«Nicht alle Jungen mit Migrationshintergrund sind gewaltbereit»

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Sexuelle Gewalt«Nicht alle Jugendlichen mit Migrationshintergrund sind gewaltbereit»

Sek-B-Schülerinnen sind oft von sexueller Gewalt betroffen. Laut einem Kriminologen liegt das am «migrantischen Milieu» einiger Schüler. Politiker warnen vor Verallgemeinerungen.

Die Opferrate bei sexueller Nötigung von Mädchen aus der Sek-B hat sich in den letzten sieben Jahren verdreifacht. (Symbolbild)
Laut Kriminologe Denis Ribeaud könnte dieser Anstieg mit dem hohen Migrationsanteil in den Sek-B-Klassen zusammenhängen. (Symbolbild)
Grünen-Kantonsrätin Karin Fehr ist es jedoch wichtig, nicht zu verallgemeinern. (Symbolbild) 
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Die Opferrate bei sexueller Nötigung von Mädchen aus der Sek-B hat sich in den letzten sieben Jahren verdreifacht. (Symbolbild)

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Darum gehts

Die Opferrate bei sexueller Nötigung von Mädchen aus dem bildungsfernen Milieu hat sich in den letzten sieben Jahren verdreifacht: Das zeigt die aktuelle Zürcher Jugendbefragung. Selbst der Kriminologe Denis Ribeaud von der Universität Zürich, der die gross angelegten Befragungen seit 1999 durchführt, ist vom deutlichen Anstieg überrascht, wie er in der «SonntagsZeitung» sagt. 

«Dass der Anstieg gerade bei schweren Formen der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung bei den Sek-B-Schülerinnen so deutlich ausfällt, hat mich tatsächlich überrascht», so Ribeaud. 

Der Anstieg der Gewalt hänge auch mit dem hohen Migrationsanteil in den Sek-B-Klassen zusammen, vermutet Ribeaud. «Die fehlende Durchmischung spielt zweifellos eine Rolle», erläutert Ribeaud im Interview. Wenn an einer Schule «die patriarchal geprägten Normen dominieren, wie häufig im migrantischen Milieu, dann gehen damit gewisse Haltungen einher». Entgegenwirken würde eine bessere Durchmischung an den Schulen.

Keine Verallgemeinerung 

Gegen die Vermutung von Ribeaud stellt sich die Zürcher Grünen-Kantonsrätin Karin Fehr. Ihr ist es wichtig, nicht zu verallgemeinern: «Nicht alle Jugendlichen mit Migrationshintergrund sind gewaltbereit.» Gewalt könne viele strukturelle Gründe haben. Wichtig sei, dass in Prävention und Gewaltschutz investiert wird und bei Bildung und Arbeit für Chancengleichheit zu sorgen. 

«Dass die Fälle sexueller Gewalt unter Jugendlichen gestiegen sind, überrascht mich nicht», sagt FDP-Kantonsrat Marc Bourgeois. Dies liege wohl zum Teil daran, dass die Sensibilität gegenüber solchen Fragen gestiegen sei. «Ob diese Zahlen aber in einem direkten Zusammenhang mit Migrationshintergründen stehen, ist schwierig zu sagen.» Auch die Frage der sozialen Schicht und problematischer Rollenbilder sollte laut Bourgeois aufgeworfen werden. «Und leider leben Familien mit Migrationshintergrund statistisch häufiger in sozial prekären Situationen.»

«Werden in einer Parallelwelt sozialisiert»

Mustafa Atici, Nationalrat und Präsident der SP-MigrantInnen, stimmt Ribeaud teilweise zu. Laut Atici tragen einige Jugendliche mit Migrationshintergrund noch die traditionellen Werte ihrer Eltern in sich. «So können veraltete Rollenbilder und Sexismus weitergegeben werden.» Es gebe Jugendliche, die in einer Parallelwelt sozialisiert werden.

«Diese Differenzen müssen in der Schule und durch Jugendarbeit ausgeglichen werden», so Atici. Es brauche mehr professionelle Ressourcen, um den Eltern und Erziehungsberechtigten, die nicht wissen, wie sie ihre Kinder in einer fremden Welt unterstützen können, zu helfen.

Was Ribeaud und Atici als Vermutung in den Raum stellen, steht für SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann fest. Laut ihr handelt es sich bei der zunehmenden sexuellen Gewalt um ein Migrationsproblem: «Staatliche Stellen kennen das Problem seit langem, organisieren Projekte, Konferenzen und Studien.» In der Verantwortung stehen laut Steinemann aber nicht die Schulen, sondern die Eltern. Auch kritisiert sie, dass rechtlich nicht hart genug gegen Sexualstraftäter vorgegangen werde: «Männer, die finden, dass Frauen weniger Wert als Männer haben, haben hier in der Schweiz nichts verloren.»

Sensibilisierung der Jugendlichen 

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