Grosse NachfragePädophile suchen Hilfe bei Therapeuten
Ein Leben, ohne Kinder zu missbrauchen: Mit diesem Ziel besuchen derzeit 30 Pädosexuelle eine Therapie am Forensischen Institut Ostschweiz. Und jeden Monat kommen neue Anfragen.

Mit solchen Plakaten warb die Berliner Charité 2005 für ihre Pädophilen-Therapie. Mittlerweile gibt es acht darauf spezialisierte Zentren in Deutschland.
Einer von 100 Männern ist laut Schätzungen von Fachleuten pädosexuell veranlagt. In Studien geben 20 bis 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen an, bereits einmal sexuell missbraucht worden zu sein. «Doch nicht jeder Pädosexuelle wird zum Täter», sagt Monika Egli-Alge vom Forensischen Institut Ostschweiz. «Ein Leben ohne Delikte ist möglich.» Keine Kinder zu missbrauchen, das können Männer im Institut in Frauenfeld lernen. Dort befindet sich das erste auf Pädophilie spezialisierte Therapiezentrum der Schweiz. Und die Nachfrage ist gross: Während im vergangenen September noch 20 Männer in Therapie waren, sind es aktuell bereits 30. «Heilen kann man Pädophilie nicht», hält Egli-Alge fest. «Man kann die Neigung lediglich kontrollieren, damit es keine Delikte und damit keine Opfer gibt.»
Die Motivationen der Teilnehmer sind verschieden: Einige haben sich noch nie an Kindern vergriffen und kommen freiwillig, weil sie an ihrer Neigung verzweifeln. Andere sind bereits zum Täter geworden und werden von Polizei, Gericht oder der Bewährungshilfe mehr oder weniger freiwillig in die Therapie geschickt. «Allen gemeinsam ist der Leidensdruck», sagt Egli-Alge. Warum sich diese sexuelle Störung entwickle, sei unklar. «Aber keiner sucht sich aus, pädophil zu sein.» Die Betroffenen bemerkten meist sehr früh, dass mit ihnen etwas nicht stimmt. Der jüngste Mann in der Therapie ist erst 18 Jahre alt. Aber auch ältere suchen Hilfe, der älteste Klient ist ein 70-jähriger Rentner. Die berufliche und private Situation unterscheidet sich ebenfalls stark: «Das geht vom hochintelligenten, alleinstehenden Berufsmann bis zum verheirateten Hilfsarbeiter.»
Kostenlose Erstberatung für Pädophile geplant
In allen Fällen beginnt die mehrjährige Therapie mit einer Analyse der sexuellen Störung. Da werden verschiedene Punkte geklärt, wie: Steht der Mann auf Mädchen oder Jungen? Pubertierende oder Kleinkinder? Gibt es noch andere Neigungen, auf die der Betreffende ausweichen könnte? Sind diese Fragen beantwortet, folgt Phase zwei, eine Einzeltherapie. «Wir arbeiten aus der Täterperspektive. Es geht darum, ihnen zu zeigen, wie sich ihr Leben verschlechtert, wenn sie straffällig werden.» Die Pädophilen sollen merken, dass der Verzicht auf Übergriffe nicht nur im Interesse potentieller Opfer, sondern auch im eigenen Interesse liegt. Dann folgt die Gruppentherapie – an einem geheimen Ort, um die Anonymität der Teilnehmer zu gewährleisten.
Angestrebt wird ein sogenannter Kontrollplan, um Ersttaten oder Rückfälle zu vermeiden. «Bei vielen ist beispielsweise das Hallenbad ein kritischer Ort, weil sich da viele Kinder nur in Badehosen aufhalten.Ein Pädophiler braucht Strategien, um solche Situationen zu vermeiden.» Im Fall des Hallenbads könnte dies beispielsweise sein, dass das Personal gebeten wird, ein Hausverbot auszusprechen oder dass jemand den Schwimmsport ganz aufgibt und seine Badehose gleich entsorgt. «Das ist von Klient zu Klient sehr verschieden. Am Ende müssen die Patienten aber akzeptieren, dass sie ein Leben ohne Sexualität führen müssen.»
In Zukunft soll am Institut eine noch grössere Zahl Pädophiler behandelt werden können. Das Angebot wird dafür ausgebaut. Die Kosten für die Therapien übernehmen jeweils die Krankenkassen oder die Justiz. Egli-Alge würde ausserdem gerne eine unkomplizierte und kostenlose Erstberatung für Pädophile anbieten. Doch noch fehlt der privaten Einrichtung das Geld dafür. Christine Bussat, die Initiantin der Unverjährbarkeits-Initiative für Pädo-Straftaten, fände das eine gute Idee: «Wenn es hilft, dass Kinder keine Opfer werden, sollte es unbedingt umgesetzt und auch vom Staat finanziert werden.»