gehts

  • Die Zürcher Piratenpartei reicht eine Volksinitiative für digitale Integrität ein. Generalsekretärin Monica Amgwerd erklärt die Idee dahinter.

  • Es müsse möglich sein, Alltagstätigkeiten wie einen Ticketkauf auch ohne Handy zu erledigen.

  • Wenn sich in den nächsten Jahrzehnten nichts ändere, würden wir «regelrecht von KI ausgeschlachtet» werden.

20 Minuten: Frau Amgwerd, die Piraten wurden als Internet-Partei bekannt. Weshalb lancieren Sie nun eine Initiative gegen die Digitalisierung?

Monica Amgwerd: Die Initiative richtet sich nicht gegen die Digitalisierung. Diese hat sehr viele positive Aspekte, welche das Leben der Menschen erleichtert – gerade das Internet ist auch aus demokratischer Sicht eine grosse Chance. Es liefert Zugang zu Wissen und erleichtert die Kommunikation. Wir verstehen als digitalaffine Menschen bei der Piratenpartei aber auch die Risiken und sagen, dass es nun Regeln braucht.

Welche digitalen Abläufe im Alltag sehen Sie als Hauptproblem?

Bei unserer Bank gibt es zur Kundenberatung nur noch einen digitalen Zugang via Chatroboter – dieser funktioniert aber kaum. Nach einer Stunde in der Hotline wurde mir gesagt, dass der Kontakt via E-Mail und auch ein physischer Termin nicht möglich seien, um etwas zu besprechen, was ich unglaublich finde. Anderes Beispiel: Ich habe zwei Kinder und an unserer Bushaltestelle gibt es keinen Ticketautomaten mehr, wir können mit Bargeld kein Ticket mehr lösen. Ich kann also meinen Kindern, die noch kein Smartphone haben, kein Geld mehr mitgeben, um ein Billett zu lösen. Das darf einfach nicht sein und muss rückgebaut werden. Jede und jeder muss unüberwacht ÖV fahren können.

Ein ÖV-Ticket zu kaufen ist an vielen Orten mit Bargeld nicht mehr möglich.

Ein ÖV-Ticket zu kaufen ist an vielen Orten mit Bargeld nicht mehr möglich.

20min/Celia Nogler

Erklären Sie das «Recht auf Vergessenwerden» – etwa bei Insta-Bildern – das Sie fordern. So etwas lässt sich doch nicht per Gesetz durchsetzen.

Doch! Es braucht eine Möglichkeit, alte Bilder und sonstige Daten zu löschen. Es muss sichergestellt sein, dass nicht alle Zugriff auf Inhalte haben, welche ich vor Jahren im Netz veröffentlicht habe. Es gibt bereits viele Firmen, die sich hier vorbildlich verhalten. Aber jene, welche schludrig mit unseren Daten umgehen, sollen im äussersten Fall auch strafrechtlich verfolgt werden können. Wichtige Prinzipien sind hierbei auch Datensparsamkeit und Privacy by Design. Die Rechtsdurchsetzung ist nicht einfach – aber wir müssen damit anfangen, dieses Recht einzufordern, damit sich etwas ändert.

Die riesigen Datenmengen, die über uns gesammelt werden, können nun durch KI im Detail ausgewertet werden.

Generalsekretärin Monica Amgwerd

Welche Rolle spielt KI bei Ihren Bedenken?

«Wenn nichts passiert, werden wir regelrecht ausgeschlachtet von KI» , sagt Monica Amgwerd, Generalsekretärin der Piratenpartei Zürich.

«Wenn nichts passiert, werden wir regelrecht ausgeschlachtet von KI» , sagt Monica Amgwerd, Generalsekretärin der Piratenpartei Zürich.

20min/Marco Zangger

Eine sehr wesentliche. Die riesigen Datenmengen, die über uns gesammelt werden, können nun durch KI im Detail ausgewertet werden. Die Möglichkeiten sind fast unbegrenzt. Solche Tools zu entwickeln, gelingt aber nur einigen ganz grossen Playern wie Meta, Google, Microsoft oder OpenAI. Das verschafft diesen Firmen eine Übermacht. Dagegen wollen wir ankämpfen.

Was wären die Konsequenzen, wenn sich auf gesetzlicher Stufe nichts ändert in den nächsten 20 Jahren?

«Es ist nötig, dass die digitale Integrität auf nationaler Ebene zum Grundrecht wird », meint Amgwerd.

«Es ist nötig, dass die digitale Integrität auf nationaler Ebene zum Grundrecht wird », meint Amgwerd.

Privat

Wichtig ist, dass die Menschen verstehen, was mit ihren Daten passiert. Dann wird es hoffentlich eine grosse Bewegung geben für ein Menschenrecht auf digitale Integrität – das ist keine politische Frage von links oder rechts. Wenn nichts passiert, werden wir regelrecht ausgeschlachtet von KI. Das Wissen und die Arbeit der Menschheit werden entwertet, was auch wirtschaftlich problematisch ist. Zudem können Demokratien manipuliert werden. Was der Fall Cambridge Analytica anschaulich beweist. Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Kombination aus Profiling, Scoring und Targeting zerstört die Grundpfeiler der Demokratie. Im letzten Jahrzehnt wurden mehr als 60 Demokratien auf diese Weise unterlaufen, das ist zu wenig bekannt – davon spricht der Computer Soziologie Dirk Helbling der ETH. Ich sehe also die Menschenwürde in Gefahr.

Viele digitale Vorgänge finden auf nationaler oder gar globaler Ebene statt. Wann lancieren Sie eine nationale Initiative?

Wofür brauchst du dein Smartphone im Alltag?

Wir befinden uns in einem Prozess – die Leute werden immer aufmerksamer. Es ist nötig, dass die digitale Integrität auf nationaler Ebene zum Grundrecht wird. Ich kann mir deshalb gut vorstellen, dass wir das Anliegen auch per nationaler Volksinitiative aufgreifen. Dass das Anliegen den Leuten unter den Nägeln brennt, zeigte die Zustimmung von 94 Prozent im Kanton Genf. Es wäre schön, wenn unser gesamtgesellschaftliches Anliegen alle, ungeachtet der politischen Lager, unterstützen.

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