Überstunden und SondereinsätzePflegepersonal ist wegen Coronavirus am Anschlag
Spitäler und Arztpraxen werden wegen Coronavirus-Untersuchungen überrannt. Darunter leidet das Pflegepersonal.
Noch ist die Zahl der bestätigten Virus-Infektionen in der Schweiz überschaubar. Die Zahl der Erkrankten könnte aber deutlich steigen. Doch schon jetzt arbeitet das Personal in Spitälern und Arztpraxen auf Hochtouren. «Wir arbeiten alle bis zum Anschlag und müssen etwa 20 Prozent mehr Überstunden machen», sagt Felix Huber, Mitgründer des Ärztenetzwerks Medix.
Grund für den Ansturm: Viele Verunsicherte wollen wissen, ob sie sich mit dem Virus infiziert haben. Am stärksten exponiert und gefordert sind die Anlaufstellen in den Spitälern und wahrscheinlich auch die Haus- und Kinderärzte, sagt die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) auf Anfrage.
Flexibilität gefragt
Das Kantonsspital Graubünden spürt den Mehraufwand. «Wir haben deutlich mehr Anrufe und auch Personen, die beim Notfall vorbeikommen», sagt Sprecher Dajan Roman. Dafür seien das Personal aufgestockt sowie die Schichten erweitert und angepasst worden. Ab Mittwoch vergrössert das Spital zudem die separate Notfallzone. Ähnlich ist es beim Unispital Basel. «Die Mitarbeiter müssen derzeit noch flexibler sein, als generell schon», sagt Sprecher Nicolas Drechsler.
Niemand weiss, ob und wann sich die Lage abschwächt oder noch schlimmer wird. Felix Huber schätzt, dass die Situation noch viele Monate andauert. Auf die Mehrfachbelastung reagierten die Mitarbeiter von Medix dennoch «sehr motiviert», sagt Huber. «Wir haben es mit einer Ausnahmesituation zu tun», erklärt er das Verständnis der Mitarbeiter. Auch Dajan Roman vom Kantonsspital Graubünden geht davon aus, dass die Mitarbeiter den Mehraufwand «gerne wahrnehmen».
Ansteckungsgefahr für das Pflegepersonal
Das Pflegepersonal ist zusätzlich zur hohen Arbeitsbelastung auch dem Risiko ausgesetzt, sich durch eine infizierte Person selbst anzustecken, wie Marco Geu sagt. Der Zentralsekretär der Gewerkschaft Syna verweist aber auf die gute Ausbildung und Sensibilisierung der Mitarbeiter im Gesundheitswesen, weshalb sie gut vorbereitet seien.
Auch Marcel Marti, Leiter Politik und Kommunikation des Verbands der Schweizerischen Assistenz- und Oberärztinnen und –ärzte (VSAO), sagt: «Das Schweizer Gesundheitssystem ist eines der besten der Welt und das Bundesamt für Gesundheit macht einen guten Job.»
Yvonne Ribi, Geschäftsführerin vom Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK, findet es zum Schutz des Personals wichtig, dass die Bevölkerung die Empfehlungen des BAG berücksichtigt, die Hygienemassnahmen anwendet und die Leute nicht direkt in den Notfall oder in die Arztpraxis kommen, sondern vorher anrufen.
Steigen jetzt die Krankenkassenprämien?
Arztpraxen und Spitäler haben durch das Coronavirus deutlich mehr zu tun. Auswirkungen auf die Krankenkassenprämie hat der Mehraufwand aber wohl nicht. «Bislang sehe ich kaum eine Wirkung auf die Prämien, weil die Anzahl bisher entdeckter Ansteckungen nicht ins Gewicht fällt», sagt Stefan Felder von der Universität Basel. Das gelte auch für den Entscheid des Eidgenössischen Departement des Innern, wonach die obligatorische Krankenkasse die 180 Franken für den Coronavirus-Diagnostiktest bezahlt. Würde eine halbe Million Schweizer den Test machen, würde das die Krankenkassen rund 90 Millionen Franken kosten. «Dann müssten die Prämien um 0,3 Prozent aufschlagen», sagt Felder Zusammen mit den Kosten der zusätzlichen Arztbesuche durch das Virus kommt er auf einen Anstieg von 0,5 Prozent. «Das ist ein Achtel davon, was wir an Prämienanstieg sowieso zu erwarten haben.»