Naima und die «Zwangsheirat»

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VerwirrspielNaima und die «Zwangsheirat»

Die Geschichte von der Zwangsheirat einer 14-Jährigen aus Egerkingen hat hohe Wellen geworfen. Seit gestern ist klar: Sie stimmt nicht. Das Mädchen mit indischen Wurzeln ist wohlbehalten und ledig zurück aus den Ferien in Indien. Fragen aber bleiben.

Die Geschichte verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Eine 14-jährige Schülerin aus Egerkingen SO soll in Indien zwangsverheiratet werden. Doch kaum war die Meldung publik, war die Familie bereits in die Ferien nach Indien abgereist. Die halbe Schweiz machte sich Sorgen, ob das Mädchen je wieder zurückkehrt - und ob es tatsächlich zwangsverheiratet wird.

Seit gestern nun ist klar: Dem Mädchen geht es bestens. Die Familie aber zeigt sich schockiert ob der Vorwürfe. «Unsere Tochter ist sicher nicht verheiratet worden», meldet sich die aus Österreich stammende Mutter im «Blick» zu Wort. «Wir sind beleidigt, dass man so etwas von uns denkt. Wir sind gescheite Leute und wollen, dass unsere Tochter die bestmögliche Ausbildung erhält.»

Die Familie wusste nichts von Naimas Berühmtheit

Die fünfköpfige Familie wurde offenbar erst am Sonntag kurz vor Mitternacht über die Vorgänge in der Schweiz ins Bild gesetzt, als sie vom Schuldirektor vor der Wohnungstür erwartet wurde. «Er wollte wissen, ob unsere Tochter verheiratet sei», so die Mutter weiter.

Offen bleibt, wie es zu dem Missverständnis kommen konnte. Laut verschiedenen Medien hat das Mädchen gegenüber seiner Lehrerin angedeutet, der indischstämmige Vater drohe mit einer Zwangsheirat in Indien, falls seine Noten nicht besser würden. «Der Vater hat dem Mädchen offenbar gesagt, falls es die Probezeit in der Bezirksschule nicht bestehe und in die Sekundarklasse zurückversetzt werde, müsse es in Indien heiraten», sagt Schuldirektor Hanspeter Aebischer.

Naima befürchtete offenbar, in den Frühlingsferien zwangsverheiratet zu werden. Ihre Klassenlehrerin setzte darauf Aebischer ins Bild. Der Schuldirektor der Kreisschule Gäu informierte umgehend das Migrationsamt - doch die Familie verabschiedete sich einen Tag später, am 3. April, in die Ferien.

Zwangsverheiratung als exotische Bestrafung

Die Familie indes hat eine andere Version: Ein Junge aus der Parallelklasse habe das Ganze ins Rollen gebracht. Er habe im Internet über Zwangsehen in Indien gelesen und dann die Idee verbreitet, ihrer Tochter drohe ein solches Schicksal. Schuldirektor Aebischer wiederum widerspricht: «Das Mädchen erzählte bereits in den Skiferien Ende Januar seiner Klassenlehrerin, es fürchte sich vor einer Zwangsheirat.» Der Hilferuf, der auch nur ein Gerücht sein könnte, hat die Schule also schon früh erreicht.

Einige Wochen später stattete der Egerkinger Dorfpfarrer der Familie laut «Sonntag» einen Besuch ab. Er habe ihr gesagt, eine Zwangsehe sei gegen den christlichen Glauben. Die Mutter habe «gezögert und dann die Absicht einer Zwangsheirat abgestritten». Gehandelt hat die Schule aber erst, nachdem eine allfällige Zwangsheirat vor den Frühlingsferien in der Schule wieder zum Thema wurde.

Die Geschichte hat ein Nachspiel

Die Frage, wer hier die Wahrheit sagt, bleibt wohl für immer unbeantwortet. Die Vormundschaftsbehörde will die Eltern zum klärenden Gespräch bitten: «Wir werden die ganze Familie durchleuchten», sagte gestern Oberamtmann Stephan Berger.

Die Familie wiederum will laut einem Bekannten die Lehrer durchleuchten: «Wir werden das Gespräch mit der Klassenlehrerin suchen.» Und der Egerkinger Gemeindepräsident Kurt Rütti, der nach Bekanntwerden der vermeintlichen Zwangsheirat entrüstet sagte: «Wir sind schockiert!», sucht jetzt Sündenböcke: «Uns kann man keine Vorwürfe machen. Wenn, dann den Medien, die das alles aufgebauscht haben.»

*Name geändert

(meg)

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