Moderna und Pfizer bereiten Kinder-Impfung vor

Publiziert

Keine erneute Zulassung nötigModerna und Pfizer bereiten Kinder-Impfung vor

Eine Kinderärztin findet, man solle die Corona-Impfung Kindern nicht vorenthalten. Die Hersteller treiben Studien voran. Doch der Nutzen ist ethisch umstritten.

Diverse Hersteller untersuchen in Studien, wie ihre Corona-Vakzine auch bei Kindern und Jugendlichen wirken.
Bei Moderna läuft schon seit Dezember eine Studie mit 3000 Minderjährigen.
Die Erkenntnisse könnten eine Kehrtwende bei der Schweizer Impfstrategie bedeuten. Diese fokussierte bisher auf die Risikogruppen.
1 / 8

Diverse Hersteller untersuchen in Studien, wie ihre Corona-Vakzine auch bei Kindern und Jugendlichen wirken.

Tamedia AG

Darum gehts

  • Eine Studie zeigt, dass das Vakzin von AstraZeneca auch die Weitergabe des Virus bremsen könnte.

  • Dies macht möglicherweise eine Kurswechsel bei der Schweizer Impf-Strategie nötig.

  • «Wenn Kinder und Familien von der Covid-Impfung profitieren können, soll sie ihnen auf gar keinen Fall vorenthalten werden», so eine Kinderärztin.

  • In Deutschland hat der Gesundheitsminister bereits die Kinder-Impfung für Sommer in Aussicht gestellt.

  • Ethisch ist die Impfung für Kinder jedoch heikel.

Der Impfstoff von AstraZeneca könne nicht nur Geimpfte vor Covid-19 schützen, sondern auch dafür sorgen, dass sie die Krankheit nicht weiterverbreiten. Dies zeigt eine neue Studie. Demnach ergaben PCR-Tests, dass die Impfung die Übertragung um rund 67 Prozent verringere.

Auch die Schweiz hat 5,3 Millionen Dosen von AstraZeneca bestellt. Die neuen Erkenntnisse könnten nun zu einem Strategiewechsel führen. Denn um die sogenannte Herdenimmunität zu erreichen, würden auch Kinder und Jugendliche als Träger des Virus in den Fokus rücken. Bisher konzentrierte sich die Impf-Aktion auf den Eigenschutz der Risikogruppen.

«Hohe Durchimpfung anstreben»

«Wenn wir sehen, dass die Impfung einen Einfluss hat auf die Verbreitung des Virus, dann müssen wir eine hohe Durchimpfung anstreben», sagt Christoph Berger, Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen zur «SonntagsZeitung». «Dann brauchen wir selbst die Kinder.»

Die Hersteller arbeiten bereits mit Hochdruck daran, ihre Impfstoffe auch für Kinder und Jugendliche zugänglich zu machen. Biontech plant eine Studie mit Kindern zwischen 0 und 15 Jahren. Auch AstraZeneca will in den kommenden Monaten sein Vakzin an 6- bis 18-Jährigen testen. Und bei Moderna läuft schon seit Dezember eine Studie mit 3000 Minderjährigen.

Tatsächlich könnte es schnell gehen, wenn die Daten einmal vorliegen. Die Arzneimittelbehörde Swissmedic verspricht einen raschen Entscheid (siehe Box).

«Eine sehr gute Nachricht»

Heidi Zinggeler, Vize-Präsidentin des Verbands Haus- und Kinderärzte Schweiz, meint zur Corona-Impfung für Kinder auf Anfrage: «Wenn Kinder und Familien von der Covid-Impfung profitieren können, soll sie ihnen auf gar keinen Fall vorenthalten werden.» Denn es sei eine sehr gute Nachricht, wenn neben dem Schutz der Geimpften auch die Zirkulation des Virus vermindert oder gar unterbunden werden könne und dadurch die Rückkehr in den gewohnten Alltag für alle ohne Einschränkungen wieder ermöglicht werde.

Die Impfung von Kindern bleibt ein hochemotionales Thema. Für Zinggeler ist klar, dass die Kinder «besonderen Schutz» benötigten – auch bei der Impfsicherheit. «Wir bieten eine Impfung an, die zwar nicht vollkommen frei von Nebenwirkungen sein kann, die aber vor schwerer Erkrankung und vorzeitigem Tod schützt. Zudem wird sie die Aufhebung der aktuell geltenden Einschränkungen – unter denen manche Kinder erwiesenermassen sehr leiden – ermöglichen.»

Ethisch vertretbar?

Dass jedoch der Nutzen einer Kinder-Impfung noch nicht abschliessend geklärt ist, zeigen Diskussionen in Deutschland. Dort hatte Gesundheitsminister Jens Spahn eine Impfung auf Sommer in Aussicht gestellt. Kinderarzt Fred Zepp sagte zur Agentur DPA: «Wir würden Kinder vor allem impfen, um Ältere zu schützen. Da müssen wir uns schon fragen, ob das abgesehen von Kindern mit besonderen Infektionsrisiken ethisch vertretbar ist.» Zepp geht davon aus, dass die Herdenimmunität auch ohne Kinder-Impfung erreicht werden kann.

Eine weitere Problematik spricht Susanne Driessen von swissethics in der «SonntagsZeitung» an: Wenn sich bestätige, dass Geimpfte weniger ansteckend seien, «steigt der Druck auf all jene, die keine Impfung machen wollen. Weil sie nicht nur sich selber schützen könnten, sondern auch ihr Umfeld.»

Und der englische Gesundheitsminister Matt Hancock schloss gar beim Start der Impfkampagne mit dem Pfizer/Biontech-Vakzin aus, dass dieses dereinst an Kinder verabreicht wird. Offenbar schätzt er den Mehrwert einer solchen Strategie als zu gering ein. «Der Impfstoff ist nicht an Kindern getestet worden. Und der Grund ist, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder signifikante Schäden haben, wenn sie sich mit Covid-19 infizieren, sehr, sehr gering ist.»

«Können innert kürzester Zeit entscheiden»

Laut Lukas Jaggi, Sprecher von Swissmedic, ist für die Impfung bei Kindern und Jugendlichen kein erneutes Zulassungsverfahren nötig. «Die Hersteller können eine sogenannte Indikationserweiterung beantragen», sagt er zu 20 Minuten. Dies sei ein Verfahren, das häufig angewendet werde. Jaggi erklärt: «Zum Schutz vulnerabler Gruppen werden neue Impfstoffe in klinischen Studien erst bei gesunden Erwachsenen mittleren Alters erprobt, weil dort mögliche Risiken geringer sind.» Erst danach teste man das Vakzin bei älteren Personen, Risikogruppen sowie bei Kindern und Jugendlichen.

Im Falle der bereits zugelassenen Impfstoffe von Moderna und Pfizer/Biontech könnten nun die Hersteller die Daten ihrer Studie für Kinder und Jugendliche nachreichen. «Wir werden solche Gesuche prioritär behandeln. Wenn die Daten stimmen, können wir innert kürzester Zeit entscheiden», sagt Jaggi.

Deine Meinung zählt

631 Kommentare
Kommentarfunktion geschlossen