Millionen veruntreut«Möchte keinen Kontakt mehr mit meinem Bruder»
Ein Treuhänder hat sein Unternehmen und die Kirchgemeinde Bad Ragaz um Millionen betrogen. Sein Zwillingsbruder leidet unter dem hinterlassenen Scherbenhaufen.

Die evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Bad Ragaz-Pfäfers wurde von ihrem Kassier um rund 800'000 Franken betrogen.
Details sind noch wenig bekannt, aber das Ausmass ist umfangreich: Christian Hummel, Partner bei der Treuhandfirma Allemann, Zinsli und Partner, soll zehn Millionen Franken bei der Firma sowie rund 800'000 Franken bei der evangelischen Kirchgemeinde Bad Ragaz veruntreut haben. Das Churer Unternehmen musste darauf Konkurs anmelden.
Sehr unangenehm ist die Situation auch für Johannes Hummel, der nicht nur Geschäftspartner von Christian Hummel war, sondern auch dessen Zwillingsbruder ist und ihm zum Verwechseln ähnlich sieht. Die Brüder wuchsen zusammen auf und absolvierten sogar Teile des Studiums gemeinsam, bis Christian mehr Zeit für seine Militärkarriere beanspruchte als Johannes. Die beruflichen Wege fanden wieder zusammen, als Johannes 2007 bei der Treuhandfirma Allemann, Zinsli und Partner zu arbeiten begann, in der schon Christian zuvor tätig war. Zuletzt war das Unternehmen in den Händen der beiden Zwillinge.
Kurz vor Weihnachten 2014 stellte Johannes Unregelmässigkeiten in der Buchführung fest. Daraufhin befragte er seinen zehn Minuten älteren Bruder zu den Ungereimtheiten. Unter Druck gab dieser Fehler zu.
Blindes Vertrauen
Für Johannes brach eine Welt zusammen. «Als Zwilling hat man ein enges Verhältnis zum Bruder und vertraut sich blind. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass mein Bruder betrügt», so Johannes Hummel. Noch heute kann er die Tragödie kaum fassen. Auch wie in kurzer Zeit eine so enorme Summe verschwinden kann ist für ihn unerklärlich. Das Motiv seines Bruders kennt er bis heute nicht. «Die Höhe der Deliktsumme und Beweggründe zur Tat werden derzeit von der Staatsanwaltschaft abgeklärt», so Johannes, der sich keinen Reim darauf machen kann, was in seinem Bruder vorgefallen war.
Laut der aktuellen Ausgabe der «Schweiz am Sonntag» stehen als Motiv die üblichen Gerüchte wie Frauen, Drogen oder Glücksspiele im Raum. Wahrscheinlich sei es aber um Börsengeschäfte gegangen, wobei Christian Hummel die Kontrolle über sein Tun verloren haben könnte. Er bestätigt, dass sein Bruder derzeit in einer Burnout-Klinik weilt. Gesprochen hat er mit Christian schon länger nicht mehr. «Ich möchte keinen Kontakt mehr mit meinem Bruder», so Johannes Hummel. «Vielleicht später einmal, aber momentan sind die Wunden zu frisch».
Johannes Hummel bemühte sich nach dem Konkurs um die Angestellten des Treuhandbüros: «Für fast alle meiner Mitarbeiter konnten Anschlusslösungen gefunden werden», so Johannes Hummel. Auch er selber hat eine Stelle in Aussicht. Dennoch ist der Schaden enorm.
Unterschrift gefälscht?
Gross ist auch das Loch in der Kasse der evangelischen Kirchgemeinde in Bad Ragaz. Rund 800'000 Franken soll Christian Hummel als Kassier veruntreut haben – mehr als die jährlichen Steuereinnahmen. Unbemerkt blieb der Griff in die Kasse, weil die Löhne der Mitarbeiter von der Kantonalkirche St. Gallen bezahlt werden, um den administrativen Aufwand der Gemeinden zu verringern. In der aktuellen «Ostschweiz am Sonntag» spricht Martin Schmid, Präsident der Kantonalkirche, vom grössten Fall von Veruntreuung in seiner 14-jährigen Tätigkeit. Bei Ausgaben gelte eigentlich das Vieraugenprinzip. «Bei kleineren Kirchgemeinden ist das Vertrauen manchmal grösser als die Kontrolle», so Schmid. Er mutmasst, dass Christian Hummel die Unterschrift des Präsidenten gefälscht haben könnte.