Playboy, Hacker, Hochstapler

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«Kim Dotcom» am EndePlayboy, Hacker, Hochstapler

Wilde Partys, schöne Frauen, schnelle Autos: Die Filesharing-Seite Megaupload machte Kim Schmitz steinreich. Nach seiner Verhaftung drohen dem dicken Grossmaul 20 Jahre Knast.

von
Oliver Wietlisbach

Bei Mister Megaupload ist seit gestern nichts mehr mega. In der Nähe von Coatesville, Neuseeland, umstellten am Freitag um 7 Uhr in der Früh 76 Polizisten das 240 000 Quadratmeter grosse Anwesen von Kim Schmitz alias «Kim Dotcom». Grund der Aktion: Auf seiner Filesharing-Seite tauschten bis am Donnerstag täglich rund 50 Millionen Menschen Dateien aus - längst nicht alle davon waren legal.

Der 38-jährige deutsch-finnische Gründer des populären Filesharing-Portals Megaupload.com wurde mit drei Kumpanen im Panikraum seines Chrisco Mansion festgenommen, mit 30 Millionen US-Dollar eine der teuersten Immobilien des Landes. Hinter der Verhaftung stehen die USA, die Schmitz und seinen Hintermännern für einen Schaden von 500 Millionen Dollar verantwortlich machen.

Der Filesharing-Unternehmer leistete heftigen Widerstand. Die Polizisten mussten den Panikraum aufschneiden. Dort fanden sie ihn mit einer abgesägten Schrotflinte vor. Ein Neuseeland-Urlauber bekam die Razzia per Zufall vor seine Kameralinse. Seine Fotos zeigen, wie luxuriös der Mitbegründer des millionenschweren Filesharing-Imperiums residierte. Auf den Bildern ist zu sehen, wie rund 20 Edelkarossen im Wert von sechs Millionen Dollar, darunter ein Maserati, Rolls Royce und mehrere Mercedes Benz, beschlagnahmt werden.

Mit der Inhaftierung nimmt die bizarre Karriere des zwei Meter grossen und 150 Kilo schweren Möchtegern-Hackers, Playboys und Hochstaplers ihr jähes Ende. Bei einer Verurteilung könnte Schmitz für bis zu 20 Jahre hinter Gitter wandern.

Alleine im Jahr 2010 scheffelte Schmitz mit dubiosen Geschäften 42 Millionen Dollar. Der Lebemann soll an 16 Tauschbörsen beteiligt gewesen sein. Anscheinend kontrollierte er neben den 68 Prozent an Megaupload.com 100 Prozent an Megavideo.com und Megaporn.com. Die Polizei sperrte Konten mit Guthaben über elf Millionen Dollar.

Schöne Frauen, schnelle Autos

Der Playboy der Computerszene ist schlau wie ein Fuchs und hat ein Ego wie ein Musikstar. Seine Luxuswagen zierten Nummernschilder mit nicht gerade unauffälligen Bezeichnungen wie «CEO», «MAFIA» oder «HACKER». Aber auch eine Portion Selbstironie muss man Schmitz zugestehen. Der Partytiger und Download-Pirat drehte auch mal eine Runde mit Nummernschildern wie «STONED» oder «GUILTY».

Schmitz Schwäche für schöne Frauen und Boliden ist legendär: Er nahm an einem illegalen Autorennen teil und feierte abgefahrene Partys. Bei einem Kurztrip mit seiner 15-köpfigen Entourage zum Formel-1-Rennen nach Monaco soll er einen Hubschrauber gemietet haben, damit ein Kamerateam die Ferraris, mit denen sie die Autobahnen unsicher machten, filmen konnte.

Zu seinen Freunden, die auch im offiziellen Video zum Megaupload-Song auftraten, zählten bekannte US-Stars wie Alicia Keys, P. Diddy und Snoop Dogg. Zwischen all den Schönen und Reichen sieht man für wenige Sekunden einen übergewichtigen Deutschen in schwarzem Schlabberpullover: Kim Schmitz. Der «Mega Song» ist eine Lobeshymne auf den inzwischen von der US-Polizei dichtgemachten Filehoster Megaupload.

Ein Grossmaul macht Millionen

«Kim Dotcom», wie sich der selbsternannte Überhacker zuletzt nannte, war bereits in den 1990-Jahren Deutschlands Wunderkind der Dotcom-Branche. Er durfte bei Harald Schmidt auftreten und war aufgrund seines ausschweifenden Lebensstils der Darling der Medien.

Mit grossspurigen Ankündigungen hielt sich der Popstar der Tech-Szene im Gespräch. Noch bevor die Dotcom-Blase platzte, behauptete er, in die sichersten Computersysteme der Nasa und des Pentagons eindringen zu können und liess sich als genialer Hacker feiern. Auch eine Meldung, er habe das Kreditlimit des ehemaligen Bundeskanzlers von Deutschland, Helmut Kohl, mit einem Hack auf null gesetzt, zementierte sein Image als Überhacker. Beide Storys stellten sich später als falsch heraus.

Noch eine Episode aus dem Leben von Kim Schmitz gefällig? Nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 rief er eine eigene Anti-Terror-Truppe ins Leben und setzte zehn Millionen Dollar auf den Kopf Osama bin Ladens aus. Die von ihm gegründete Organisation «Young Intelligent Hackers Against Terrorism» konnte nie in die Computer der Taliban eindringen, wurde dafür selbst mehrfach zum Opfer von Hackern. Prahlen gehört zu Schmitz wie das Amen in die Kirche: «Ich bin klüger als Bill Gates. Ich werde einer der reichsten Männer der Welt», soll er einst gesagt haben.

Wegen Insiderhandel verurteilt

Seine Bauernschläue bewies Schmitz schon vor zehn Jahren, als er dem kriselnden Internethändler Letsbuyit.com 50 Millionen Euro versprach und damit für den grössten Tagesumsatz in der Geschichte der Frankfurter Börse gesorgt haben soll. So viel Geld hatte er nie besessen. Die Ankündigung liess den Kurs jedoch hochschnellen und der Hochstapler konnte seine Anteile gewinnbringend verkaufen.

Nach dieser Aktion setzte er sich nach Thailand ab. Dort kündigte Schmitz auf seiner Webseite seinen virtuellen Tod an. An seinem 28. Geburtstag wollte er live im Internet sterben und sein altes Leben hinter sich lassen. «Kim Kimble The First - Ruler of the Kimpire» sollte man ihn fortan nennen. Kurz darauf wurde er in einem Hotel in Bangkok gefasst und 2002 in Deutschland wegen Insiderhandels zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Danach wurde es ruhig um «Dr. Kimble», bis das Tech-Portal gulli.com 2007 nachweisen konnte, dass die zentrale Figur hinter dem Filesharing-Portal Megaupload.com niemand anderes als Kim Schmitz ist.

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