Politiker brechen Wahlversprechen

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GrossratPolitiker brechen Wahlversprechen

Nur 18 statt 110 Stimmen: Trotz Wahlversprechen auf Smartvote stimmten 61 Grossräte gegen eine schrittweise Trennung von Kirche und Staat.

Annina Häusli
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Annina Häusli
Im Grossen Rat wurde über die schrittweise Trennung von Kirche und Staat abgestimmt. 61 Politiker haben dabei entgegen ihren Antworten auf Smartvote den Antrag abgelehnt.
Michael Köpfli (GLP Bern) ist enttäuscht über das Ergebnis der Abstimmung. Unter anderem die folgenden Politker haben anders gestimmt als auf Smartvote angegeben.
Ursula Brunner, SP Bern
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Im Grossen Rat wurde über die schrittweise Trennung von Kirche und Staat abgestimmt. 61 Politiker haben dabei entgegen ihren Antworten auf Smartvote den Antrag abgelehnt.

Keystone/Peter Schneider

In den Debatten über die Verhältnis von Kirche und Staat wurde im Grossen Rat viel und lange diskutiert. Das Ergebnis: Die Löhne der Pfarrer werden zwar nicht mehr direkt vom Staat bezahlt, doch Unternehmen müssen weiterhin eine Kirchensteuer bezahlen und auch bei der Anerkennung weiterer Glaubensgemeinschaften ändert sich nichts.

Michael Köpfli von der glp stösst aber noch etwas anderes sauer auf. Sein Antrag, Kirche und Statt schrittweise zu trennen, wurde von seinen Amtskollegen abgeschmettert. Jedoch haben sich auf Smartvote 110 der Grossräte für oder eher für die Trennung von Kirche und Staat ausgesprochen.

Nicht nur schwarz und weiss

Von diesen 110 Grossräten haben nur 18 dem Antrag von Köpfli zugestimmt, 2 haben sich enthalten, 29 waren abwesend und 61 Politiker haben ihn abgelehnt. «Ich bin schwer enttäuscht», sagt Köpfli zum Abstimmungsresultat. «Die Politiker haben so ein Wahlversprechen gebrochen. Das kann der Glaubwürdigkeit der Politik schaden», so Köpfli weiter.

Auf Nachfrage tönt es bei den kontaktierten Politikern aus allen Lagern ähnlich. «Grundsätzlich bin ich für eine Trennung von Kirche und Staat», so Ursula Brunner von der SP. Es sei eine schwierige Entscheidung gewesen, schliesslich habe für sie aber das Wie nicht gepasst. Dass sie damit ein Wahlversprechen gebrochen habe, sei ihr bewusst, man könne aber nicht immer alles nur schwarz und weiss sehen, sagt Brunner.

Auch ein Parteikollege von Köpfli hat als Einziger in der Fraktion den Antrag abgelehnt. Christoph Grimm gibt zu, in dieser Frage etwas konservativer als der Rest seiner Partei zu sein. «Ich bin für eine Trennung von Kirche und Staat, jedoch nicht vollständig», erklärt sich der Grossrat. Deshalb sei er auf Smartvote auch nur «eher für» eine Trennung von Kirche und Staat.

Differenz zwischen abstrakt und konkret

Andrea Gschwend-Pieren (SVP) erklärt, dass sie die Fragen auf Smartvote nach ihrem Grundsatzprinzip «So wenig Staat wie möglich, so viel Staat wie nötig», ausgefüllt habe. Während der Vorbereitung auf die Debatte habe sie sich vertieft mit der komplexen Thematik des Verhältnisses von Kirche und Staat beschäftigt, und sei zu dem Schluss gekommen, dass es am besten beim Status quo bliebe. Vor einem Verlust von Wählerstimmen hat sie keine Angst: «Meine Wähler kennen mich und meine Linie, und die hat und wird sich nicht verändern.»

Bei der FDP erklärt sich Peter Sommer: «Mein Smartvote-Profil ist wohl nicht mehr ganz aktuell», gibt er zu. Auch er ist grundsätzlich nach wie vor für eine Trennung von Kirche und Staat, «der Vorschlag von Köpfli war mir aber zu offensiv», sagt Sommer.

Politologe Georg Lutz von der Universität Lausanne ist vom Abstimmungsresultat nicht überrascht. «Es gibt immer eine Differenz zwischen einer abstrakten Grundsatzfrage und der konkreten Abstimmung», so der Experte. Ähnliches habe man auch schon bei anderen Abstimmungen sehen können. Trotzdem sei Smartvote ein gutes Instrument, um den Leuten bei Abstimmungen zu helfen. «Was der einzelne Wähler dann mit dem Resultat anfängt, ist jedem selbst überlassen.», so Lutz.

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