MykoplasmenInfektiologe: «Notfallstationen gehen auf schwierige Zeiten zu»
In China wird ein sprunghafter Anstieg an Lungenentzündungen beobachtet. Auch in der Schweiz ist die Zahl angestiegen. Wie bedrohlich ist die Lage? Das Wichtigste im Überblick.
Darum gehts
In China steigen die Fälle von Lungenentzündungen bei Kindern momentan stark an.
Nun zeigt eine neue Studie, dass die Anzahl Infektionen auch in der Schweiz wieder zunimmt.
Die Situation sei bisher unkritisch, sagen die Kinderspitäler.
Infektiologe Andreas Widmer ist weniger optimistisch. «Die Notfallstationen gehen wieder auf schwierige Zeiten zu», sagt er.
Eine Situation wie zu Corona-Zeiten ist allerdings nicht zu erwarten.
Die sogenannten Mykoplasmen sind zurück. Der Krankheitserreger, der Lungenentzündungen verursacht, war seit der Pandemie aufgrund der Hygienemassnahmen verschwunden. Nun zeigt eine neue Studie, dass die Anzahl Infektionen in der Schweiz wieder zunimmt und bereits das Vor-Pandemie-Niveau erreicht und teilweise überschritten hat.
Warst du in den letzten drei Monaten krank?
Gleichzeitig wird in China ein sprunghafter Anstieg der Lungenentzündungen bei Kindern beobachtet. Im Internet kursieren Videos von überfüllten Spitälern, die WHO hat genauere Informationen zu den Infektionen von China angefordert. Das musst du jetzt wissen.
Wie sieht die Situation in den Schweizer Spitälern aus?
«Die Notfallstationen gehen wieder auf schwierige Zeiten zu», warnt Infektiologe Andreas Widmer. Die Immunität gegenüber herkömmlichen Krankheitserregern habe abgenommen, hinzu kämen im Vergleich zu vor der Pandemie die Corona-Fälle.
Von Seiten der Kinderspitäler klingt die Situation weniger dramatisch. «Im Moment haben wir kein Problem mit den Lungenentzündungen im Kinderspital Zürich», sagt Patrick M. Meyer Sauteur, Facharzt für Infektiologie am Universitäts-Kinderspital Zürich. Zwar habe man in den letzten Monaten eine deutliche Zunahme von Lungenentzündungen, vor allem durch Mykoplasmen-Infektionen. Diese konnten jedoch bisher sehr gut behandelt werden. «Wir hatten kaum schwere Fälle.»
Am Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB) sieht es ähnlich aus: «Die Station ist gut ausgelastet, es hat aber noch Reserven», sagt Julia Bielicki, Leitende Ärztin Infektiologie am Universitäts-Kinderspital beider Basel. Für den Monat November sei diese Auslastung aber typisch. Engpässe in Kinder-Spitälern seien bisher keine zu sehen.
Was ist in China los und droht das, zu uns zu kommen?
In einer Pressekonferenz am 13. November führten die chinesischen Behörden die Zunahme der Atemwegserkrankungen auf die Aufhebung der Corona-Massnahmen und die Verbreitung bekannter Krankheitserreger zurück. Was der Auslöser für die Häufung an Lungenentzündungen bei Kindern in Nordchina ist, ist noch unklar.
Gemäss Infektiologe Andreas Widmer wäre die Rückkehr der Mykoplasmen eine plausible Erklärung. «Von Mykoplasmen sind in der Regel junge Leute betroffen», sagt er. Gegen das Bakterium könne man eine relativ gute Immunität aufbauen. «Gerade Kinder konnten diese Antikörper durch die strikten Hygienemassnahmen in den letzten drei Jahren aber nicht entwickeln.»
Ärztin Bielicki merkt an, dass in China gemäss der WHO strengere Kriterien gelten: Bereits bei leichteren Symptomen werde dort von einer Lungenentzündung gesprochen. Und Meyer Sauteur führt aus: «Wir beobachten die Lage in der Schweiz und international. Es gibt keinen Grund zur Panik».
Wieso kehren die Mykoplasmen jetzt zurück?
«Während der Pandemie ging die Zahl der Infektionen mit üblichen Krankheitserregern wie Influenzaviren, RSV oder Mykoplasmen aufgrund der Hygiene- und Schutzmassnahmen stark zurück», so Widmer. Seit der Aufhebung sei diese wieder gestiegen, nur die Mykoplasmen seien lange nicht zurückgekehrt. Dass dies erst jetzt der Fall ist, dürfte am Übertragungsweg liegen. «Influenza und RSV werden hauptsächlich per Tröpfcheninfektion übertragen, das Maskentragen verhinderte dies. Mykoplasmen hingegen werden per Schmierinfektion übertragen. Entscheidend ist also die Handhygiene.» Diese hätten viele auch nach Aufhebung der Massnahmen beibehalten, sie habe erst in der letzten Zeit wieder nachgelassen.
Wie gefährlich sind Mykoplasmen?
«Mykoplasmen sind sehr hartnäckig», sagt der Infektiologe. Sie seien schwierig von Oberflächen wegzubringen und führten zu langanhaltenden Erkrankungen der Atemwege. «Dies ist für die Betroffenen zwar ärgerlich, die Bakterien sind im Gegensatz zu Covid-Viren jedoch nicht lebensgefährlich.» Eine Infektion lasse sich antibiotisch behandeln, die Heilung dauere allerdings lange.
Droht eine Situation wie zu Coronazeiten?
Gemäss Widmer werden die Spitäler diesen Winter zwar durch die Masse der Fälle stark belastet werden. Übertragungen innerhalb der Spitäler würden aber keine Probleme mehr bereiten. «Da hat man jetzt genug Übung», sagt er. Zudem müsse man nicht mit hohen Todeszahlen rechnen.
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