Mittelschule Uri: Schüler missbraucht: Rektor und Regierungsrat wussten Bescheid

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Mittelschule UriSchüler missbraucht: Rektor und Regierungsrat wussten Bescheid

In den 1960er- und 70er-Jahren kam es an einer Schule in Uri zu einer Reihe von Missbrauchsfällen durch Benediktiner-Pater. Recherchen von SRF zeigen, dass die Vorwürfe von diversen Verantwortlichen vertuscht wurden.

In den 1960er- und 1970er-Jahren kam es am damaligen Internat des Kollegiums Karl Borromäus in Altdorf zu mehreren Missbrauchsvorfällen.
So berichtet Benedikt Hänggi, wie er als 14-Jähriger gezwungen wurde, nackt die Duschen zu putzen. Dabei zwang ihn ein Pater auch, sein Glied in den Mund zu nehmen.
Ein anderer Pater, der an der Schule unterrichtete, fotografierte diverse Kinder nackt. Obwohl der Rektor und der Bildungsverantwortliche davon wussten, wurde er nicht sofort freigestellt.
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In den 1960er- und 1970er-Jahren kam es am damaligen Internat des Kollegiums Karl Borromäus in Altdorf zu mehreren Missbrauchsvorfällen.

Wikipedia/Kaelingisler2/CC BY-SA 3.0 

Darum gehts

  • In den 1960er- und 70er-Jahren kam es an einer Schule in Uri zu Missbrauchsfällen durch Benediktiner-Pater.

  • Recherchen zeigen, dass die Vorwürfe von Verantwortlichen vertuscht wurden.

  • Der damalige Rektor und Regierungsrat wussten von den Vorfällen, griffen aber nicht ein.

Es sind schreckliche Erfahrungen, von denen ehemalige Schüler eines Internats in Altdorf berichten: So schildert Benedikt Hänggi, wie ihm Pater Felix in der Privatschule des Kollegiums Karl Borromäus befahl, als damals 14-Jähriger nackt die Duschen zu putzen: «Er hat sich entblösst und masturbiert vor mir, er hat mich gezwungen, sein Glied in den Mund zu nehmen, bis er in mich eingedrungen ist», berichtet er gegenüber der SRF Rundschau.

Jahrzehntelang verdrängte er den Missbrauch, bis er sich vor einigen Jahren beim Bistum Basel meldete und eine Genugtuung von 20'000 Franken erhielt. Hänggi war kein Einzelfall: So berichten auch andere Betroffene von Übergriffen in den 1960er- und 1970er-Jahren, die auch von anderen Patern ausgingen.

Schüler «für Aufklärung» nackt fotografiert

So fotografierte Pater Notker, Leiter der Schüler-Blasmusik, mehrere Schüler nackt und begründete dies damit, dass die Fotos für den Aufklärungsunterricht benötigt würden. Dies belegen Dokumente, die SRF vorliegen. «Ich fühlte mich irgendwie sehr wehrlos. Vor allem, als er mir auch noch die Vorhaut über die Eichel schob», berichtet eines der Opfer.

Laut der Rundschau wussten die höchsten Instanzen der Schule und Gemeinde vom Missbrauch, so etwa Schulrektor Pater Hugo Willi. Einen Brief, in dem ein empörter Vater die sofortige Suspendierung von Notker forderte, beantwortete er damit, dass der Pater mit seinem Handeln einen «einmaligen Fehltritt mittlerer Schwere» begangen habe und «keine Wiederholung festgestellt» worden sei.

Unschickliches Verhalten – «aber kaum strafbar»

Auch Regierungsrat Josef Brücker wusste laut SRF zumindest über die Nacktfotos der Schüler Bescheid – und urteilte damals ebenfalls, dass die «Verfehlungen» einen sofortigen Ausschluss «nicht rechtfertigen» würden: «Das Verhalten von P. Notker muss zwar als unschicklich bezeichnet werden. Es dürfte aber kaum strafbar sein», so das Fazit des damaligen Erziehungsdirektors des Kantons Uri.

Angesichts der Vertuschungen in der Schule und der Regierung zeigen sich die heute Verantwortlichen schockiert: «Meines Erachtens hat man damals die Institutionen, den Ruf der Schule und der Kirche höher gewichtet als die Leiden der Opfer», sagt etwa der Urner Regierungsrat und Bildungsdirektor Georg Simmen.

Pater sieht Kirche als prädestinierten Täter

Pater Peter von Sury, langjähriger Vorsteher des Klosters Mariastein und Mitglied in verschiedenen Gremien zur Aufklärung von Missbrauch in der Katholischen Kirche, bittet angesichts des Falles um Entschuldigung und äussert sich selbstkritisch zur Rolle der Kirche: «Die Kirche ist prädestiniert, als Täterorganisation aufzutreten, in der Leute, die solche Verbrechen begehen, einen idealen Rahmen vorfinden oder vorgefunden haben. Sie sind geschützt worden», so das Urteil des Paters.

Er sei froh, dass seine Mutter ihn damals nicht in ein katholisches Internat geschickt habe. Nun hoffe er, dass sich die Opfer von damals melden, damit man sie bei der Aufarbeitung unterstützen könne. Der Kanton Uri hat mittlerweile ein Formular aufgeschaltet, unter dem sich betroffene Personen melden können.

Die Täter von damals können nicht mehr belangt werden: Pater Felix, der sich damals an Benedikt Hänggi verging, starb 1984. Pater Notker verstarb im letzten Jahr – nachdem er im Jahr 1976 vom Internat suspendiert worden war, unterrichtete er unbehelligt an einer Oberstufenschule im Kanton Solothurn und leitete dabei auch Schullager. Missbräuche sind aus dieser Zeit bislang nicht bekannt.

Bist du minderjährig und von sexualisierter Gewalt betroffen? Oder kennst du ein Kind, das sexualisierte Gewalt erlebt?

Hier findest du Hilfe:

Polizei nach Kanton

Kokon, Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene

Castagna, Beratungsstelle bei sexueller Gewalt im Kindes- und Jugendalter

Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Bist du selbst pädophil und möchtest nicht straffällig werden? Hilfe erhältst du bei Forio, Beforemore und bei den UPK Basel.

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