Rassismus-DebatteMohren auf Wappen und «Negerschnitten»
Neben dem «Mohrenkopf» im Laden gibt es in der Schweiz weitere Mohrenmotive. Zum Beispiel auf Gemeindewappen. Ist das noch zeitgemäss?
Das Komitee gegen rassistische Süssigkeiten fordert die Firma Dubler auf, ihre «Mohrenköpfe» umzubenennen. Der Name sei «eine herabwürdigende Bezeichnung für den Kopf einer dunkelhäutigen Person». Die Wortschöpfung sei ein Überbleibsel aus der Zeit der Kolonialisierung und «ganz eindeutig von Beginn weg eine rassistische Bezeichnung» gewesen.
Auch in der Schweizer Gastrobranche kommt der Begriff «Mohr» vor. So gibt es das Restaurant Mohrenkopf in Zürich (das im Besitz der Stadt Zürich ist), das Restaurant Mohren in Willisau LU oder das Restaurant Möhrli in Bischofszell TG. In Österreich gibt es das Vorarlberger Bier Mohrenbräu, in dessen Logo das Schattenbild eines stilisierten schwarzen Mannes prangt.
Motive von Mohren bebildern auch einige Wappen von Schweizer Gemeinden. Ein Überblick.
Gemeinde Oberweningen (ZH)
Niemand weiss, wieso die Gemeinde Oberweningen einen dunkelhäutigen Menschen im Wappen zeigt. Deshalb wurden in einem Wettbewerb die Schüler der Primarschule gebeten, Geschichten zur Entstehung des Wappens zu erfinden.
Für Kaspar Zbinden, Gemeindeschreiber von Oberweningen, stand der Mohr als altes Symbol der Heraldik für den weit gereisten und weltoffenen Menschen. Zudem sei er – im Gegensatz zu anderen Abbildungen – respektvoll gezeichnet. So würde er anderswo mit Knochen in den Haaren, grossen Ohrringen oder entstellten Gesichtszügen abgebildet sein. Bedenken hat er keine. «Unser Wappen bleibt so, wie es ist», sagt Zbinden.
Gemeinde Flumenthal (SO)
Das Wappen wurde erst 1940 von der Gemeindeversammlung offiziell beschlossen. Es zeigt einen schwarzen Mann, der von Kunsthistorikern als heiligen Mauritius bezeichnet wird. Mauritius, ursprünglich aus Ägypten stammend, war der Führer einer römischen Legion und fand Ende des 3. Jahrhunderts im heutigen Saint-Maurice im Wallis einen Märtyrertod. Dies, weil er angeblich nicht gegen christliche Glaubensbrüder kämpfen wollte. Die Verehrung von Mauritius als Schutzpatron hat also eine lange Geschichte.
Gemeinde Mandach (AG)
Auch auf dem Wappen der Gemeinde Mandach zeigt sich der heilige Mauritius. Dieser sei auf dem Familienwappen der Herren von Mandach abgebildet gewesen und wurde schliesslich für die ganze Gemeinde übernommen. Was irritiert: Der Name der Mandacher Dessertspezialität wurde direkt aus dem Wappen abgeleitet. So heisst das typische Mandacher Süssgebäck «Negerschnitte». Die Webseite der Gemeinde gibt an, «noch keinen passenderen Namen dafür gefunden zu haben».
Gemeinde Möriken-Wildegg (AG)
Der Kopf des dunkelhäutigen Menschen ist schon seit 1592 überliefert und stammt ursprünglich aus der volkstümlichen Deutung des Namens Möriken. Erst 2002 wurde von der Gemeinde aus drei neuen Wappenvarianten das heutige gültige Muster ausgewählt.
Gemeinde Cornol (JU)
Auch in Cornol weiss man nicht genau, wie der schwarze Mann seinen Weg aufs Wappen der Gemeinde fand. Die Gemeindeverwaltung ist aber davon überzeugt, dass er der vielen Schwarzen gedenkt, die damals den Römern dienten.
Avenches, (VD)
Hier stammt das Wappen sehr wahrscheinlich von den Mauren, die im 9. Jahrhundert aus Spanien vertrieben wurden und danach Streifzüge nach Norditalien und in die Alpen unternahmen. Das hat bei der Bevölkerung einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen – auch auf dem Wappen von Avenches.
«Darstellung wie zu Zeiten der Sklaverei»
Celeste Ugochukwu, Präsident des afrikanischen Diaspora-Rates, stösst sich an den Wappen und fordert ein Umdenken bei den Gemeinden. So seien die überzeichneten Abbildungen von Schwarzen in den Gemeindewappen nicht mehr haltbar. Diese seien genauso abgebildet, wie sie während der Zeit der Sklaverei angeschaut wurden – als drittklassige Mitglieder der Gesellschaft. Mit roten Lippen, grossen Ohrringen und überzeichneten Gesichtsmerkmalen. «Solche Bilder prägen auch heute noch, wie Schwarze wahrgenommen werden», sagt Ugochukwu. Ausserdem bedeute es, dass die Gemeinde noch immer solche Ansichten vertritt. «So etwas ist doch heute nicht mehr vertretbar.»
SP-Kantonsrat Andrew Katumba unterstützt die Wappen hingegen. «Jeder Kopf auf einem Wappen ist ein Symbol der Stärke», sagt der Halbafrikaner. Die Gemeinden zeigten damit, dass sie stolz auf ihre Helden seien. «Den wenigsten Leuten ist bewusst, dass wir Heilige verehren, die früher dunkelhäutig waren.» Auch die Stadtpatrone Felix, Regula und Exuperantius seien dunkelhäutig gewesen. «Dass sie mit der Zeit hellhäutig dargestellt wurden, ist Geschichtsverfälschung.»
«Negerschnitte» ist nicht rassistisch
Laut der Eidgenössische Kommission gegen Rassismus EKR kommt es bei Wappenfiguren mit Mohren oder Restaurants mit «Mohr» im Namen oft auf die historische Entstehungsgeschichte an. Es gebe Mohren auch mit Bezug auf die Heiligen Drei Könige oder das Mittelalter. In diesem historischen Kontext sei die Verwendung neutral oder positiv, zitiert die «Aargauer Zeitung» die EKR.
Die Bezeichnung «Negerschnitte» stellt laut der EKR keinen Verstoss gegen die Rassismusstrafnorm dar. Diese liegt nur dann vor, wenn einer Person oder einer Gruppe von Personen die Menschenwürde abgesprochen wird.