Nach Hells-Angels-Vorfall«Zweifelsohne existiert organisierte Kriminalität in der Schweiz»
Nach dem Bluff eines 27-Jährigen reagierten die Berner Hells Angels mit Gewalt. Der Gewaltexperte Dirk Baier spricht über die Hintergründe.
Darum gehts
Ein 27-Jähriger gab sich als Mitglied der Hells Angels aus, um einen Schuldner einzuschüchtern.
Die echten Hells Angels bestellten ihn daraufhin in ihr Clublokal in Bern und verprügelten ihn.
Laut Kriminologe Dirk Baier existiert organisierte Kriminalität in der Schweiz, ihr Ausmass ist aber schwer abzuschätzen.
Solche Taten schaden beiden Seiten, da sie Opfer schaffen und Konflikte verschärfen, so der Experte.
Ein 27-Jähriger gab sich als Mitglied des Motorradclubs Hells Angels aus, um seinen Schuldner einzuschüchtern. Als die tatsächlichen Mitglieder davon erfuhren, wurde der Mann kurzerhand in ihr Berner Clublokal bestellt und verprügelt. Der Gewaltexperte und Kriminologe Dirk Baier ordnet die Situation ein.
Nicht automatisch organisierte Kriminalität
Grundsätzlich handle es sich um organisierte Kriminalität, «wenn eine Gruppe von mehreren Personen sich zusammenschliesst, mit dem hauptsächlichen Ziel, gemeinsam Straftaten zu begehen», erklärt Baier.
Zumindest in der Schweiz könne man die Hells Angels jedoch nicht automatisch der organisierten Kriminalität zuordnen, «weil der Hauptzweck der Organisation hier nicht das Begehen von Straftaten ist – beziehungsweise müsste der Beweis hierfür noch geliefert werden».
Stärkere Aufmerksamkeit sei angebracht
Auf die Frage, ob die organisierte Kriminalität in der Schweiz ein Problem darstellt, antwortet Baier mit einer Gegenfrage: «Die Frage ist, wann ein Problem ein Problem ist? Erst dann, wenn es Tote gibt?» Oder sei das bereits dann der Fall, wenn grosse finanzielle Schäden beispielsweise durch Steuerbetrug entstünden – was auch ein wichtiges Feld der organisierten Kriminalität sei.
«Ich denke, dass organisierte Kriminalität in der Schweiz zweifelsohne existiert.»
«Ich denke, dass organisierte Kriminalität in der Schweiz zweifelsohne existiert – das Ausmass lässt sich aber nur schwer abschätzen», so Baier. «In jedem Fall wäre eine stärkere Aufmerksamkeit für diese Form der Kriminalität angebracht», sagt der Experte.
Findest du, dass die Polizei in der Schweiz genug gegen organisierte Kriminalität unternimmt?
Mann habe die Folgen «ganz sicher» unterschätzt
Der 27-Jährige, der sich als Mitglied der Hells Angels ausgab, dürfte laut Baier bereits mehrfach so gehandelt haben: «Ich denke, er wird sich nicht von heute auf morgen dazu entschlossen haben, das zu tun. Er hat gemerkt, dass diese Masche funktioniert – und jedes Erfolgserlebnis hat dann dazu geführt, dass er es wieder versucht hat.»
Die Folgen habe der Mann jedoch «ganz sicher» unterschätzt. «In der Schweiz treten die Hells Angels nur wenig mit massiver Gewalt in Erscheinung. Dies hat vielleicht dazu geführt, dass er der Meinung war, dass ihm nichts passieren wird», erklärt Baier.

Die Hells Angels sorgten in Bern bereits mehrmals für Schlagzeilen, darunter auch bei einer Auseinandersetzung zwischen mehreren Motorradgruppen im Jahre 2019.
Jürg SporiUnd von Seiten der Hells Angels? «Rockergruppierungen mögen es nicht, wenn sie zu viel Aufmerksamkeit erhalten; sie wollen unter dem Radar der Polizei sein», sagt er. Der Mann habe hier eine Gefahr dargestellt: Er hat ein schlechtes Licht auf die Hells Angels geworfen. «Zudem musste ein abschreckendes Beispiel geschaffen werden: Es soll sich niemand, der nicht Mitglied ist, trauen, im Namen der Gruppe zu agieren», so der Experte.
Baier führt weiter aus, weshalb die Hells Angels so gewalttätig reagiert haben könnten: «Grundsätzlich ist Männlichkeit, Stärke und so weiter ein Attribut von Rockern. Im Sinne dieser Selbstdefinition klären Rocker in der Regel nicht durch Gespräche, sondern mit der Faust.» So werde eben auf Verstösse oder Ähnliches mit Gewalt reagiert.
Keine Gewinner in dieser Situation
Abschliessend erklärt der Experte, weshalb die Aktion auf beiden Seiten keine kluge Idee war: «Die einfache Antwort: weil am Ende immer Staat und Polizei gewinnen. Wer Straftaten begeht, wird dafür zur Rechenschaft gezogen.» Und weiter: «Weil so oder so immer Opfer entstehen, und dies einerseits Leid auslöst, andererseits aber Rachegelüste und darüber dann Konfliktdynamiken, die auch in noch schwereren Taten enden können.»
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