Nach Attentat von SolingenDas Asylsystem «von vorn bis hinten neu aufstellen»?
Vor den Wahlen in Ostdeutschland hat das Attentat von Solingen die Debatte um schärfere Waffenrechtsregelungen und Migration entfacht. Profitieren dürften die politischen Ränder.
Darum gehts
Nach dem Attentat an einem Stadtfest besuchte Olaf Scholz Solingen.
Der Bundeskanzler kündigte schärfere Waffenrechtsregelungen an.
Das sei Symbolpolitik und löse das eigentliche Problem des Asylsystems nicht, so die Kritik.
Dieses müsse man «von vorn bis hinten neu aufstellen», so Politologe Peter Neumann.
Beobachter gehen davon aus, dass das Attentat sich auf die anstehenden Wahlen in Ostdeutschland auswirken wird: Parteien am politischen Rand werden gestärkt, die Ampel geschwächt.
Olaf Scholz hat am Montagvormittag Solingen besucht. Am Solinger Neumarkt hat der 22-jährige Syrer Issa H. am Samstag drei Menschen mit einem Messer getötet und acht Personen verletzt – ausgerechnet auf einem «Festival der Vielfalt» im Rahmen des 650-jährigen Stadtjubiläums.
Der Bundeskanzler verlangte eine harte Bestrafung des Täters und kündigte Konsequenzen an. Etwa eine rasche Verschärfung des Waffenrechts, insbesondere für Messer – aber auch für «viele andere Dinge drum herum, die geregelt werden müssen», so der Kanzler. «Das soll und das wird jetzt auch ganz schnell passieren.» Seine Ampel-Regierung werde zudem alles dafür tun, dass Abschiebungen funktionieren.
«Emotional geleiteter, vorschneller Aktionismus»
Die Reaktionen waren durchmischt: «Symbolpolitik wie Messerverbotszonen sind Symptombekämpfung und bringen uns in der Sache nicht weiter», hiess es von der FDP. Die Debatte um schärfere Bestimmungen zum Tragen von Messern sei «emotional geleiteter, vorschneller Aktionismus». Und AfD-Chefin Alice Weidel meinte: Nötig seien keine Messerverbote, sondern eine «Migrationswende».
Dem stimmt der Politologe Peter Neumann vom Londoner King’s College im Podcast «Ronzheimer» grundsätzlich zu: Selbst ein – kaum durchsetzbares – Messerverbot würde terroristische Einzeltäter nicht aufhalten und die Debatte um Verschärfungen des Waffenrechts sei «eine Art Ersatzdebatte, die versucht, Handlungsfähigkeit zu simulieren, wo eigentlich die Politik relativ ohnmächtig ist».
«Asylsystem von vorn bis hinten neu aufstellen»
Der Knackpunkt ist das Asylsystem – und dieses «funktioniert weder für diejenigen, die Schutz suchen, noch für die Gesellschaft, die Schutz bietet», so Neumann. Die demokratische Mitte müsse sich eingestehen und es «von vorn bis hinten neu aufstellen». Lösungen dafür gebe es.
Bislang blieben viele Forderungen der Ampel-Parteien SPD und FDP weitgehend bei Ankündigungen. Zwar stiegen die Abschiebungen um 30 Prozent, jedoch auf einem niedrigen Niveau und die Mehrheit der Rückführungen scheitert weiterhin.
«Wahrnehmung des überforderten Staates»
So kurz vor den Wahlen in Ostdeutschland gehen die meisten Beobachter davon aus, dass das Attentat der Ampel schaden wird und die politischen Ränder mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht BSW und der «Alternative für Deutschland» (AfD) profitieren werden.
Eine Reportage aus der AfD-Hochburg Sachsen.
20 MinutenDer Anschlag verstärke eine Wahrnehmung, wie sie gerade von der AfD und der BSW verbreitet wird – «nämlich, dass der Staat komplett überfordert sei und viel zu wenig Handhabe habe», so Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing.
Entsprechend könne das Attentat von Solingen gerade der ohnehin starken AfD im Osten «noch mal ein bisschen Mobilisierung bringen» – etwa aus dem Lager der bislang unentschiedenen Wähler.
32 und 30 Prozent für die AfD
Allerdings sei in Ostdeutschland die aktuelle politische Lage davon geprägt, «dass ohnehin diejenigen, die Sorgen haben vor mehr Zuwanderung, vor der Überforderung der Bundesrepublik also, sich schon alle gesammelt haben bei der AfD und zum Teil auch bei Bündnis Sarah Wagenknecht», so die Politologin zur Nachrichtenagentur AFP.
Sowohl in Thüringen als auch in Sachsen stehen diese Woche Landtagswahlen an. Umfragen zufolge könnte die rechtspopulistische Partei in beiden Bundesländern stärkste Kraft werden. In Sachsen kommt die AfD demnach auf 32 Prozent, in Thüringen lag sie bei 30 Prozent.
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