«Möchtegern-Rambos auf Patrouille in Gemeinden»

Aktualisiert

Private Securitys«Möchtegern-Rambos auf Patrouille in Gemeinden»

Ein Berner Gericht hält fest, dass private Sicherheitsleute keine Ausweise kontrollieren dürfen. Das müssen Sie über den Entscheid wissen.

von
J. Büchi
In vielen Gemeinden patrouillieren private Sicherheitsdienste im öffentlichen Raum.
Geht es nach dem Polizeiverband, braucht es eine schweizweite Regelung für private Sicherheitsdienste. SP-Sicherheitspolitikerin Priska Seiler Graf will in der Herbstsession ebenfalls einen entsprechenden Vorstoss einreichen. «Wir müssen dafür sorgen, dass keine Möchtegern-Rambos durch die Gemeinden patrouillieren und sich als Polizisten aufspielen.»
Hannes Germann (SVP), der Präsident des Schweizerischen Gemeindeverbands, geht hingegen davon aus, dass die Gemeinden private Sicherheitsleute schon heute mit grosser Zurückhaltung einsetzen. Eine gesamtschweizerische Regelung sei deshalb nicht nötig.
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In vielen Gemeinden patrouillieren private Sicherheitsdienste im öffentlichen Raum.

Keystone

Ein Urteil aus dem Kanton Bern hat eine schweizweite Debatte über Kontrollen durch private Sicherheitsdienste entfacht. Worum gehts?

Ein Mitarbeiter der Firma Broncos Security hatte im Juni in Aarberg BE eine Gruppe Jugendlicher kontrolliert. Der Mann, der im Auftrag der Gemeinde für «Ruhe und Ordnung» sorgen sollte, verlangte den Ausweis des ältesten Schülers zu sehen und fotografierte ihn. Das Regionalgericht Berner Jura-Seeland sprach den Sicherheitsmann zwar frei, weil er nicht in rechtswidriger Absicht gehandelt habe. Allerdings hielt die Gerichtspräsidentin fest, dass der Angeklagte seine Kompetenzen überschritten habe – nur die Polizei dürfe Ausweise kontrollieren.

Warum ist das Urteil so brisant?

In der Schweiz setzen immer mehr Gemeinden auf die Dienste privater Sicherheitsfirmen. Für den Verband Schweizerischer Polizei-Beamter ist das Urteil daher wegweisend: Es brauche eine schweizweite Regelung, fordert er. Da nicht alle Kantone einem der beiden bestehenden Konkordate beigetreten seien, erfüllten diese ihren Zweck nicht. SP-Sicherheitspolitikerin Priska Seiler Graf will in der Herbstsession einen entsprechenden Vorstoss einreichen. «Wir müssen dafür sorgen, dass keine Möchtegern-Rambos durch die Gemeinden patrouillieren und sich als Polizisten aufspielen.» Bei der Ausbildung und Zulassung von Sicherheitsfirmen seien nationale Mindeststandards unerlässlich.

Warum soll es problematisch sein, wenn private Sicherheitsleute Personen kontrollieren?

Polizeirechtsexperte Markus Mohler sagt: «Der Grundsatz ist klar: Das staatliche Gewaltmonopol liegt bei der Polizei und darf unter keinen Umständen an Private delegiert werden.» Security-Leute hätten rechtlich nicht mehr Kompetenzen als jede Frau oder jeder Mann sonst. Im Gegensatz zur Polizei sei der Aufbau und der Einsatz privater Sicherheitsdienste zudem nicht direkt durch die Gesetzgebung legitimiert und reglementiert, kritisiert Johanna Bundi Ryser, die Präsidentin des Polizeiverbands. «Wer kontrolliert ob sich die privaten Sicherheitsleute konform verhalten und was sie mit den erhobenen Daten machen?»

Wie reagieren die betroffenen Gemeinden?

Aarberg will das Pflichtenheft für die Security-Männer von Broncos überarbeiten, wie Gemeindeschreiber Beat Soltermann zu 20 Minuten sagt. Zwar sei für alle Beteiligten klar gewesen, dass die Broncos keine Ausweise kontrollieren dürfen. «Wir werden nun aber noch einmal schriftlich festhalten, dass die Herausgabe von Personalien nur auf freiwilliger Basis erfolgen und weder psychischer noch physischer Druck ausgeübt werden darf.»

In Rapperswil-Jona SG wurde das Polizeireglement 2012 so geändert, dass private Sicherheitsdienste explizit das Recht haben, Personen zu kontrollieren. «Sollte auf Bundesebene eine andere Regelung beschlossen werden, sind wir aber selbstverständlich gesprächsbereit», sagt der städtische Sicherheitsverantwortliche Roland Meier. Hannes Germann (SVP), der Präsident des Schweizerischen Gemeindeverbands, geht davon aus, dass die Gemeinden private Sicherheitsleute schon heute mit grosser Zurückhaltung einsetzen. Eine gesamtschweizerische Regelung sei deshalb nicht nötig.

Warum bieten Gemeinden überhaupt private Sicherheitsfirmen auf?

Meist stehen Probleme wie Littering, Nachtruhestörung oder Pöbeleien im Vordergrund. Weil die Polizei nicht genügend Ressourcen habe, um sich um diese Probleme zu kümmern, würden Broncos-Mitarbeiter stundenweise zu Präventionszwecken aufgeboten, so der Aarburger Gemeindeschreiber Soltermann. «Das ist natürlich auch eine Kostenfrage», räumt er ein.

Roland Meier sagt, das Zusammenspiel von Polizei, Polizeidienst der Stadt Rapperswil-Jona und privaten Sicherheitsdiensten funktioniere bis anhin einwandfrei. «Die Bürger schätzen es, dass an den Hotspots Ruhe eingekehrt ist.»

Dürften Securiy-Leute bei einer Gesetzesverschärfung auch keine Clubs oder Fussballstadien mehr kontrollieren?

Johanna Bundi Ryser vom Polizeiverband sagt: «Auf privatem Grund, etwa vor Clubs, darf der Hausherr bestimmen, ob er einen Ausweis verlangen will, um jemandem Zutritt zu gewähren.» Auf öffentlichen Plätzen hätten Private hingegen keinerlei Befugnis, Personen zu kontrollieren.

Experte Markus Mohler sagt: «Die Patrouille von privaten Sicherheitsleuten auf öffentlichem Grund ist ausschliesslich dann legal, wenn diese keine hoheitlichen Handlungen vornehmen und bei Problemen die Polizei alarmieren.» Der Verband der Schweizerischen Sicherheitsdienstleister war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

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