Hohe MargenNachhaltigkeit ist zu teuer, Händler sind schuld
Öko-Produkte kosten viel mehr als herkömmliche. Grund dafür sind die hohen Margen der Händler, heisst es in einer Studie. Migros und Coop protestieren.
Darum gehts
- Der Öko-Aufpreis beträgt im Schnitt 85 Prozent.
- Schuld sollen nicht die Produktionskosten, sondern die Margen der Händler sein.
- Ein neues Margensystem könnte das Problem lösen.
- Migros und Coop weisen die Vorwürfe von sich.
Wer nachhaltig einkauft, zahlt drauf. Und zwar im Schnitt 85 Prozent, wie eine neue Studie des Beratungsunternehmens Kearney zeigt. Bei Kosmetik- und Gesundheitsartikeln zahlen Konsumenten teils gar das Dreifache für umweltfreundliche Alternativen. Ein grosser Warenkorb voller Nahrungsmittel kostet in der Schweiz 133 Franken – handelt es sich ausschliesslich um Bio-Artikel, schnellt der Preis laut dem Bundesamt für Landwirtschaft um 51 Prozent auf 201 Franken hoch.
Der Grund dafür sind aber nicht die höheren Produktionskosten bei Öko-Produkten, heisst es in der Studie von Kearney: «Die zusätzlichen Kosten für nachhaltige Herstellung belaufen sich meist auf um die 10 Prozent des Verkaufspreises», schreiben die Autoren. Das beinhaltet Kosten für Zertifikate. Es seien die Markeninhaber und Händler, die mit ihren Margen für den Preisanstieg sorgten.
Typischerweise würden die höheren Produktionskosten nicht einfach direkt in den Verkaufspreis einberechnet. Wenn die Herstellung 50 Prozent mehr kostet als normalerweise, kostet das Produkt ebenfalls 50 Prozent mehr. Da die Produktion aber nur einen kleinen Teil des Konsumentenpreises (10 bis 30 Prozent) ausmacht, steigt der Preis im Laden auf diese Weise stark an:

Der Preis steigt stark, wenn die erhöhten Produktionskosten nicht direkt in den Verkaufspreis einberechnet werden.
KearneyKonsumenten seien zwar bereit, für Nachhaltigkeit mehr zu bezahlen – die extremen Preisunterschiede schreckten aber selbst Personen ab, die gern umweltbewusst einkaufen würden. Ein Aufschlag von 50 Prozent überschreite die Schmerzgrenze für eine Mehrheit der Konsumenten bei Weitem. Der akzeptierte Aufpreis liege bei um die 10 Prozent.
Darum schlagen die Autoren vor, dass Händler auf eine fixe Marge setzen und die Mehrkosten bei der nachhaltigen Produktion direkt an die Konsumenten weitergeben. So würde der Aufpreis oft bei 10 Prozent liegen.
Langsame Etablierung von Öko-Produkten
Die hohen Margen der Händler sind also mit schuld daran, dass Konsumenten nicht ökologisch bewusster einkaufen. Das sieht auch Nicolai Diamant, Projektleiter bei der auf Umweltthemen spezialisierten Agentur Ecos, so: «Dass nachhaltig produzierte Produkte oft mit hohen Margen verkauft werden, führt dazu, dass die Marktdurchdringung solcher Produkte nur langsam vorangeht.»
Die hohen Preise würden die oftmals falsche Wahrnehmung fördern, dass die Herstellung von nachhaltigen Produkten viel teurer sei, so Diamant. Zum einen liege es darum an den Händlern, ihre Margenpolitik zu überdenken. Für die Förderung von Öko-Produkten sei es aber auch wichtig, dass die Konsumenten selbst vermehrt solche Produkte nachfragten.
Händler weisen Schuld von sich
Die Schweizer Detailhändler sehen sich hingegen nicht in der Schuld. So heisst es etwa bei der Migros: «Die Migros erzielt mit Labelprodukten keine höheren Margen.» Ob die Migros ihre Margen anhand der Herstellungskosten oder des Verkaufspreises berechnet, will das Unternehmen allerdings nicht beantworten. Man fördere aber gezielt den Verkauf von Produkten mit Nachhaltigkeitslabels und gebe Einsparungen an Kunden weiter.
Steigende Verkaufszahlen
Das sind die beliebtesten Schweizer Bio-Produkte
Das Bio-Produkt mit dem höchsten Absatz in der Schweiz ist die pasteurisierte Milch. 2019 wurden im Schweizer Detailhandel über 34 Millionen Liter verkauft. Die Banane ist die unbestrittene Königin der Bio-Früchte: 19’489 Tonnen wurden im vergangenen Jahr verkauft. Beim Bio-Gemüse sind Rüebli der Renner. Besonders hoch ist der Anteil am Bio-Umsatz bei den Eiern: Fast ein Drittel der verkauften Eier haben ein Bio-Label. Die Analyse des Bundesamts für Landwirtschaft zeigt zudem, dass die Ab- und Umsätze von Bio-Produkten im vergangenen Jahr weiter gewachsen sind. Auch die Bio-Ackerflächen nehmen deutlich zu.
Auch bei Coop heisst es, die Margen seien bei nachhaltigen Produkten nicht höher und man setze sich für faire Preise ein. Der Detailhändler wehrt sich auch gegen den Vorwurf, dass die Händler mit ihrer Preisgestaltung dem Öko-Bewusstsein im Weg stehen: «Das Gegenteil ist der Fall. Coop hat bereits vor über 30 Jahren wichtige Pionierarbeit geleistet um nachhaltige Produkte zu bezahlbaren Preisen einem breiten Publikum zugänglich zu machen.»
Der Basler Detailhandelskonzern gibt zu bedenken, dass nicht nur Herstellung und Zertifizierung Mehrkosten verursachen. Auch die Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit müsse finanziert werden – dazu kämen die Vermarktungsmassnahmen und Aktionen zur Förderung der Label-Produkte.