Hydrotrioxide: Neue Substanz in der Atmosphäre hat nichts mit «Chemtrails» zu tun

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HydrotrioxideNeue Substanz in der Erdatmosphäre hat nichts mit «Chemtrails» zu tun

Forschende haben in der Atmosphäre eine neue Substanzklasse entdeckt: die sogenannten Hydrotrioxide. Einige 100 Menschen bringen das mit «Chemtrails» in Verbindung. Jedoch zu Unrecht.

Gelikt und geteilt wurde auf Facebook ein Post, laut dem zwischen der in der Erdatmosphäre nachgewiesenen Substanzklasse und den sogenannten Chemtrails ein Zusammenhang besteht. Doch an der Behauptung ist nichts dran.
Die in der Atmosphäre nachgewiesene Substanzklasse – die sogenannten Hydrotrioxide (ROOOH) – ist natürlichen Ursprungs, wie das internationale Forschungsteam im Fachjournal «Science» berichtet. 
Dass diese Molekülklasse nicht nur bei extremer Kühlung und in organischen Lösungsmitteln, sondern auch natürlich in der Luft entstehen kann, wurde schon lange vermutet. In Laborexperimenten am Institut für Troposphärenforschung in Leipzig konnte ihre Bildung nun eindeutig nachgewiesen werden.
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Gelikt und geteilt wurde auf Facebook ein Post, laut dem zwischen der in der Erdatmosphäre nachgewiesenen Substanzklasse und den sogenannten Chemtrails ein Zusammenhang besteht. Doch an der Behauptung ist nichts dran.

Screenshot Facebook

Darum gehts

Kaum war die Studie über eine neu nachgewiesene Substanzklasse in der Erdatmosphäre veröffentlicht, da tauchte auf Facebook auch schon ein Post auf, der die Neuentdeckung names Hydrotrioxide mit «Chemtrails» in Verbindung brachte. Mehrere Hundert Personen teilten den Beitrag innerhalb kürzester Zeit.

Hinter dem Begriff Chemtrails (eine Kombination der englischen Wörter «chemicals» – Chemikalien – und «contrails» – Kondensstreifen) steckt die seit Jahren bekannte Verschwörungstheorie, dass von Flugzeugen verursachte Kondensstreifen am Himmel in Wahrheit Chemikalien seien. Als Motiv für Chemtrails werden je nach Absender unter anderem Geoengineering, eine gezielte Bevölkerungsreduktion, militärische Zwecke oder das Ausbringen von Impfstoffen genannt.

Keine «Chemtrails», sondern Kondensstreifen

Keinerlei Beweise für Theorie

Der von Facebook mittlerweile als Fehlinformation gekennzeichnete Post bezieht sich auf den am 27. Mai 2022 auf Dailymail.co.uk erschienenen Artikel «Völlig neue Art von ‹hochreaktiver› Chemikalie in der Erdatmosphäre gefunden – laut Forschenden könnte sie Atemwegs- und Herzkrankheiten auslösen und zur globalen Erwärmung beitragen.»

Doch: In diesem Artikel werden Chemtrails mit keinem Wort erwähnt. Ebenso wenig in der im Fachjournal «Science» veröffentlichten Originalstudie oder in den Mitteilungen der beteiligten Forschungseinrichtungen (hier und hier). Auch sonst finden sich keine Beweise für die in dem Post aufgestellte Behauptung.

Auf Anfrage der Faktencheck-Plattform Fullfact.org antwortete Torsten Berndt vom Leibnitz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig, einer der Hauptautoren der Studie: «Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen unseren Ergebnissen und der Zusammensetzung von Chemtrails.» Es sei «höchst spekulativ», dass die zur Bildung von Hydrotrioxiden erforderlichen Chemikalien in ausreichender Menge in den Flugzeugabgasen vorhanden seien.

Bedeutung für Gesundheit und Umwelt noch offen

Bei den in der Studie beschriebenen Hydrotrioxiden (ROOOH) handelt es sich laut den Forschenden um «eine völlig neue Klasse chemischer Verbindungen». Die aus drei Sauerstoffatomen (O), einem Wasserstoffatom (H) und einem kohlenstoffhaltigen Rest (R) bestehenden Hydrotrioxide entstehen laut der Studie natürlich während der chemischen Reaktionen in den untersten Schichten der Erdatmosphäre.

Dass diese Molekülklasse nicht nur bei extremer Kühlung und in organischen Lösungsmitteln, sondern auch natürlich in der Luft entstehen kann, wurde schon lange vermutet, aber noch nie nachgewiesen. Die Hydrotrioxide, von denen pro Jahr Millionen Tonnen entstehen, sind kurzlebig und hochreaktiv. Ihre Lebensdauer liegt laut dem Forschungsteam vermutlich zwischen 20 Minuten und zwei Stunden. Die Klasse sei in ihrer Struktur einzigartig, so Berndts Kollege Henrik Grum Kjærgaard von der University of Copenhagen. «Und da sie extrem oxidierend sind, haben sie höchstwahrscheinlich eine Reihe von Auswirkungen, die wir noch nicht entdeckt haben.»

Die Folgen für Gesundheit und Umwelt sollen nun in weiteren Analysen untersucht werden, so Kjærgaard. Die Hydrotrioxide würden «höchstwahrscheinlich in Aerosole gelangen, wo sie neue Verbindungen mit neuen Wirkungen bilden. Es ist leicht vorstellbar, dass sich in den Aerosolen neue Stoffe bilden, die beim Einatmen schädlich sind.» Sagen könne man das derzeit nicht.

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