«Live aus dem Chefbüro»Warum hat das Verkaufspersonal so niedrige Löhne? Leser lockt Migros-Boss aus der Reserve
Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen hat zum Abschied Fragen der Leserinnen und Leser beantwortet.
Zusammenfassung
«Ich habe oranges Blut in mir», sagt Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen. Dass er nach seinem Abgang auch mal bei der Konkurrenz einkaufe, komme für ihn nicht infrage.
Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler wäre heute wohl stolz, wenn er sehen könnte, dass die Migros für die Schweiz immer noch so wichtig sei, sagt Zumbrunnen.
Wieso hat es bereits im Februar Erdbeeren im Regal? «Wir bringen sie nun etwas später in unsere Regale – auch wegen der Kritik der Kundschaft. Die Saison in Südspanien beginnt aber schon sehr früh», so Zumbrunnen.
Ausserdem stellte Zumbrunnen nochmals klar, dass die Migros nie auf den Bio-Margen-Bericht des Preisüberwachers Enfluss genommen habe – «wir haben nichts zu verbergen».
Deine Meinung zählt
Ende
Damit ist der Talk vorbei. Eine Zusammenfassung der relevantesten Fragen und Antworten findest du morgen in der Zeitung. Danke fürs Mitlesen.
«Dutti wäre sehr stolz»
Wäre Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler zufrieden mit den fünf Jahren, in denen Sie an der Migros-Spitze waren?
Zumbrunnen: «Diese Frage ist schwierig zu beantworten. Meine Jahre bei der Migros waren sehr herausfordernd. Ich glaube, Dutti wäre sehr stolz, wenn er sehen würde, dass die Migros immer noch so wichtig ist in der Schweiz. Für mich ist wichtig, dass der Chef der Migros weiss, dass er nicht Dutti ist.»

Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler.
MigrosFür immer ein Migros-Kind
Die Migros ist ja viel mehr als ein Unternehmen: Es ist eine Gemeinschaft, eine Kultur. Bleiben Sie für immer ein Migros-Kind?
Zumbrunnen: «Ja, ich habe oranges Blut in mir. Meine Verbundenheit mit der Migros wird immer gross sein. Der Motor war für mich, immer neue Aufgaben bei der Migros zu haben. Dass ich bei der Konkurrenz einkaufe, kommt gar nicht in Frage.»
Persönliche Zukunft nach der Migros
Nach insgesamt 26 Jahren im Betrieb werden Sie die Migros Ende April verlassen. Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn Sie ab Mai wieder eine viel weniger dicht gedrängte Agenda haben?
Zumbrunnen: «Auf neue Aufgaben, auf meine persönliche Weiterentwicklung, auf die Begleitung von Firmen. Und darauf, nicht mehr 14 bis 15 Stunden pro Tag zu arbeiten. Nach der Zeit bei Migros werde ich etwas ganz anderes tun.»
Streit
In einem Artikel der NZZ am Sonntag hiess es im letzten Herbst, sie hätten sich mit vielen regionalen Genossenschaften überworfen. Diese hätten nicht mehr mit Ihnen zusammenarbeiten wollen. Ist da was dran?
Zumbrunnen: «Solche Spekulationen kommentiere ich nicht. Wir haben sehr viel erreicht und zum Beispiel eine gemeinsame Technologiebasis und eine zentrale Logistik. Dass nicht immer alle der gleichen Meinung sind, gehört dazu.»
Genossenschaften
Bei der Migros haben die Genossenschaften extrem viel Macht. Ist diese Organisationsform mit 10 regionalen Genossenschaften noch zukunftsfähig?
Zumbrunnen: «Unsere Organisation ist komplex. Ja, es wäre oft einfacher ohne diese komplexe Struktur, aber sie hat eben auch viele Vorteile. Wir überlegen uns nun, wie wir die Entscheidungswege vereinfachen könnnen, ohne die Nähe zu den Kundinnen und Kunden zu verlieren.»

Duttweilers Erbe
Duttweiler stellt den Menschen in den Mittelpunkt des Wirtschaftens. Konnten Sie als CEO stets danach handeln?
Zumbrunnen: «In der Kultur bei der Migros ist der Mensch besonders wichtig. Die menschliche Dimension steht bei uns im Vordergrund, das ist ein Teil unserer DNA.»
Haben die Thesen von Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler manchmal die Geschäftsentwicklung behindert? So schrieb Dutti in These 10: «Das Allgemeininteresse muss höher gestellt werden als das Migros-Genossenschafts-Interesse».
Zumbrunnen: «Für uns sind die Aussagen von Duttweiler eine grosse Inspiration und auch eine grosse Motivation. Die Migros darf nicht ein Unternehmen wie die anderen sein, das ist klar.»
Saisonprodukte
Paul: Wieso hat es im Februar bereits ausländische Erdbeeren im Regal? Auf meine Frage in der Filiale hiess es, das wäre ein Kundenbedürfnis. Ich glaube eher, dass die Migros mit dem Angebot den ersten Schritt macht.
Zumbrunnen: «Diese Frage ist ein Klassiker. Wir bringen die Produkte nun tendenziell etwas später in unsere Regale – auch wegen der Kritik der Kundschaft. Aber die Saison in Südspanien beginnt sehr früh. Und die Ökobilanz von Erdbeeren aus Spanien ist nicht so schlecht. »
Aktionen
Sina: Aktionen sind unnötig! Sie verleiten Menschen zum Kauf von Grosspackungen. Die Folge: Ein Teil davon landet im Müll.Es wäre dienlicher, die Preise generell etwas zu senken. Was sagen Sie dazu?
Zumbrunnen: «Dieses Thema beschäftigt uns, seit ich für die Migros arbeite. Die grosse Mehrheit der Kundinnen und Kunden wollen Aktionen, das müssen wir akzeptieren. Es hat auch Vorteile. Wir können mit Aktionen auch die Mengen regulieren, zum Beispiel, wenn ein Produkt auf dem Markt gerade sehr stark verfügbar ist. Der Anteil der Aktionen ist heute grösser als während Corona.»
Doppelte Cumulus-Punkte
Doris: Gibt es immer weniger Zweifach-Cumulus-Tage?
Zumbrunnen: «Das habe ich nicht analysiert, aber für viele Kundinnen und Kunden ist es wichtig, Angebote für Produkte zu erhalten, die sie auch kaufen. Unsere Kundschaft schätzt diese doppelten Cumulus-Tage sehr.»

Preissenkungen
Simon: Im Zuge des Angriffskrieges von Russland sind die Rohstoffpreise stark gestiegen. Das hat sich nun aber nahezu normalisiert. Die Migros-Preise bleiben aber unverändert hoch. Nutzt die Migros die Teuerung als Vorwand, um die Marge zu verbessern?
Zumbrunnen: «Die Migros hat viele der Preiserhöhungen nicht an die Kundschaft weitergegeben. Seit drei Wochen sind wir sogar in der Lage, die Preise weiter zu senken. Wenn wir Rohstoffe kaufen, dauert es zudem, bis wir sie verarbeiten und verkaufen können. Aber wenn die Rohstoffpreise weiter sinken, werden auch die Preise in der Migros sinken.»
Bio-Marge
Sven: Warum steht die Migros nicht einfach zur hohen Bio-Marge? Die Intervention beim Preisüberwacher macht auf mich den Eindruck, als hätte die Migros etwas zu verbergen.
Zumbrunnen: «Im Bericht steht aber nichts von überhöhten Margen. Die Migros hat lediglich den Preisüberwacher angeschrieben. Wir haben nichts zu verbergen und nie versucht, Einfluss auf den Inhalt des Berichts zu nehmen. Wie hoch die Bio-Marge ist, kann ich nicht verraten. Sie ist aber ähnlich hoch wie bei der konventionellen Produktion.»

Preisüberwacher Stefan Meierhans
20 MinutenAkte Bio
Ueli: Warum hat die Migros die ganze eigene Rechtsabteilung beschäftigt, um Druck auf den Preisüberwacher und die Akte Bio auszuüben?
Zumbrunnnen: «Die Migros hat keinen Druck gemacht. Wir erhielten die Endversion des Berichts, doch dieser enthielt viele Fehler. Der Preisüberwacher hat aber klar festgehalten, dass sich die Migros richtig verhält.»

Als CEO hört man meistens nur Kritik. Ist das nicht schwierig?
Zumbrunnen: «Nein, das ist nicht schwierig. Klar, ich bin auch nur ein Mensch, und es tut gut, auch mal Lob zu hören. Aber als CEO weiss ich, dass sich die Menschen tendenziell eher mit Kritik als mit Lob äussern.»
Lob
Patricia: Will einfach dem OberOberChef danke sagen. Migros ist wirklich ein sehr guter Arbeitgeber! Ich arbeite in der Online-Logistik.
Zumbrunnen: «Mich erreicht sonst eher Kritik, aber das höre ich natürlich gerne, danke.»
Lohn
Gürkan: Ich bin seit 10 Jahren Migros-Mitarbeiter. Was ich nicht verstehe: Warum hat das Verkaufspersonal so niedrige Löhne? Der Mindestlohn liegt bei 4200 Franken. Und kommen Sie jetzt bitte nicht mit den Sozialleistungen.
Zumbrunnen: «Der Leser erwähnt den Mindestlohn. Für uns ist das eine Art von Einstiegslohn für neue Mitarbeiter, er ist nicht für die Ewigkeit. Tatsache ist, dass wir die Gesamtleistung anschauen müssen, auch wenn er das nicht hören will. Wir haben auch sehr tolle Vorsorgeleistungen und Arbeitsbedingungen.»
Marktanteil?
Können Sie etwas zum Marktanteil von Coffee B sagen?
Zumbrunnen: «Leider nicht, den darf ich nicht verraten. Aber für die ersten zehn Monate ist das Ergebnis eindrücklich.»
Coffee B
Reto: Sie haben im letzten Jahr Coffee B lanciert. Ich glaube, dass das System ein Flop ist und die Nespresso-Kunden nicht wechseln. Wie lange geben Sie Coffee B noch Zeit?
Zumbrunnen: «Wir sind mit Coffee B zufrieden, der Start war fulminant. Wir kommunizierten bereits zu Beginn, dass wir mit Coffee B einen Vierjahresplan haben. Coffee B ist das einzige Kaffeesystem weltweit, dass zu 100 Prozent kompostierbar ist. In zwei Wochen gibt es in Deutschland einen grossen Launch mit Edeka, Saturn und Mediamarkt. Wir sind sehr optimistisch. Das Potenzial von Coffee B ist aber auch in der Schweiz sehr gross.»

Cumulus-Punkte im Denner?
Kurt: Weshalb gibt es bei Denner keine Cumulus-Punkte? Alkohol und Tabak könnte man ja ausnehmen. Coop machts besser: Dort gibts Superpunkte, selbst bei Gidor-Coiffure.
Zumbrunnen: «Jedes Unternehmen kann frei entscheiden, mit welchen Marketing-Massnahmen es sich positionieren will. Denner ist ein Discounter und sehr stark auf den Preis fokussiert. Zudem gibt es hier eine emotionale Komponente, so könnte man mit dem Kauf von Alkohol und Tabak ja auch Cumulus-Punkte sammeln. Auch darum ist es sinnvoll, dass wir bei Denner andere Marketingmassnahmen nutzen als bei Migros.»

Lieblingsprodukt
Seit Samstag konnte die Community Fragen einreichen, über 200 gingen ein. Renata fragt: Welches ist Ihr absolutes Lieblings-Migros-Produkt? Und warum?
Zumbrunnen: «Die Vanille-Glace mit dem kultigen Seehund. Das Design ist wunderschön und zeitlos. Die Glace ist immer in meinem Kühlschrank, auch für meine Kinder, die längst erwachsen sind.»

Hast du noch eine Leserfrage? Dann reiche sie über diesen Link ein.
Margen im Detailhandel
Muss die Migros immer neue Bereiche dazukaufen, weil die Margen im Detailhandel kleiner werden?
Zumbrunnen: «Ich bin der festen Überzeugung, dass wir heute ein sehr gutes Fundament haben, um weiter stark organisch zu wachsen. Ich bin sehr positiv gestimmt. Die Migros wird nicht mit Zukäufen wachsen, sondern auf Basis der bestehenden Organisation.»
Verzettelung?
Die Migros ist ein Gigant und hat so viele Bereiche: Vom Detailhandel über Produktion bis zu Medbase, Bestsmile und Migros-Ferien. Besteht da nicht die Gefahr, dass man sich verzettelt?
Zumbrunnen: «Die breite Aufstellung der Migros hilft uns, die gewünschte Stabilität zu liefern. Wir haben uns in den letzten Jahren aber von 13 Firmen getrennt und klare Prioritäten gesetzt. Wir sind also weniger gross als vor einigen Jahren. Wichtig ist, dass wir organisch wachsen können – und nicht durch Übernahmen.»
