Bahnausbau 2035«Nirgends ist der Bedarf so gross wie in Zürich»
Der geplante Bahnausbau 2035 sorgt für Freude bei den Einen und Enttäuschung bei denen, die der Bundesrat nicht berücksichtigt hat.
Die künftigen Engpässe im Bahnverkehr machen aus Sicht des Bundesrates einen weiteren Ausbau unumgänglich. Bis 2035 will er deshalb viel Geld investieren – vor allem im Raum Zürich und in der Genferseeregion. Auf der Strecke bleibt der Lötschberg.
Die Landesregierung hat am Freitag die Vernehmlassung zum sogenannten Bahnausbauschritt STEP 2030/2035 eröffnet: Sie spricht sich für das grössere 11,5-Milliarden-Paket mit rund 200 verschiedenen Massnahmen aus, eine diskutierte kleinere 7-Milliarden-Variante lehnt der Bundesrat ab.
Knoten Zürich strahlt in alle Landesteile aus
Der Kanton Zürich zeigt sich erfreut. Bereits beim Vernehmlassungsstart ist klar, dass die Zürcher sich am Ende unmissverständlich für die 11,5-Milliarden-Variante aussprechen werden. «Nur diese ermöglicht einen wirkungsvollen Angebotsausbau im Grossraum Zürich», teilte die Zürcher Volkswirtschaftsdirektion am Freitag mit.
Der Bau des Brüttener Tunnels zwischen Bassersdorf und Winterthur und ein viertes Gleis am Bahnhof Stadelhofen: Nur mit diesen beiden Projekten könne der wachsende Verkehr bewältigt werden, hält die Volkswirtschaftsdirektion fest. Zürich sei landesweit die Region mit dem meisten Bahnverkehr, aber auch mit dem grössten Ausbaubedarf: «Nirgends besteht derzeit so grosser Investitionsbedarf wie an den Engpässen im Grossraum Zürich.» Und weiter: «Der Ausbau im Herzen des nationalen Bahnnetzes ist essenziell, denn ein leistungsfähiger und stabiler Knoten Zürich strahlt in alle Landesteile aus.»
Grüne fordern konsequentes Lobbying
Die Zürcher Grünen sprechen von einem erfreulichen Zeichen, dass der Bund auf Brüttener Tunnel und Stadelhofen setze. Doch für Euphorie sei noch zu früh, warnen sie.
Denn: Mit der Vernehmlassung beginne nun erst das Seilziehen zwischen den Kantonen. «Die Zürcher Regierung muss jetzt alles daran setzen, dass Bern für die Zürcher Projekte grünes Licht gibt und die Finanzierung schliesslich bewilligt», halten die Grünen fest.

Die Lötschberg-Lobby gibt sich nicht geschlagen
Die Anhänger eines Ausbaus des Lötschberg-Basistunnels wollen weiter kämpfen. Den Entscheid des Bundesrats halten sie für «nicht nachvollziehbar».
Die präsentierte Vorlage müsse im Interesse einer sicheren und nachhaltigen Schweizer Infrastruktur geändert werden, teilte das Lötschberg-Komitee mit. Ihm gehören 310 Mitglieder an, darunter die Kantone Bern und Wallis, beide Basel, Freiburg, Neuenburg, Solothurn und Wallis. Die Fertigstellung des Lötschberg-Basistunnels müsse in den Ausbauschritt 2035 aufgenommen werden. Eine zeitliche Verzögerung würde zu unnötigen Mehrkosten führen.
Zudem sei der Rahmen des nächsten Ausbauschrittes auf mindestens zwölf Milliarden Franken zu erweitern. Für das Komitee ist klar: Werden die vorgeschlagenen Ausbauprojekte «optimiert», gibt es genug Mittel für den Ausbau des Lötschbergs.
Lange Gesichter in Bern und der Westschweiz
Der Kanton Bern hält den Lötschberg-Entscheid des Bundesrats für ungenügend begründet, wie er in einer Pressemitteilung schreibt. Im übrigen bringe der Ausbauschritt 2030/35 zwar eine Reihe von Verbesserungen für den Eisenbahnverkehr im Kanton Bern. Doch habe der Bundesrat die Anliegen der Planungsregion Westschweiz nur ungenügend berücksichtigt. «Immerhin umfasst diese Region rund 40 Prozent der Schweiz.»
Die Westschweizer Verkehrsdirektorenkonferenz (CTSO), der die Kantone Bern, Freiburg, Waadt, Wallis, Neuenburg, Genf und Jura angehören, bedauert, dass einige der wichtigsten Projekte für die Westschweiz nicht im Botschaftsentwurf berücksichtigt worden sind. Gefordert wird ein erhöhter Rahmenkredit von 13 Milliarden Franken, denn nur so könnten die landesweit wachsenden Bedürfnisse gedeckt werden.
Aus der Sicht der Westschweizer Kantone fehlen insbesondere eine leistungsstarke Verbindung ohne Umsteigen zwischen Basel und dem Genferseebogen, eine Direktverbindung zwischen Neuenburg und La Chaux-de-Fonds, die Angebotsentwicklung der Léman Express-Linie Genf -Vernier-La Plaine, die Einführung des Viertelstundentakts in der Agglomeration Freiburg sowie eine verbesserte Erreichbarkeit der Waadtländer Alpen.
Basel setzt sich für sein «Herzstück» ein
Die Kantone Basel-Stadt und -Land würdigen in einer gemeinsamen Erklärung die diversen Massnahmen, mit denen der Bundesrat das Angebot und die Kapazitäten im Bahnknoten Basel erweitern will. So die Erhöhung des Fahrplantakts auf einigen Strecken und die Schienenanbindung des EuroAirports sowie die Aufwertung anderer Zulaufstrecken.
Die beiden Basel zeigen sich aber enttäuscht darüber, dass ihr Prestigeprojekt, der Bahnknoten «Herzstück Basel» nicht in die Liste aufgenommen wurde. Das Herzstück sei zwar erwähnt – der Bund gibt Basel die Möglichkeit das Projekt selber vorzufinanzieren. «Die Verbindlichkeit für die weiteren Planungsschritte und die vorgesehenen finanziellen Mittel für dieses Vorhaben scheinen auf den ersten Blick aber noch ungenügend», schreiben die Kantone in ihrer Erklärung. Den Lötschberg-Basistunnel erwähnt die Stellungnahme mit keinem Wort.
Luzern soll selber bauen
Im Gegensatz zu dem für die Zentralschweiz ebenso wichtigen Zimmerberg-Basistunnel II wird der Luzerner Durchgangsbahnhof im Entwurf zum Ausbauschritt 2035 nicht berücksichtigt. Dem Bund fehlt vorerst das Geld.
Ganz auf der Strecke bleiben soll der Kanton Luzern aber trotzdem nicht. Denn der Ausbauschritt 2035 schlägt Luzern die neue Form der Drittfinanzierung vor: Diese sieht vor, dass die Realisierung des Durchgangsbahnhofs als Projekt gilt, welches von Dritten – auf eigenes Risiko – finanziert werden kann, wie das Bundesamt für Verkehr (BAV) mitteilte.
Dem Parlament ist es danach freigestellt, die vom Kanton übernommenen Kosten durch den Bund nachträglich zu erstatten, indem es das Projekt später in einen weiteren Ausbauschritt aufnimmt und die gesetzlichen Voraussetzungen dafür schafft. (rub/sda)