Schulden, Rückzahlungen, Anwaltskosten«Pierin Vincenz droht der Privatkonkurs»
Der Mega-Prozess gegen Pierin Vincenz steht an. Der Ex-Raiffeisen-Chef muss bei einem Schuldspruch zig Millionen zurückzahlen. Wenn er das Geld dafür nicht hat, wird er betrieben.
Darum gehts
Pierin Vincenz war der Star unter den Schweizer Bankern. Als langjähriger Chef der Raiffeisen wurde er laut Medienberichten mit insgesamt rund 40 Millionen Franken vergütet. Doch das war ihm wohl nicht genug. Ab Dienstag sitzt er auf der Anklagebank, weil ihm die Zürcher Staatsanwaltschaft neben einer Spesen-Affäre für Strip-Clubs, Frauen und Spassreisen auch Millionen-Betrug mit geheimen Deals vorwirft. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Bei einer Verurteilung drohen Vincenz bis zu sechs Jahre Knast und der Verlust von viel Geld. Er müsste die Gewinne aus den Deals in Höhe von fast neun Millionen Franken zurückzahlen, Gerichtskosten übernehmen sowie die Kosten der Untersuchung tragen, wobei allein die Gebühr für das Vorverfahren 120’000 Franken beträgt.
Hinzu kommt das Honorar für seinen Star-Anwalt Lorenz Erni. Dessen Stundenlohn dürfte sich laut Experten auf mindestens 600 bis 700 Franken pro Stunde belaufen. Nicht nur am Prozess steht Erni Vincenz zur Seite. Schon all die Jahre vorher vertrat er ihn in Rechtsangelegenheiten, es dürften darum insgesamt wohl Hunderte Stunden sein, die Erni für Vincenz arbeitete.
Starbanker mit Geldsorgen?
Die Staatsanwaltschaft bezifferte Vincenz’ Vermögen auf knapp 20 Millionen Franken. Diese Vermögenswerte – darunter Bargeld, 14 Konten sowie zwei Ferienhäuser, eine Ferienwohnung und sein Einfamilienhaus in Teufen AR – wurden von den Behörden beschlagnahmt oder gesperrt.
Doch schon jetzt soll der gefallene Banker Geldsorgen haben. So soll er etwa laut «CH Media» 6,5 Millionen Franken von Stadler-Chef Peter Spuhler und weitere 4,3 Millionen von Ex-FCSG-Präsident Dölf Früh geliehen haben. Weitere fast sechs Millionen soll er seinem mitangeklagten Geschäftspartner Beat Stocker schulden, wie dieser der «NZZ» sagte.
Vincenz soll das Geld noch immer schuldig sein. Deshalb versuche er nun, seine Liegenschaften zu verkaufen. Lukas Hässig, Journalist und Betreiber des Finanzblogs «Inside Paradeplatz», brachte den Fall Vincenz mit seinen Recherchen ins Rollen. Zu 20 Minuten sagt er: «Es sieht bezüglich seines Vermögens sehr schlecht aus. So wie es scheint, hat Vincenz mehr Schulden als Vermögen.»
«Vincenz sieht man immer wieder in den Ferien oder auf einem Boot»
Die Frage sei allerdings, wie pleite Vincenz tatsächlich ist. Von weitem betrachtet sehe es nicht so aus, als ginge es ihm so schlecht. Immer wieder werde er bei Ferienaufenthalten gesehen oder irgendwo auf einem Boot auf einem See, sagt Hässig.
So könnte Vincenz auch nach einer möglichen Verurteilung noch einem Luxusleben frönen. «Das ist natürlich moralisch anstössig, wenn jemand nach einer Verurteilung mit so viel finanziellem Schaden so davon kommt, dass er seinen Lebensstandard in keiner Art und Weise anpassen muss», sagt Ethikberaterin Dorothea Baur zu 20 Minuten.
Allerdings sei dies im Unterschied von Ethik und Recht begründet. «Das Recht kann nicht alles abbilden, was wir moralisch falsch finden. Das Strafmass spiegelt primär den Schaden wider, es soll keine Vergeltung sein», so Baur.
«Vielleicht hat er gar nichts mehr»
Wirtschaftsrechtsprofessor Peter V. Kunz stellt klar, dass es beim morgigen Prozess um das Strafrecht geht. Dabei wolle das Gericht feststellen, ob Vincenz ins Gefängnis muss oder nicht. Zudem wird festgelegt, wie viel Geld Vincenz dem Staat zahlen muss. Laut Anklageschrift sind das die rund neun Millionen Franken. «Dabei handelt es sich um eine Vermögensabschöpfung und kann auch als eine Art Busse angesehen werden», so Kunz.
Damit sollen auch die Gerichtskosten gedeckt werden. Sollte Vincenz schuldig gesprochen werden, dann heisst das laut Kunz aber nicht, dass Vincenz diese neun Millionen Franken zahlen kann. «Vielleicht hat er gar nichts mehr.» Wie es um sein Vermögen steht, sei unklar.
Auch Zivilprozess droht
Eine solche Millionen-Rechnung würde Vincenz aber erst viel später ins Haus flattern. Kunz rechnet mit einem definitiven Richterspruch erst in zwei bis drei Jahren. Ein Weiterzug bis ans Bundesgericht sei fast sicher. Erst dann müsste Vincenz bezahlen. «Sollte er für den Betrag nicht aufkommen, würde er wie jeder andere Mensch auch betrieben werden. Dann droht Vincenz der Privatkonkurs.»
Dieser droht auch, wenn Vincenz neben dem strafrechtlichen Verfahren ein Zivilprozess aufgebrummt wird. «Da ginge es um allfällige Schadenersatzklagen vonseiten Raiffeisen oder Aduno. Auch allfällige Rückforderungen von privaten Geldgebern wie etwa von Peter Spuhler würden im Zivilprozess beurteilt», so Kunz.
Auch hier drohen Vincenz Zahlungen von Millionen Franken. Ein solcher Zivilprozess findet aber völlig unabhängig vom Urteil im strafrechtlichen Prozess statt. Das heisst: «Sollte Vincenz im Strafprozess freigesprochen werden, könnte er immer noch zivilrechtlich verurteilt werden.»