Schweiz: Polizisten häufen Zehntausende Überstunden an

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PersonalmangelPolizisten häufen Zehntausende Überstunden an

Demos, Fangewalt, steigende Kriminalität: Polizistinnen und Polizisten laufen am Limit, es fehlen Arbeitskräfte. Die Korps und der Dachverband fordern bessere Arbeitsbedingungen.

Die Polizeikorps in der Schweiz hätten immer mehr zu tun. (Symbolbild)
Gleichzeitig sei es schwierig, neues Personal zu finden. (Symbolbild)
In der Folge häufen viele Korps Überstunden an. (Symbolbild)
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Die Polizeikorps in der Schweiz hätten immer mehr zu tun. (Symbolbild)

20min/Matthias Spicher

Darum gehts

  • Die Polizeikorps im Land haben mit einer höheren Belastung zu kämpfen. Gleichzeitig fehlt das Personal.

  • In der Folge häufen sich die Überstunden an: Alleine in Basel-Stadt waren es Ende 2023 148’000 Stunden.

  • Wegen des Personalmangels müssen manche Polizeiposten zeitweise schliessen oder ihre Dienstleistungen einschränken, etwa bei der Bekämpfung von Lärmklagen und Cyberkriminalität.

Schweizer Polizeikorps haben immer mehr Arbeit und immer mehr Mühe, ausreichend Personal zu finden. Das hat Folgen. Hunderttausende Überstunden häufen sich an, immer mehr Polizistinnen und Polizisten verlassen den Job. Es droht ein Teufelskreis.

Eine Umfrage von 20 Minuten bei allen 20 Deutschschweizer Kantonspolizeien und den grossen Stadtpolizeien zeigt: Fast alle klagen über hohe Belastungen. Besonders in den Städten und Agglomerationen ist der Druck extrem hoch.

Darum hat die Polizei mehr zu tun

Für die hohe Belastung der Polizistinnen und Polizisten gibt es mehrere Gründe:

  • Steigende Kriminalität: In der Schweiz leben immer mehr Menschen. 2023 wurden schweizweit 14 Prozent mehr Straftaten registriert. Das bedeutet Mehraufwand für die Polizei.

  • Demos und Fangewalt sind vor allem in den Städten eine Herausforderung für die Polizei, etwa in Winterthur, Zürich, St. Gallen, Bern oder Basel.

  • Die 24-Stunden-Gesellschaft etabliert sich. Eine Polizeistunde gibt es kaum mehr, das Leben spielt sich am Tag wie in der Nacht ab. Es braucht rund um die Uhr ausreichend Polizeipräsenz.

  • Neue Kriminalitätsphänomene, vor allem im Cyberbereich, fordern mehr Ressourcen.

  • Der Fachkräftemangel macht auch vor der Polizei nicht halt: Viele Arbeitnehmende werden in den nächsten Jahren pensioniert und es rückt weniger Nachwuchs nach.

Demonstrationen sind vor allem in den Städten eine Herausforderung für die Polizei.

Demonstrationen sind vor allem in den Städten eine Herausforderung für die Polizei.

20min/Ela Çelik

Diese Folgen hat die Überlastung

In der Folge häufen viele Korps Überstunden an: In Basel-Stadt waren es Ende 2023 148’000 Stunden. Damit könnten alle der knapp 1000 Mitarbeitenden drei Wochen Ferien machen und es wären immer noch nicht alle Überstunden abgebaut. Bei der Kantonspolizei St. Gallen haben sich 17’000 Überstunden angehäuft. Bei der Stadtpolizei Zürich waren es Ende Februar 24’500 – zwei Jahre zuvor waren es noch 17’600. Mitarbeitende können aufgrund der Arbeitslast vermehrt die freien Wochenenden nicht mehr beziehen und Überstunden nicht mehr kompensieren.

So wirkt sich der Personalmangel im Alltag aus

  • Verschiedene Kantone mussten wegen Personalmangels kurzzeitig Posten schliessen oder die Öffnungszeiten anpassen.

  • Im Kanton Basel-Stadt und in der Stadt Zürich kann die Polizei je nach Ereignislage nicht mehr wegen Lärmbeschwerden ausrücken.

  • In Obwalden wird bei Prävention und Patrouillen gespart.

  • Mehrere Polizeien beklagen, im Bereich der Cyberkriminalität nicht das leisten zu können, was sie gerne würden.

Der Tenor der Polizeien insbesondere aus den Städten ist: Noch können sie ihre Aufgaben erfüllen, wenn auch teilweise nur, weil das Personal an die Belastungsgrenze geht. Lange gehe das nicht mehr gut.

Das droht, wenn der Personalmangel sich verschärft

Johanna Bundi Ryser, Präsidentin des Verbands Schweizerischer Polizeibeamter, zeichnet im Interview mit 20 Minuten ein düsteres Bild: «Schon jetzt lagern wir Aufgaben an private Sicherheitsdienste aus und verscherbeln so das Gewaltmonopol des Staates. Verschärft sich der Personalmangel weiter, müssen die Polizisten noch stärker priorisieren, das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung schwindet.»

«Verschärft sich der Personalmangel weiter, müssen die Polizisten noch stärker priorisieren, das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung schwindet», sagt Johanna Bundi Ryser, Präsidentin des Verbands Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB).

«Verschärft sich der Personalmangel weiter, müssen die Polizisten noch stärker priorisieren, das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung schwindet», sagt Johanna Bundi Ryser, Präsidentin des Verbands Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB).

Privat

Das fordern die Polizisten

Die Forderungen der Polizeikorps sind ziemlich deckungsgleich: Sie müssen attraktive Arbeitgeber bleiben durch mehr Lohn, bessere Arbeitsbedingungen und ausreichend Freizeit. Und es braucht mehr Polizistinnen und Polizisten. Die heutigen Mitarbeitenden müssen von einem Wechsel in die Privatwirtschaft abgehalten werden.

Aufstockungen bei den Polizeikorps müssen politisch beschlossen werden. In Zürich wird derzeit um Budget für 152 neue Stellen für die Stadtpolizei bis 2030 gerungen. Die Anzahl Aspirantinnen und Aspiranten in der Polizeischule soll ab 2025 von 70 auf 90 pro Jahr erhöht werden. Auch in Luzern sollen mehr Polizistinnen und Polizisten ausgebildet werden. Dazu braucht es aber ausreichend qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber, was bei einigen Polizeikorps aufgrund der Arbeitsmarktsituation eine Herausforderung ist.

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