Holocaust-VerharmlosungMike Müller vergleicht Linksextremen-Demo mit «Reichskristallnacht»
Jetzt hat sich auch der «Bestatter»-Schauspieler auf Twitter verrannt: In einem Tweet setzt Mike Müller die Demonstrationen von Linksextremen in Zürich mit der Reichskristallnacht gleich. Gemäss einer Expertin wird so der Holocaust verharmlost.
Darum gehts
Auf Twitter reagiert Mike Müller auf die Demonstration von Linksextremen am Samstag.
Dabei zieht er einen Vergleich zwischen den Ausschreitungen und der Reichskristallnacht.
Die Twitter-Community ist empört.
Laut einer Expertin verharmlost Müller mit seinem Tweet den Holocaust.
Just zur Kinopremiere seines «Bestatter»-Films sorgt der Komiker und Schauspieler Mike Müller für eine heftige Kontroverse auf Social Media. Müller äusserte sich auf Twitter zu der unbewilligten Demonstration von Linksextremen in Zürich, die am Wochenende stattfand. Dabei griffen Demonstrierende Polizisten unter anderem mit Molotowcocktails an und waren äusserst gewaltbereit. So wurde ein Polizist in einen Hauseingang gedrängt und mit Fäusten und Fusstritten gegen den Kopf und den Körper traktiert. Zudem wurden Fensterscheiben zerschlagen, zahlreiche Sprayereien an Hauswänden angebracht und Pyros gezündet.
Am Montag verglich Müller diese Ausschreitungen mit der Reichskristallnacht. So schrieb er: «Die Reichskristallnacht nahm ihren gewohnten Lauf.» Zum historischen Kontext: In der Reichskristallnacht vom 9. zum 10. November 1938 zogen Hitlers SA-Trupps mit brachialer Gewalt durch die Strassen, zündeten Synagogen an, prügelten zahlreiche Jüdinnen und Juden zu Tode und zerstörten deren Geschäfte und Wohnungen.
Seinen Vergleich soll der Komiker unter anderem aufgrund von Sprayereien auf dem Behindertenwerk der Stiftung St. Jakob an der Heinrichstrasse gezogen haben. Dort ist «Aufwertung verhindern» zu lesen. Ein Sprecher der Stiftung St. Jakob bestätigt, dass diese Sprayereien im Rahmen der Demonstration angebracht wurden.
«Geht gar nicht»
Für seinen Vergleich kassierte der Komiker umgehend sehr negative Rückmeldungen. «Verharmlost Mike Müller hier gerade ein paar beschmierte Wände mit dem grossflächigen Beginn der Judenverfolgung?», schreibt ein Twitter-User empört. «‹Reichskristallnacht› in diesem Zusammenhang zu nennen, zeugt von geschichtlicher Unkenntnis», kommentiert ein weiterer User. «Als behinderte Jüdin sag ich dir: Ein sch**** Vergleich», schreibt eine Userin. Zudem wird dem Komiker geraten, sich zu entschuldigen: «Die Metapher in deinem Tweet geht gar nicht.»
Müller rudert zurück
Müller reagierte zwar auf die Kritik, ruderte aber nur teilweise zurück: «Vielleicht ging ich ein bisschen weit mit ‹Kristallnacht›.» Er legte aber sogleich nach: «Da kann man getrost von Taliban sprechen.»
Doch auch das fanden viele Twitter-Userinnen und -User ziemlich daneben. Dazu schreibt eine Userin: «Wenn ich dir jetzt schreibe, was dir die Frauen, die ich kenne und die vor den Taliban geflüchtet sind, zu deinem Tweet sagen würden, werde ich geblockt.»
Die Userinnen und User auf Twitter verlangten eine Entschuldigung von Müller: «Sag einfach, es war sch*****, und gut. Du kannst das.» Zudem wird die Löschung des Tweets verlangt. «Das wäre das Minimum», schreibt ein User.
Am Dienstagnachmittag lenkte Müller schliesslich noch ein bisschen ein: «Okay, ich nehme die Reichskristallnacht zurück. Den Tweet lösche ich, wenn der Spruch nicht mehr an der Fassade ist.» Der Komiker schreibt weiter, er möge die Rechtfertigungen «faschistischer» Sprayereien und von Gewalt gegen Polizisten nicht mehr lesen. «Faschos werden von mir geblockt.»
Gegenüber 20 Minuten wollte sich Müller nicht äussern. Laut Stephanie Graetz, Geschäftsleiterin der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA), stellt der Vergleich von Müller eine Verharmlosung des Holocausts dar. «Die Ermordung von Juden und Jüdinnen mit der Verwüstung von Sachen zu vergleichen, ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar, aber Herrn Müller Antisemitismus vorzuwerfen, ist etwas zu weit gegriffen.» Sprache sei ein mächtiges Instrument: «Durch solche Vergleiche werden die Menschheitsverbrechen der Nationalsozialisten relativiert und somit die Geschichte verwässert.» Wer eine gewalttätige linksextreme Szene mit den damaligen Zuständen vergleicht, stellt gemäss Graetz im Keim die Frage, ob die Lage der jüdischen Gemeinschaft damals wirklich so schlimm war.
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von Antisemitismus betroffen?
Hier findest du Hilfe:
GRA, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus
Jüdische Fürsorge, info@vsjf.ch
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
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