
Nenad, ist das Leben eines Spitzenkochs wirklich so glamourös?
Der Hashtag #Chefslife hat auf Insta über 2 Millionen Posts und zeigt ein ziemlich poshes Leben von Starköchen. Nenad Mlinarevic, einer der besten Schweizer Chefs, erklärt, wie die Realität wirklich aussieht.
Nenad, ist dir bewusst, dass man beim Blick in dein Insta das Gefühl bekommen könnte, der Kochberuf sei glamourös, super cool und easy, und dass Köche ein Luxusleben führen?
Ja, das ist mir schon klar. Scrollt man durch die Accounts von Starköchen und sieht, wie sie in schönster Kulisse für Luxusmarken kochen, könnte man schon den Eindruck bekommen, dass das Leben eines Kochs vor lauter Glamour nur so glitzert. Die Realität sieht leider anders aus, auch wenn man gerne nur die schönsten Seiten zeigt.
Wie sieht die Realität aus?
Koch ist keine einfache Ausbildung, man arbeitet sehr viel, verdient dabei wenig und muss auf vieles, vor allem auf ein geregeltes Privat- und Sozialleben, verzichten. Der Weg zum erfolgreichen Küchenchef ist lang und es gibt keine Garantie, dass man den Hashtag #Chefslife je verwenden kann. Nur ein kleiner Prozentsatz aller Köche schafft den Sprung in die Topliga.
Als mein Bruder heiratete, habe ich mich nicht getraut frei zu nehmen.
Wieso haben so wenige Köche Erfolg?
Ich beobachte schon, dass Kochlehrlinge heute weniger bereit sind, auf Privatleben und Hobbys zu verzichten und sich nicht bewusst sind, dass es ausserordentlichen Einsatz braucht, damit man weit kommt. Ich war während meiner Lehre im Dolder Waldhaus in Zürich einfach froh, dass ich überhaupt eine Lehrstelle hatte – daneben hatte nicht viel anderes Platz.
Kannst du mir ein Beispiel nennen?
Als mein Bruder heiratete, habe ich mich nicht getraut, meinen Chef zu fragen, ob ich dafür frei bekommen kann – ich habe damals alles dem Job untergeordnet. Viele, die mit mir gelernt haben, gaben den Beruf später aus diesen Gründen auf. Koch sein muss man wollen, sonst geht es nicht.
Als Nebenjob zur Arbeit im 2-Sterne-Restaurant habe ich im McDonnald’s Burger gebraten – kein Witz!
Der Lohn schreckt auch viele ab, oder?
Köche sind, wenn man man weiss, wie viel sie leisten, eher unter- als überbezahlt. Nach der Lehre verdient man etwas mehr als 4000 Franken Brutto, dazu kommt natürlich noch Trinkgeld, aber verglichen mit anderen Branchen ist das zu wenig.
Wie kann man mit so einem Einkommen leben?
Ich habe meine Lehre mit 16 begonnen, mit 29 habe ich begonnen, besser zu verdienen. Es hat also 13 Jahre gedauert, bis ich mich finanziell verbessern konnte. Sogar als ich in einem Zwei-Sterne-Restaurant gekocht habe, muss ich am Sonntag bei McDonnald’s Burger braten, um meinen Lohn aufzubessern und über die Runden zu kommen – kein Witz!
Es gingen viele Beziehungen in die Brüche.
Warum ist dir der Verzicht so leicht gefallen?
Weil mir immer klar war, dass Kochen nicht mein Beruf, sondern mein Hobby ist. Ich liebe den Job und wollte nie was anderes tun. Wenn das so ist, dann schaut man nie auf die Uhr oder aufs Konto.
Hat diese Einstellung Einfluss auf dein Privatleben?
Wenn man als Koch Karriere machen will, dann muss von schon ein bisschen ein Ego sein. Zu Kochen und kulinarisch kreativ zu sein war das einzige, was mir wichtig war. In dieser Zeit gingen viele Beziehungen in die Brüche, weil viele Frauen meinen Lifestyle nicht akzeptieren wollten. Wenn eine Freundin sich beklagte, dass ich wieder so spät nach Hause komme, wusste ich: Sie ist nicht die Richtige, sie bremst mich nur aus. Party habe ich auch nicht viel gemacht. An meinem 30. Geburtstag stand ich den ganzen Tag in der Küche im Park Hotel Vitznau, um halb eins war ich daheim, habe noch rasch die Checkliste für den nächsten Tag abgearbeitet und bin ins Bett.
Mit Essen kannst du Menschen berühren – das ist cool
Wie wird man als Koch überhaupt erfolgreich?
Indem man auf die Zähne beisst und nicht nur einen oder zwei Monate Vollgas gibt, sondern über Jahre und jeden einzelnen Tag. Und wenn man Ziele hat und sich zum Beispiel sagt: «In zehn Jahren will ich einen Stern erkocht haben oder Küchenchef sein.»
Heute lebst du, zumindest auf Insta, das poshe #Chefslife. Wie sieht deine Realität aus?
Ich bin selbstständig und arbeite noch mehr als früher. Aber es fühlt sich einfach anders an, wenn man nur für sich selbst und seine Familie schuftete. Jetzt entscheide ich, wie viel oder wie wenig ich mache – wenig geht in meinem Fall aber nicht, das entspricht nicht meinem Naturell.
Würdest du trotz allem jungen Menschen empfehlen, Koch zu lernen?
Wenn sie motiviert sind und den Job gerne machen und ernst nehmen, dann unbedingt. Der Beruf hat sehr viele schöne Seiten: du kochst was und hast direktes Feedback auf deine Arbeit. Mit gutem Essen kannst du Menschen berühren – das ist cool.
Nenads langer Weg zum Erfolg

Nenad Mlinarevic (39) lernte den Kochberuf im Zürcher Hotel Dolder Waldhaus. Nach verschiedenen Zwischenstopps in Spitzenküchen wie dem Noma in Kopenhagen oder dem Maaemo in Oslo , feierte er 2016 als Koch des Jahres im Restaurant Focus vom Parkhotel Vitznau seinen grössten Erfolg. 2018 machte er sich selbständig, betrieb erfolgreiche Pop-up-Projekte und ist heute Mitbesitzer zweier Restaurants in Zürich (Bauernschänke und Neue Taverne).