Roger Federer: Severin Lüthi spricht über Schweizer Tennis

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Ex-Federer-CoachSchweizer Tennis im Tief: Woran liegts, Severin Lüthi?

Erstmals seit 1986 schaffte es kein Schweizer Tennis-Ass in einen Grand-Slam-Achtelfinal. Besorgniserregende Krise oder alles halb so schlimm? 20 Minuten hat mit Severin Lüthi darüber gesprochen.

Stan Wawrinka scheiterte beim US Open in der ersten Runde, ...
... ebenso Dominic Stricker.
Roger Federer ist zurückgetreten.
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Stan Wawrinka scheiterte beim US Open in der ersten Runde, ...

IMAGO/Cover-Images

Darum gehts

  • Das Schweizer Tennis hat an der Spitze ein historisch schlechtes Jahr hinter sich.

  • Davis-Cup-Captain und Ex-Federer-Coach Severin Lüthi sieht aber nicht alles schlecht.

  • Der aktuelle Zustand sei eine Momentaufnahme, zudem habe man in der Breite sogar mehr gute Spieler und Spielerinnen als früher.

Historisch schlechtes Jahr

Nach dem Rücktritt von Roger Federer war absehbar, dass es womöglich etwas dauern könnte bis zum nächsten Schweizer Grand-Slam-Sieg. Das es während eines Kalenderjahres weder bei den Männern noch bei den Frauen ein Schweizer Tennis-Ass in den Achtelfinal eines Majors schaffte, ist trotzdem historisch. Letztmals war das 1986 der Fall. Dass es wie beim US Open kein einziger Schweizer Vertreter in die zweite Runde schaffte, passierte seit 1995 bloss ein einziges Mal. Mit Viktorija Golubic (WTA 98) ist geschlechterübergreifend derzeit bloss ein Schweizer Profi in den Top 100.

So sieht Ex-Federer-Coach Lüthi die Lage

«Das ist jetzt einfach eine Momentaufnahme», meint Severin Lüthi zur aktuellen Lage im Schweizer Tennis. Der (mediale) Aufschrei über die ausbleibenden Schweizer Erfolge kann der langjährige Erfolgscoach Roger Federers nicht ganz verstehen. Die Unterschiede an der Spitze seien sehr klein. Eigentlich sei die Situation in der Breite aktuell sogar besser als in den grossen Jahren von Federer und Stan Wawrinka.

Wird die Schweiz in den nächsten zehn Jahren ein Grand Slam gewinnen?

«Roger und Stan waren die Ausnahmen. Du kannst auch einen perfekten Job in der Ausbildung machen und hast nie einen Top-10-Spieler», hält Lüthi fest. Ohne die Schwangerschaftspause von Belinda Bencic oder die Verletzungsprobleme von Dominic Stricker und Jil Teichmann würde das Gesamtbild schon ganz anders aussehen. «Auch bei Leandro Riedi ist es für mich eine Frage der Zeit, bis er es in die Top 100 schafft», meint der Davis-Cup-Captain.

Hat man während der Federer-Ära etwas verpasst?

Im Erfolg macht man die grössten Fehler, lautet ein bekanntes Sprichwort. Gilt dies auch für die Arbeit von Swiss Tennis während der Erfolgsära Roger Federers? «Die Gefahr ist da, dass die Erfolge von Federer und Wawrinka alles überstrahlen», meint Lüthi. «Dann kommen plötzlich alle und fragen uns nach dem Geheimnis unseres Jugendförderungskonzepts, dabei hat es vielleicht gar nichts damit zu tun», erklärt der Berner. Es sei kein Selbstläufer, solche Topspieler zu produzieren. «Ich weiss aber auch nicht, ob es die Aufgabe eines Verbandes ist, aus einem Spieler eine Nummer 1 zu machen», sagt Lüthi. Es gehe eher darum, die Basis für eine starke Breite zu legen.

Vorbild Italien?

Eine Nation, die zurzeit besonders im Hoch ist, ist Italien. Nach jahrzehntelangem Warten auf Erfolge, hat das Schweizer Nachbarland aktuell nicht nur mit Jannik Sinner die Weltnummer 1, sondern ist auch in der breiteren Weltspitze stark aufgestellt. Bei den Männern sind sieben Italiener in den Top 50, 16 unter den Top 200. Bei den Frauen gibts neben Weltnummer fünf Jasmine Paolini vier weitere Italienerinnen in den Top 100. Was kann die Schweiz also von Italien lernen?

«Was Italien gut macht, ist, dass sie viele Turniere im eigenen Land haben», findet Lüthi. Dies zu ändern, sei nicht ganz einfach. Auf der anderen Seite könne man auch nicht alles einfach kopieren. «Manchmal braucht es auch ein wenig Glück bei der Gruppenzusammenstellung», meint der 48-Jährige in Bezug auf die italienische Generation, die mit Sinner, Lorenzo Musetti oder Matteo Arnaldi gleich mehrere starke Spieler hat.

Mit Leandro Riedi, Jérôme Kym und Dominic Stricker habe aber auch die Schweiz mehrere vielversprechende Talente, die sich gegenseitig pushen würden. Im Davis Cup sorgten die Schweizer am Wochenende mit dem 4:0-Sieg gegen Peru schon mal wieder für ein Ausrufezeichen.

Anzahl Turniere Schweiz/Italien

  • ATP: CH 3, ITA 2

  • Challenger (Männer): CH 2, ITA 19

  • ITF (Männer): CH 4, ITA 33

  • WTA: CH 0, ITA 2

  • Challenger (Frauen): CH 1, ITA 3

  • ITF (Frauen): CH 5, ITA 30

  • Total: Schweiz 15 Turniere, Italien 89 Turniere

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