GazaMit Hammer und Pickel zum Airport
Palästinenser plündern den verwüsteten Flughafen von Gaza. Der zu Hauf vorhandene Recycling-Schotter dient den Menschen als Baumaterial.

Ein verwahrloster Flughafen dient als Baumatriallager.
Jeden Tag noch vor dem Morgengrauen machen sich Dutzende Männer mit Vorschlaghammer und Spitzhacke über Rollbahn und Terminal her. In den Trümmern des Internationalen Flughafens Gaza graben sie nach Schotter und Metall, um sie als Baumaterial verkaufen zu können.
Die Plünderung des einstigen Prestigeprojekts - gebaut unter anderem mit deutschem Fördergeld, begrüsst als wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem palästinensischen Staat und dann in Grund und Boden gebombt - zeigt, wie dreckig es den Palästinensern im Gazastreifen inzwischen geht.
Die Abbrucharbeiter in Eigeninitiative kommen jeden Tag, schuften endlose Stunden lang und gehen abends mit umgerechnet knapp elf Euro nach Hause, weil sie sonst keinen Arbeitsplatz finden. «Ich habe keine andere Arbeit als den ganzen Tag in der Sonne zu schuften, um meine Kinder zu ernähren», sagt Hilmi Isawied.
Bei hochsommerlichen 37 Grad placken sich an diesem Tag etwa 120 Männer ab. Manche graben nach Schotter, andere hacken die Überbleibsel der Wände des Abfertigungsgebäudes auf und suchen nach Metallstreben. Viele verzichten dabei auf Speis und Trank - es ist Ramadan, der Fastenmonat.
Auch Arbeitsplatz zerbombt
Isawied und vier Freunde sind seit 03.00 Uhr morgens da, wie der 34-Jährige berichtet. Sie hieven schwere Placken Asphalt hoch, scharren den Schotter darunter hervor und sieben ihn in grosse Säcke. Am Abend können sie rund fünf Tonnen an die Händler vor dem Flughafengelände verkaufen. Der Trümmerschutt wird mit eingeschmuggeltem Zement gemischt. Das taugt zwar für kleinere Reparaturen, reicht aber nicht für grössere Bauvorhaben.
Idealerweise kämen sie nach einem Tag Schwerstarbeit jeder auf umgerechnet gut 20 Euro, sagt Isawied. Als Mechaniker in einem Industriegebiet im Norden von Gaza hat der Vater von sechs Kindern früher mehr verdient. Doch auch das Industriegebiet wurde wie der Flughafen im Krieg von Israel zerbombt - und dann ausgeplündert, bis absolut nichts mehr zu holen war.
Nach der Machtübernahme der Hamas 2007 hatten Israel und Ägypten eine Blockade über den Gazastreifen verhängt. Die Einfuhrsperre wurde jüngst etwas gelockert, doch Baumaterialien lässt Israel mit ganz wenigen Ausnahmen nach wie vor nicht durch mit der Begründung, sie könnten von den Radikalislamisten zum Bunkerbau missbraucht werden.
Daher können die Einwohner die tausende Häuser nicht wiederaufbauen, die während der israelischen Offensive im Winter 2008/09 beschädigt oder zerstört wurden. Auch viele Werkstätten und Fabriken gingen kaputt, was die Arbeitslosigkeit noch verstärkte.
Spiegel des Niedergangs
Das Schicksal des Flughafens spiegelt den Niedergang des ganzen Territoriums im vergangenen Jahrzehnt wider. Bei der feierlichen Eröffnung des Airports 1998 hatte der inzwischen gestorbene palästinensische Präsident Jassir Arafat die ersten Maschinen bei der Landung noch mit dem Siegeszeichen begrüsst. «Das ist die Vorbereitung auf die Ausrufung des palästinensischen Staats», erklärte er damals.
75 Millionen Dollar (rund 58 Millionen Euro) hatte der Flughafen gekostet, bezahlt unter anderen von europäischen und arabischen Ländern sowie Japan. Es gab ein Abfertigungsgebäude im marokkanischen Stil, eine VIP-Lounge und eine ausreichend lange Landebahn für alle bis auf die grössten Jumbo-Jets. Der letzte Abflug fand 2001 statt, ein Jahr nach Beginn des zweiten Aufstands der Palästinenser gegen die israelische Besatzung.
Später beschossen die israelischen Streitkräfte den Airport, rückten mit Panzern ein und rissen Aussenmauer und Tower nieder. Seit der Entführung eines israelischen Soldaten durch Militante mit Verbindung zur Hamas 2006 wurde das Gelände immer wieder bombardiert, die Terminals und der grössten Teil der Landebahn wurden schwer beschädigt.
Die Plünderer, darunter auch Frauen und Jugendliche, folgten der Zerstörung Schritt für Schritt. Erst schleppten sie Türen und Fenster, Kacheln und Klimaanlagen davon, jetzt holen sie die Rohre aus der Wand und den Schotter unter dem Asphalt. Es ist die letzte lohnende Trümmerlandschaft - die anderen in Gaza sind schon gründlich gefleddert.