Keine Pflicht mehr ab Ende Mai? - Nach Homeoffice-Ende droht noch mehr Warterei im Stau

Publiziert

Keine Pflicht mehr ab Ende Mai?Nach Homeoffice-Ende droht noch mehr Warterei im Stau

Ende Mai könnte das Homeoffice fallen. Schon jetzt hat der Strassenverkehr Vorkrisenniveau erreicht. Experten rechnen mit zunehmenden Staus.

Beim Lockdown im März 2020 waren die Strassen leer – der Effekt der Homeoffice-Regel war dagegen geringer.
Aktuell bewegt sich der motorisierte Verkehr schon wieder auf dem Niveau vor der Krise.
Es könnte sich dennoch eine Trendwende abzeichnen: Die zurückgelegte Streckenlänge für die Arbeit nimmt wieder etwas zu.
1 / 7

Beim Lockdown im März 2020 waren die Strassen leer – der Effekt der Homeoffice-Regel war dagegen geringer.

Tamedia AG

Darum gehts

  • Die Mobilität der Bevölkerung nimmt wieder zu.

  • Auf den Strassen herrscht bereits wieder Betrieb wie vor der Krise.

  • Wird dereinst die Homeoffice-Pflicht aufgehoben, drohen Staus.

  • Der Bund rät, Spitzenzeiten zu meiden.

  • Beim Bahnverkehr rechnet die SBB erst 2024 mit einer Normalisierung.

Seit dem 18. Januar gilt die Homeoffice-Pflicht. Der Eingriff des Bundesrats zeigte Wirkung – wobei die Mobilität nicht so stark zurückging wie im ersten Lockdown. Trotzdem gaben bei einer Comparis-Umfrage 37 Prozent an, im Homeoffice zu arbeiten, 16 Prozent mehr als vor der Pflicht.

Mit den Lockerungen, die der Bundesrat Mitte April beschlossen hat, steigt die Mobilität der Bevölkerung wieder. Offene Terrassen, Läden oder das Fitness-Center locken. Dies schlägt sich auch in den Daten der Mobilitätsstudie MOBIS-Covid19 nieder, einer Zusammenarbeit zwischen der ETH Zürich und der Uni Basel. Die durchschnittlich zurückgelegte Tagesdistanz ist bereits wieder auf dem Stand von Anfang März 2020.

Bahn wird noch gemieden

ETH-Forscher Joe Molloy erklärt, dass derzeit viele Pendler immer noch den öffentlichen Verkehr mieden, während sich der motorisierte Verkehr – besonders für Freizeitzwecke – wieder auf Vorkrisenniveau eingependelt habe.

Offenbar zeigt die Homeoffice-Empfehlung weiterhin Wirkung: Der Anteil der Pendler liegt konstant auf dem Niveau vom letzten Sommer. Trotzdem könnte sich eine Trendwende abzeichnen: Die zurückgelegte Streckenlänge für die Arbeit nimmt wieder etwas zu. Auch geben Befragte im Homeoffice an, wieder mehr Fahrten pro Tag zu unternehmen. Daten der SBB zeigen, dass sich im Regionalverkehr die Auslastung aktuell bei 70 Prozent zu 2019 bewegt, Trend leicht steigend.

In ihrer Schlussfolgerung werfen die ETH-Forscher deshalb die Frage auf, was passiert, wenn dereinst die Homeoffice-Pflicht aufgehoben wird. Gesundheitsminister Alain Berset hatte dies auf Ende Mai in Aussicht gestellt.

Vermehrte Staus erwartet

Die Befürchtung bei diesem Schritt: Beim Wegfallen der Pflicht droht Automobilisten zunehmende Warterei im Stau. Dies darum, weil die Strassen bereits ohne die Auto-Pendler, die noch im Homeoffice sitzen, bereits sehr gut ausgelastet sind. Und weil bisherige ÖV-Pendler auch weiterhin die Bahn meiden und auf die Strasse ausweichen könnten. «Bedingungen, die zu vermehrten Staus führen könnten», so die Mobilitätsforscher. Sie wollen nun weitere Daten zum zukünftigen Mobilitätsverhalten erheben.

Diese Prognose bestätigt Beat Fischer, Mobilitätsforscher bei Intervista: «Nach der Öffnung werden mit höchster Wahrscheinlichkeit mehr Personen pendeln. Das wird zu mehr Arbeitsmobilität führen und so mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zu mehr Staus.»

Astra: Sogar schon wieder mehr Verkehr als 2019

Das Bundesamt für Strassen Astra stellt fest, dass «der durchschnittliche Tagesverkehr mit der Einführung der Homeoffice-Pflicht im Januar 2021 weniger stark zurückgegangen ist als in der ersten Welle im Frühling 2020». Dies zeigten Messungen mit Vergleichen zur Verkehrsentwicklung 2019. «Inzwischen haben wir an einigen Messstellen bereits wieder den Verkehr von 2019 erreicht oder an einigen Tagen sogar mehr Verkehr festgestellt», so Sprecher Benno Schmid zu 20 Minuten.

Wie sich die Verkehrszahlen mit dem Ende der Homeoffice-Pflicht entwickeln werden, könne man zwar nicht voraussagen. Bei dieser Prognose spielt auch hinein, wie viele Unternehmen nach der Pandemie weiter auf Homeoffice setzen.

Unabhängig davon rät das Astra den Pendlern, «wenn möglich Fahrten in den Spitzenzeiten zu vermeiden, um die Verkehrsspitzen zu brechen, da das Nationalstrassennetz stellenweise an seine Kapazitätsgrenzen stösst».

SBB rechnet erst 2024 mit einer Normalisierung

Um Staus zu vermeiden, müsste zum Beispiel die SBB die Pendler nach einer Aufhebung der Homeoffice-Pflicht wieder auf ihre Strecken zurückholen. Was tut die Bahn dafür? «Die Pandemie gibt sicherlich neue Impulse. Diese beobachten wir zusammen mit der gesamten ÖV-Branche genau», sagt Sprecher Martin Meier. Grundsätzlich sei die Bahn «die bequemste und sicherste Art, zu reisen» – und klimafreundlich. Die SBB rechnet damit, dass sich erst 2024 die Reisendenzahlen wieder auf dem Vor-Corona-Niveau bewegen.

Arbeitsbeginn verschieben

Wie weiter mit dem Homeoffice nach Corona? Der TCS betont, es brauche Strasse und Schiene, um das Verkehrsaufkommen zu bewältigen. «Nun müssen wir die getesteten Möglichkeiten des Homeoffice in Zukunft so sinnvoll wie möglich einsetzen», sagt Zentralpräsident Peter Goetschi. Dies könne eine teilweise Weiterführung des Homeoffice beinhalten, aber auch einen vermehrt gestaffelten Arbeits- oder Schulbeginn. «Dies wird sowohl auf den Verkehr auf der Strasse als auch die Belegung im ÖV eine positive Auswirkung haben.»

My 20 Minuten

Als Mitglied wirst du Teil der 20-Minuten-Community und profitierst täglich von tollen Benefits und exklusiven Wettbewerben!

Hast du oder hat jemand, den du kennst, Mühe mit der Coronazeit?

Hier findest du Hilfe:

BAG-Infoline Coronavirus, Tel. 058 463 00 00

BAG-Infoline Covid-19-Impfung, Tel. 058 377 88 92

Dureschnufe.ch, Plattform für psychische Gesundheit rund um Corona

Safezone.ch, anonyme Onlineberatung bei Suchtfragen

Branchenhilfe.ch, Ratgeber für betroffene Wirtschaftszweige

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

Deine Meinung zählt

446 Kommentare
Kommentarfunktion geschlossen