RusslandexperteNordkoreanische Soldaten in Russland: «Gut orchestrierte PR-Aktion»
Die jüngsten Berichte über nordkoreanische Soldaten, die in Russland stationiert sind, sorgen weltweit für Aufsehen. Doch können sie Putin zum Sieg verhelfen? Dazu Russlandexperte Alexander Dubowy.
Darum gehts
Die USA und Südkorea gehen davon aus, dass Tausende Soldaten aus Nordkorea in Russland für einen Einsatz in der Ukraine trainieren.
Insgesamt soll sich Nordkorea dazu entschieden haben, rund 12'000 Soldaten zur Unterstützung zu schicken, darunter auch Spezialeinheiten.
Russlandexperte Alexander Dubowy sieht darin jedoch keine «kriegsentscheidende Handlung».
Herr Dubowy, was bedeutet die Präsenz der nordkoreanischen Soldaten in Russland?
Laut einem Bericht der «Financial Times» handelt es sich um die 11. Armee der nordkoreanischen Streitkräfte – eine Elitetruppe für Spezialeinsätze. Diese Soldaten sollen in der Region Kursk eingesetzt werden, um die ukrainischen Truppen zu bekämpfen. Während Russland derzeit rund 50'000 Soldaten in dieser Region im Einsatz hat, umfasst die ukrainische Streitmacht etwa 16'000 Soldaten. Sollten, wie prognostiziert, tatsächlich bis zu 12'000 nordkoreanische Soldaten in den Kampf eingreifen, könnte dies die Situation der Ukraine in Kursk erheblich erschweren.
Alexander Dubowy
Alexander Dubowy ist Politikanalyst und Osteuropa-, Russland und GUS-Forscher. Er verfügt über mehr als zehn Jahre Erfahrung im Bereich Forschung und Beratung zu Fragen internationaler Politik- und Sicherheitsangelegenheiten.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Russland nordkoreanische Soldaten an die Front schickt?
Sehr wahrscheinlich – aber es wird nicht kriegsentscheidend sein. Russland leidet unter einem erheblichen Truppenmangel. 2024 gelang es Putin zwar, pro Monat rund 30'000 neue Soldaten zu rekrutieren, diese können jedoch die laufenden Verluste kaum ausgleichen. Derzeit erhöht Russland die Geldanreize für Freiwillige drastisch, dies wird das Problem aber nicht lösen. Für die Eroberung ukrainischer Städte wie Pokrowsk und Myrnohrad benötigt Russland eine grosse Anzahl an Truppen. 12’000 Nordkoreaner werden keinen Unterschied machen. Um den Kriegsverlauf entscheidend zu beeinflussen, bräuchte Russland zumindest 100'000 zusätzliche Soldaten.
Nordkoreaner schon in Kursk
Nach neusten Erkenntnissen des ukrainischen Militärgeheimdienstes HUR sind erste Soldaten aus Nordkorea im umkämpften russischen Gebiet Kursk angekommen. Die Einheiten seien zuvor im Osten Russlands auf Truppenübungsplätzen ausgebildet worden, teilte der Geheimdienst in seinem Kanal bei Telegram mit. Ihre Ankunft im Raum Kursk, wo ukrainische Truppen nach ihrer Invasion Anfang August bis heute Dutzende Ortschaften besetzt halten, sei bereits am Mittwoch registriert worden. Eine Bestätigung von russischer Seite gibt es nicht. Allerdings hatte Kremlchef Wladimir Putin die Anwesenheit nordkoreanischer Truppen in Russland auf eine Frage hin auch nicht bestritten. (DPA)
Das Experteninterview fand bereits am Donnerstag, also vor dieser Meldung, statt.
Welche strategische Bedeutung hat die Zusammenarbeit zwischen Russland und Nordkorea?
Die Entsendung nordkoreanischer Soldaten nach Russland erweckt den Eindruck einer gut orchestrierten PR-Aktion von Wladimir Putin und Kim Jong-un. Die Symbolik dieser Zusammenarbeit sendet ein gefährliches Signal an den Westen. Doch auch China wird darauf achten, dass die Beziehungen zwischen Russland und Nordkorea nicht zu eng werden. Der Einsatz nordkoreanischer Soldaten gegen die Ukraine würde Nordkorea nicht nur zur Kriegspartei machen, sondern auch das Risiko einer Ausweitung des Krieges erhöhen. Manche Publizisten sprechen bereits von der Gefahr eines Dritten Weltkriegs. Aktuell halte ich diese Ansicht für übertrieben. Aufmerksam bleiben, doch Ruhe zu bewahren, ist das Gebot der Stunde.
«Für Nordkorea ist es eine Chance, Stärke und Unnachgiebigkeit dem Westen und Südkorea gegenüber zu demonstrieren.»
Welche Vorteile zieht Russland konkret aus dieser Zusammenarbeit?
Es geht hauptsächlich um Waffenlieferungen. Seit vielen Monaten beliefert Pjöngjang Moskau zuverlässig mit Artilleriegeschossen und ballistischen Raketen. Für Nordkorea ist es eine Chance, Stärke und Unnachgiebigkeit dem Westen und Südkorea gegenüber zu demonstrieren, aber auch wirtschaftlich zu profitieren, beispielsweise durch russische Lieferungen von Treibstoff und Lebensmitteln. Doch könnte es auch zum Transfer militärischer Spitzentechnologie kommen, um zum Beispiel Nordkoreas ballistische Raketenprogramme zu verbessern. Diese Kooperation birgt eine enorme Gefahr, insbesondere wenn Russland Kernwaffentechnologien liefert. Darin liegt das wahre Problem und nicht so sehr in der Truppenentsendung.
Südkorea erwägt, ebenfalls Soldaten in die Ukraine zu schicken.
Das halte ich für unwahrscheinlich. Es ist jedoch möglich, dass Südkorea die Ukraine durch Waffenlieferungen zu unterstützen beginnt.
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