PFAS-Bluttest«Es ist fast unmöglich, sich vor PFAS zu schützen»
PFAS sind in unserem Alltag fast überall. Doch wie schlimm sind die Stoffe wirklich? Ein Chemiker nimmt im Interview Stellung.
PFAS: Darum gehts
Menschen nehmen PFAS vor allem beim Essen und Trinken auf.
Mache die Politik genug Druck, könnte die Industrie wohl schnell auf Alternativen umstellen, sagt der Chemiker Markus Zennegg.
Er erklärt im Interview, warum Verbote gar nicht so einfach sind.
Ein Saldo-Test hat in Blutproben PFAS-Konzentrationen gefunden, die krank machen können. Die Industrie beschäftige eigene Toxikologen und Lobbyisten, die versuchen, die Stoffe als nicht gesundheitsgefährdend darzustellen, sagt der Chemiker Markus Zennegg von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) im Interview.
«PFAS kommen in unserem Alltag fast überall vor»

Der analytische Chemiker Markus Zennegg erklärt im Interview, warum ein Verbot von PFAS schwierig ist.
PrivatSaldo hat in allen Blutproben PFAS gefunden. Überrascht Sie das?
Nein, das war so zu erwarten – es ist sehr wahrscheinlich, dass alle Menschen auf der Welt PFAS im Blut haben. Zudem gibt es heute moderne Instrumente und Messmethoden, mit denen wir auch sehr geringe PFOA- und PFOS-Konzentrationen nachweisen können.
Wie gelangt PFAS in unseren Körper?
Die Stoffe sind wasser-, schmutz- und fettabweisend, bauen sich kaum ab und bleiben sehr lange in der Umwelt. So gelangen sie auch in unseren Körper. Den Grossteil nehmen wir beim Essen und Trinken auf. Auch über Kleider und Hautkontakt ist es möglich, PFAS aufzunehmen. Oder über Staubpartikel, wenn Teppiche mit PFAS behandelt wurden. Ein weiteres Beispiel sind PFAS-haltige Sprays, um die Schuhe zu imprägnieren.
Wo kommen wir sonst noch mit PFAS in Kontakt?
PFAS kommen in unserem Alltag fast überall vor, etwa in Lebensmittelverpackungen oder Körperpflegeprodukten. Früher steckten sie oft in Burger-Verpackungen in Fast-Food-Restaurants, im Klärschlamm oder in Löschschaum. In der Landwirtschaft, wo Klärschlamm auf Weiden ausgetragen wurde, ist die Konzentration heute teils immer noch höher als normal.
Sind die aktuellen Grenzwerte zu tief?
Der momentan gültige Höchstwert in Trinkwasser liegt je nach PFAS zwischen 300 und 500 ng/Liter. Diese Werte werden momentan von den Behörden überprüft und in naher Zukunft den tieferen EU-Höchstwerten angepasst. Diese sind so tief angesetzt, dass ein gesundheitliches Risiko für den Menschen über die Aufnahme von PFAS via Trinkwasser als gering betrachtet werden kann.
Könnte die Industrie überhaupt schnell auf Alternativen umstellen?
Davon gehe ich aus. Obwohl die Industrie ein grosses Interesse daran hat, PFAS weiter zu nutzen. Sie beschäftigt eigene Toxikologen und Lobbyisten, die versuchen, die Stoffe als nicht gesundheitsgefährdend darzustellen. Macht die Politik aber genug Druck, könnte sie wohl schnell umstellen. Die Forschung zu Alternativen hat stark zugenommen. Auch die Empa in St. Gallen forscht auf diesem Gebiet. Sie hat eine effektive Alternative zu PFAS entwickelt.
Der Schaffhauser Kantonschemiker Kurt Seiler fordert, PFAS zu verbieten. Sind Sie auch für ein Verbot?
Gibt es genug Indizien dafür, dass die Stoffe den Menschen schaden, müssen wir uns schon fragen, warum sie die Industrie noch einsetzen darf. Ein Verbot ist aber nicht einfach. Man darf nicht vergessen, dass wir hier von Tausenden von chemischen Verbindungen reden.
Bist du für ein Verbot von PFAS?
Das tönt so, als ob eine Regulierung fast nicht möglich ist.
Doch, Verbote helfen, aber es dauert oft Jahre, bis man einen Effekt spürt. Die Industrie erhält meist eine lange Übergangsfrist. Und es ist wie beim Doping: Kommt eine Substanz auf die schwarze Liste, nutzt man eine andere. Die Industrie hat sicher schon Ersatzstoffe, die noch nicht geächtet sind. Ob diese für die Menschen besser sind, ist aber unklar.
Wie könnte man ein Verbot konkret umsetzen?
Man könnte die schädlichen Stoffe im Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe listen. Die Schweiz hat dieses ratifiziert und müsste sich so ebenfalls an ein Verbot halten.
Was können Konsumenten tun, um PFAS zu vermeiden?
Es ist fast unmöglich, sich vor PFAS zu schützen. Besonders bei Lebensmitteln ist es schwierig. Grosse Lebensmittelproduzenten haben ihre eigenen Labore, um ihre Produkte zu überprüfen und die Kundschaft zu schützen. Kauft man Kleider, kann man auf das Oeko-Tex-Label setzen, das Grenzwerte für gesundheitsgefährdende Substanzen festlegt.
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