Handwerk-BoomBei ihrem Hobby legen Zoe und Jil das Handy zur Seite
Von Nähkursen und Schmuck-Workshops bis zur Keramikmalerei: Handwerkliche Hobbys erleben in der Schweiz einen Boom, Kreativstudios schiessen aus dem Boden. Wir haben nachgefragt, warum das so ist.
Lernen gefühlt alle deine Kolleginnen und Kollegen gerade Stricken oder hörst du ständig von Töpferkursen? Andere zeigen stolz ihre Ergebnisse vom Schmuckkurs oder leben ihre kreative Ader beim Keramik-Bemalen aus. Softe Hobbys boomen. Es sind vorwiegend solche, bei denen die Hände beschäftigt sind.
In Städten wie Zürich spriessen Kreativbars und Orte, an denen du beruhigenden Freizeitaktivitäten nachgehen kannst, aus dem Boden. Geht es darum, das Handy zur Seite zu legen, oder einfach um ein gemütliches Gefühl? Wir haben bei den Gründerinnen von drei dieser kreativen Orte und bei Besucherinnen und Besuchern nachgefragt.
Offline statt Online
Ein softes Hobby wird so genannt, weil es im Gegensatz zu vielen anderen Freizeitaktivitäten eine beruhigende, entspannende und oft auch entschleunigende Wirkung hat. In Zürich sind Orte wie die Nebu Keramikbar, das Kreativ-Studio Lüt oder das Nähatelier Pompon regelrechte Anziehungspunkte.
Im Lüt Studio kannst du an Töpferkursen teilnehmen – oder auch einen eigenen Silberring anfertigen. Während des Kurses sitzt du mit bis zu fünf anderen Teilnehmenden an einem Tisch und arbeitest konzentriert an deinem Schmuckstück. Zoe (27) hat sich zusammen mit ihrer Schwester Jil (30) für den Kurs angemeldet. Sie sagt: «Ich mache das, um Zeit mit meiner Schwester zu verbringen, aber auch, um neue Leute und Themen kennenzulernen.»
Zoe gefällt, dass sie den Freitagabend produktiv nutzt. Während des Kurses bleiben die Handys grösstenteils unbeachtet – sie werden nur kurz hervorgeholt, um Inspirationsbilder anzusehen. Für Zoe scheint das genau der richtige Ausgleich zu sein. Sie sagt: «Ich will gerne mehr mit meinen Händen machen.»
«Viele kommen gezielt zu unseren Kursen, um sich zu entkoppeln – um von Bildschirmen und ständigen Benachrichtigungen wegzukommen. Sich die Hände schmutzig zu machen, macht es einfacher, das Smartphone wegzulegen», sagt Christina Chantzara, eine der Gründerinnen des Lüt Studios.
Kreativität als Ausgleich zum Alltag
Sandra Wanaree, die Gründerin von Pompon, einem Atelier für Nähkurse in Zürich, sagt: «Nach der Pandemie spürte ich einen grossen Push.» Aber auch jetzt ziehe es die Leute hin zu handwerklichen Hobbys: «Sie suchen nach Möglichkeiten, den Kopf abzuschalten – weg von Bildschirmen.»
Im Pompon treffen sich viele, die sich entspannen und gleichzeitig kreativ ausleben wollen. «Das Nähen ermöglicht nicht nur eine Handypause, sondern auch, etwas Eigenes zu schaffen, das Bestand hat. Viele schätzen das», sagt Wanaree.
Es ist meditativ – man kommt runter und vergisst das Handy.
Auch bei der Nebu Kreativbar, wo Keramik bemalt wird, spürt Gründerin Seline Burri den Trend. «Die Leute lieben es, etwas in der Hand zu halten, das sie selbst gemacht haben», erzählt sie. «Es ist meditativ – man kommt runter und vergisst das Handy. Oft wird sogar das Getränk erst nach einer Weile des kreativen Schaffens angerührt.»
Gemeinschaft statt Clubbesuch
Ein weiterer Grund für die Beliebtheit solcher Hobbys sei das Bedürfnis nach sozialen Erlebnissen jenseits von Bars oder Clubs. «Unsere Kunden und Kundinnen sagen, sie schätzen das Zusammensein in einer lockeren Atmosphäre», erzählt Seline Burri. «Man kann mit Freunden etwas Kreatives machen, statt einfach nur ins Kino zu gehen, wo man sich nicht mal unterhalten kann.»
Sandra Wanaree bestätigt das: «Es entstehen richtige Freundschaften. Manche Teilnehmerinnen sind seit Jahren dabei. Ein Kurs ist für sie mehr als nur Nähen – es ist ein Ort, an dem sie sich austauschen und unterstützen.» Das gehe sogar noch weiter: «Es wird ganz viel geredet, geholfen und zugehört. Ich hatte schon Teilnehmer, denen beim Hereinkommen nach Weinen zumute war und die nachher lachend rausgingen.»
Was reizt dich an handwerklichen Hobbys?
Auch Christina Chantzara vom Lüt Studio sagt: «Viele erzählen uns, wie sehr sie es geniessen, in einer inspirierenden und unterstützenden Atmosphäre neue Menschen kennenzulernen und gemeinsam kreativ zu sein.» Der soziale Aspekt spiele eine entscheidende Rolle und schaffe eine natürliche Verbindung zwischen den Teilnehmenden.
Social Media als Antreiber
Alle drei Gründerinnen sind sich einig, dass soziale Medien – obwohl das Schaffen an sich offline stattfindet – eine Rolle bei dem Trend spielen. «Viele kommen mit Ideen, die sie auf Instagram oder Pinterest gesehen haben», sagt Sandra Wanaree. Christina Chantzara vom Lüt Studio sagt: «Es ist spannend zu sehen, wie Bilder der handgemachten Kreationen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer Interesse wecken und neue Menschen anziehen.»
Auch dem Nebu hilft Social Media – viele hören auf Tiktok oder Instagram davon. Seline Burri sagt: «Der Tiktok-Algorithmus hat uns unglaublich geholfen, gerade am Anfang. Ohne Social Media wären wir heute nicht da, wo wir sind.»
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