«Viele Menschen werden jetzt am Arbeitsplatz fehlen»

Publiziert

15 neue Länder«Viele Menschen werden jetzt am Arbeitsplatz fehlen»

Wer ab Donnerstag etwa nach seiner Bosnien-Reise in die Schweiz zurückkehrt, muss in Quarantäne. Dies trifft viele Reisende, die sich bei Antritt der Reise in einem «sicheren» Gebiet wähnten.

Das BAG hat die Risikoliste für Reisende aktualisiert.
Diese umfasst neu 42 Länder.
Schweden ist auf der Liste nicht mehr geführt.
1 / 6

Das BAG hat die Risikoliste für Reisende aktualisiert.

KEYSTONE

Darum gehts

  • Das BAG hat 15 neue Länder in seine Risikoliste aufgenommen.
  • Das sorgt für Kritik.
  • Reisende, die in ein vermeintlich «sicheres» Land reisten, müssen nun mit Quarantäne rechnen.
  • Besonders bei Bosniern sorgt die neue Regelung für Diskussionen.
  • Der Bund sagt, es sei nötig, die Liste flexibel anpassen zu können.

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat am Mittwoch 15 zusätzliche Länder auf die Risikoliste gesetzt. Insgesamt umfasst sie nun 42 Staaten. Wer aus ihnen in die Schweiz einreist, muss sich beim Kanton melden und 10 Tage Quarantäne einhalten. Dass nun mitten in der Feriensaison 15 neue Länder auf die Liste kommen, dürfte bei den Betroffenen für Kopfschütteln sorgen: Denn sie rechneten damit, in ein «sicheres» Land zu reisen. Nun müssen sie im schlimmsten Fall zehn Tage Ferien anhängen.

Für FDP-Nationalrat Matthias Jauslin war die Bekanntgabe der neuen Quarantäne-Länder am Mittwoch «eine Katastrophe». «Es kann nicht sein, dass die Behörden am Freitag die Liste ankünden, diese dann aber erst am Mittwoch publik machen», sagt Jauslin. Dadurch seien nun viele Reisende am Wochenende in die Ferien in Länder gefahren, die nun nachträglich auf der Risikoliste landeten, und so die Rückkehrer in Quarantäne verbannt worden. «Das hat einschneidende Konsequenzen: Viele zusätzliche Menschen werden nun am Arbeitsplatz fehlen.» Jauslin hätte erwartet, dass der Bundesrat am Freitag Klarheit schafft – statt sich in die Sommerferien zu verabschieden.

«Viele Reisende haben nicht damit gerechnet»

Es stelle sich nun die Frage der Lohnfortzahlung, sagt Jauslin. Bei Personen, die ein Risikoländer besuchten, ist klar: Der Arbeitgeber muss ihnen den Lohn während der Quarantäne nicht bezahlen. «Heikel wird es nun bei Personen, die vor dieser Reisewarnung ins Land abgereist sind», sagt Jauslin. Zudem bestehe die Gefahr, dass die nachträgliche Quarantänepflicht umgangen werde und dadurch die Ausbreitung des Virus gar noch fördere. «Viele Reisende haben nicht mit Quarantäne gerechnet und können es sich nicht leisten, zehn zusätzliche Tage zu Hause zu bleiben.» Er denkt dabei auch an die grosse bosnische Gemeinschaft in der Schweiz, die etwa ihre Verwandten besuchen.

Jauslin fordert deshalb, statt auf starren Quarantäne-Regeln zu beharren, bei Rückkehrern aus Risikoländern einen obligatorischen Corona-Test anzuordnen. «Natürlich unter der Berücksichtigung der Inkubationszeit.» Falle dieser negativ aus, solle die Person ohne weitere Quarantäne an den Arbeitsplatz zurückkehren können. Dies sei eine legitime Lösung für all jene, die nun unverschuldet in Quarantäne müssten.

«Für Bosnier gehört der Familienbesuch dazu»

Dass auch Bosnien-Herzegowina neu auf der Quarantäne-Liste des Bundes steht, sorgt bei Bosniern für rege Diskussionen, sagt Mario Peric, Geschäftsführer des Berner Begegnungszentrums Kultur Shock. «Immerhin planten in den Sommerferien viele einen Familienbesuch. Im Sommer gehört es einfach dazu.» Die Verbundenheit der Bosnier mit der Verwandtschaft und dem Land sei sehr gross, sagt Peric. «Daher denke ich, dass viele Bosnier die Quarantäne in Kauf nehmen und trotzdem hinreisen werden.»

Aufgrund des Entscheids des Bundes empfehle die schweiz-bosnische NGO i-Platform Leuten mit bosnischen Wurzeln aktiv, dieses Jahr auf die Sommerferien in Bosnien zu verzichten, sagt CEO Nikola Buric. Für viele sei die Situation jetzt aber sehr schwierig – nicht nur für Personen in der Schweiz, die ihre Familien besuchen möchten, sondern auch in Bosnien selbst: «Für die Wirtschaft, die stark vom Tourismussektor abhängig ist, ist der Entscheid des Bundes verheerend.»

Kommt Spanien auf die Liste?

Stefan Kuster, Corona-Beauftragter des Bundes, rechtfertigte die Erweiterung der Liste am Point de Presse am Mittwoch damit, dass der Bund die Liste flexibel anpassen können müsse. «Planungssicherheit für Reisende gibt es nicht», so Kuster. «Wer jetzt Ferien plant, muss damit rechnen, dass etwas schiefgehen kann.» So könne in zwei Wochen auch Spanien wieder auf der Liste stehen, wenn die Infektionen stiegen.

Sind Sie in die Ferien in ein Land gereist, das jetzt Risiko-Zone ist? Erzählen Sie uns davon. Melden Sie sich per Whatsapp!
Diese Nummer sollten Sie sich gleich jetzt in Ihrer Kontaktliste speichern, denn Sie können Fotos und Videos per Whatsapp an die 20-Minuten-Redaktion schicken.

Zweifel an Regelung

Stefan Kuster, Corona-Beauftragter des Bundes, erklärte am Point de Presse am Mittwoch, dass die Verordnung auch rückwirkend 14 Tage gelte. Auch wer vor dem 23. Juli aus einem der neu definierten Risikoländer eingereist ist, muss sich beim Kanton melden – und allenfalls in Quarantäne begeben. Anwalt Daniel Kettiger meldet hierzu Bedenken an: Massgebend sei der Zeitpunkt der Einreise. Da die erweiterte Liste aber erst ab dem 23. Juli gilt, schreibt er: «Wer also am Dienstag in Bosnien war und am Mittwoch zurückkehrt, muss nicht in Quarantäne.» Kettiger betont, er finde die Quarantänemassnahmen nach der Einreise aus Hochrisikostaaten grundsätzlich sinnvoll. Offensichtlich falsche und zu weit gehende Auslegungen des Rechts schwächten aber das Vertrauen der Bevölkerung in die Massnahmen der Behörden.

Deine Meinung zählt

385 Kommentare
Kommentarfunktion geschlossen