Studien zeigen«Jedem Mieter fehlen pro Jahr 500 Franken» – SP will Kontrollen
Studien zeigen: Mieterinnen und Mieter in der Schweiz zahlen insgesamt jedes Jahr über zehn Milliarden Franken zuviel. Jetzt wird die Politik aktiv.
Darum gehts
Wer eine Wohnung vermietet, darf neben allen Kosten, aus denen sich die Miete errechnet (siehe Box), auch einen Gewinn erzielen: eine Eigenkapitalrendite. Aktuell darf diese nicht höher sein als 3,25 Prozent des Kapitals, das der Vermieter aus seiner Tasche in das Haus investiert hat. Sinken die Hypothekarzinsen, muss folglich auch die Miete sinken. Doch viele Vermieter hielten sich nicht daran, schreiben die Zürcher Nationalrätin Jacqueline Badran und der Genfer Ständerat Carlo Sommaruga in zwei parlamentarischen Initiativen, die in den nächsten Wochen im Parlament diskutiert werden.
Die effektiven Mietzinse und damit die Renditen für die Vermieter seien höher, schreiben Badran und Sommaruga. Nämlich würden die Mieterinnen und Mieter in der Schweiz jedes Jahr 14 Milliarden Franken mehr an Mietkosten bezahlen, als gesetzlich vorgeschrieben wäre. Sie beziehen sich auf eine Raiffeisen-Studie aus dem Jahr 2017, in der es heisst: «Eigentlich müssten die Bestandsmieten heute viel, viel tiefer liegen, um maximal 40 Prozent.» Zinssenkungen würden ein klar definiertes Anrecht der Mieter auf Mietzinssenkungen begründen, schreiben die Autoren. Doch die Realität sehe anders aus (siehe Grafik).

Gelb: Entwicklung der Mieten. Blau: Entwicklung des Hypothekar-Referenzzinses.
«Zinsanstieg stoppt Höhenflug», Raiffeisen, 2017Mieter müssen ihr Recht einfordern
Diese 40 Prozent entsprechen laut Berechnungen des Mieterverbands einer Differenz von 14 Milliarden Franken. Eine weitere Studie des Büro Bass, vom Mieterverband selber in Auftrag gegeben und Anfang Jahr 2022 publiziert, kommt zu einem ähnlichen Schluss: Mieterinnen und Mieter in der Schweiz zahlen jedes Jahr Milliarden Franken zu viel. Wieso?
Michel Fleury, Immobilienspezialist bei Raiffeisen Schweiz, erklärt es so: «Laut Gesetz gibt es eine Holschuld des Mieters.» Das heisst: Sinkt der Referenzzinssatz, muss der Mieter selber beim Vermieter eine Senkung der Miete einfordern. Der Vermieter muss von sich aus nicht aktiv werden. Untersuchungen zeigten jedoch, sagt Fleury, dass nur ein kleiner Teil der Mieter dieses Recht beansprucht.
500 Franken pro Monat und Mieter
Die Differenz zwischen gesetzlich geschuldetem und tatsächlichem Mietzins sei Geld, das der Volkswirtschaft fehle, schreiben Badran und Sommaruga. «Den Leuten fehlen jeden Monat 500 Franken im Portemonnaie, das sie entweder ausgeben oder sparen können. Das ist ein volkswirtschaftlicher Gau und zutiefst gewerbefeindlich», sagt Jacqueline Badran.» Ohnehin sei es inakzeptabel, dass das Gesetz nicht eingehalten werde. Das Bundesamt für Wohnungswesen solle die Mieten stichprobenmässig auf die Einhaltung der Regeln überprüfen.
Findest du, deine Miete ist zu teuer?
Es sei ein zu hoher Anspruch, die Holschuld dem Mieter zu überlassen, sagt Grüne-Nationalrat Michael Töngi, der auch Vizepräsident des schweizerischen Mieterverbands ist. «Menschen mit Migrationshintergrund kennen ihre Rechte oft zu wenig, und viele Mieter wollen es dem Vermieter auch einfach recht machen.» Für Töngi ist klar: Regelmässige Kontrollen des Bundes hätten eine präventive Wirkung und wären ein starker Hebel. Die Chancen auf Zustimmung im Parlament erachtet er jedoch als gering. «Die Immobilien-Lobby ist enorm stark, auch bei uns im Parlament.»
Entsprechend weist Maja Riniker, FDP-Nationalrätin und Vorstandsmitglied beim Hauseigentümerverband, darauf hin, dass der Vorstoss von Jacqueline Badran im Juni von der Rechtskommission des Nationalrats abgelehnt worden sei. «Der Nationalrat sollte der vorberatenden Kommission folgen», sagt sie, denn: «Regelmässige Kontrollen wären ein unverhältnismässig grosser Aufwand. Es handelt sich um 2,3 Millionen Miethaushalte.» Zudem zeige eine Studie des Bundesamts für Wohnungswesen, dass die überwiegende Zahl der Mieterinnen und Mieter mit dem geltenden Mietrecht zufrieden seien. Die Studie des Mieterverbands sei für sie zudem nicht über alle Zweifel erhaben, jener der Raiffeisen könne man etwas mehr Gewicht beimessen.
So kommt der Mietzins zustande
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