Migros und Coop sollen selbst Maskenpflicht einführen

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EpidemiologeMigros und Coop sollen selbst Maskenpflicht einführen

Die Detailhändler sollen nicht einfach auf die Kantone warten, sagt Epidemiologie-Professor Marcel Tanner. Er fordert, dass die Händler für stark frequentierte Geschäfte von sich aus eine Maskenpflicht prüfen.

In fünf Kantonen gilt beim Einkaufen bereits eine Maskenpflicht. (Symbolbild)
Als erster Deutschschweizer Kanton gilt diese ab Montag auch in Basel-Stadt.
Epidemiologe-Professor Marcel Tanner (rechts) nimmt jetzt die Detailhändler in die Pflicht. Sie sollen selber prüfen, wo eine Maskenpflicht sinnvoll sei.
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In fünf Kantonen gilt beim Einkaufen bereits eine Maskenpflicht. (Symbolbild)

Foto: Keystone

Darum gehts

  • Trotz steigender Fallzahlen müssen Einkaufende erst in fünf Kantonen eine Maske tragen.
  • Epidemiologie-Professor Marcel Tanner will, dass Detailhändler selber eine Maskenpflicht für Läden prüfen, die stark frequentiert sind.
  • Die Politik ist sich uneins, was zu tun ist.
  • Die Detailhändler winken ab.

Fünf Kantone haben bereits eine Maskenpflicht für Läden erlassen: Jura, Waadt, Genf, Neuenburg und ab Montag als erster Deutschschweizer Kanton auch Basel-Stadt. Alle anderen Kantone haben trotz steigender Infektionszahlen noch nicht nachgezogen. Doch weshalb auf die Kantone warten, fragt sich Epidemiologie-Professor und Mitglied der Corona-Taskforce des Bunds, Marcel Tanner.

Der Epidemiologe nimmt auch die Detailhändler in die Pflicht: «Sie müssen wenn nötig von sich aus eine Maskenpflicht erwägen», sagt er gegenüber 20 Minuten. «Etwa dann, wenn der Laden stark frequentiert ist und der Abstand nicht eingehalten werden kann.» In dieser Krise seien alle gefordert: «Die Detailhändler können nicht einfach warten, bis die Kantonsregierung etwas anordnet. Sie sollen der Situation entsprechend selber am Erstellen der Schutzkonzepte mitwirken.» Damit nähmen die Händler auch ihre Verantwortung gegenüber ihren Kunden wahr.

In Amerika ist das bereits gang und gäbe: So verlangen etwa die Supermarktketten Walmart, Costco und Target von ihren Kunden, eine Maske zu tragen.

SP-Feri würde nationale Maskenpflicht begrüssen

Von einer nationalen Maskenpflicht in Läden will Tanner nichts wissen. «Ganz wichtig ist, dass man die Situation lokal angemessen anschaut. Die Fälle sind nicht gleichmässig im Land verteilt.» Eine Maskenpflicht im Supermarkt oder Gartencenter macht laut Tanner also nur abgestimmt auf die lokale Risikolage und die Kundendichte Sinn: «Eine Maskenpflicht im Dorfladen im Urner Schächental zum Beispiel wäre wahrscheinlich nutzlos und nicht verhältnismässig.» Tanner wünscht sich ein «verantwortungsvolles Zuschneiden von Massnahmen».

«Ich würde es zwar begrüssen, wenn Detailhändler von sich aus eine Maskenpflicht einführen würden», sagt SP-Nationalrätin Yvonne Feri. «Aber eine Vorschrift durch die Kantone wäre mir lieber.» Auch, damit solche Läden nicht gemieden würden und deshalb benachteiligt seien. «Eine nationale Maskenpflicht in Läden würde ich befürworten», sagt sie. Der Bundesrat müsse versuchen, im Maskenchaos eine Einigung unter den Kantonen herbeizuführen. «Öfters eine Maske zu tragen, dient nicht nur zum Schutz, sondern auch zur Sensibilisierung, denn das Virus ist noch da.»

Bürgerliche pochen auf Föderalismus

Anders sieht es CVP-Ständerat und Vizepräsident der Gesundheitskommission, Erich Ettlin: «Aufgrund der unterschiedlich hohen Infektionszahlen ist es richtig, dass die Kantone über eine Maskenpflicht in Läden entscheiden.» Hier mache der Föderalismus Sinn. Ettlin erwartet, dass weitere Kantone nachziehen, falls die Zahlen weiter steigen. «Die Kantone sollten sich aber regional abstimmen.» Den Detailhändlern will Ettlin nicht dreinreden: «Ob sie eine Maskenpflicht einführen, ist ihnen überlassen.» Er habe Verständnis, dass niemand vorpreschen will. «Eine Lösung müsste wohl branchenweit abgesprochen sein.»

Für SVP-Nationalrat Andreas Glarner geht eine Maskenpflicht in Läden zu weit. «Es gibt in allen Geschäften bereits eine Personenobergrenze basierend auf der Verkaufsfläche. Das reicht, eine Maskenpflicht braucht es nicht», sagt er. Dass die Detailhändler selber eine Tragepflicht prüfen sollten, findet Glarner nicht: «Die Detailhändler dürfen das natürlich, aber nötig ist es nicht.» Den jetzigen Flickenteppich sieht er positiv: «Jeder Kanton soll für sich entscheiden.»

Detailhändler winken ab

Die Migros erteilt dem Vorschlag Tanners eine Abfuhr: «Bis zum heutigen Tag ist es in der Migros zu keinen nennenswerten Krankheitsausbrüchen gekommen – weder bei den Mitarbeitenden, noch aufseiten der Kunden», sagt Sprecher Patrick Stöpper. Die Geschäfte der Migros verfügten «über ausgeklügelte und sehr erfolgreiche Schutzkonzepte» und seien mehrfach von den Behörden überprüft worden. Aus Sicht der Migros «ist eine schweizweite Maskenpflicht im Detailhandel aus diesen Gründen nicht notwendig.» Selbstverständlich würden aber die behördlichen Vorgaben umgesetzt.

Auch bei Aldi Suisse heisst es, man setze auf die Vorschriften des BAG und der Kantone: «Eine schweizweit geltende Maskenpflicht für unsere Filialen quasi im Alleingang einzuführen, ist derzeit nicht unser Plan», so Sprecher Philippe Vetterli. Man sei aber dank eines Grundvorrats an Hygienemasken auf eine Ausdehnung der Maskentragepflicht auf weitere Kantone vorbereitet.

Ins gleiche Horn stösst Coop-Sprecherin Marilena Baiatu. Coop sei schweizweit auf eine allfällige Maskenpflicht in den Verkaufsstellen vorbereitet. Von sich aus eine Maskenpflicht einzuführen, sei aber nicht geplant: «Wir setzen die Vorgaben der Behörden um.» Auch bei Lidl Schweiz heisst es, man sei auf verschiedene Szenarien vorbereitet. Aber: «Eine Maskenpflicht ist ein Entscheid, den die Behörden treffen», so Sprecherin Corina Milz.

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