Politiker stehen wegen SVP-Initiative kopf

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Durchsetzungs-VorlagePolitiker stehen wegen SVP-Initiative kopf

Mit scharfen Worten und einer Social-Media-Aktion haben die Gegner ihre Kampagne gegen die Durchsetzungsinitiative lanciert. Die SVP zeigt sich unbeeindruckt.

J. Büchi
von
J. Büchi

Auf dem Politparkett geht es derzeit alles andere als besinnlich zu und her. Grund dafür ist die Durchsetzungsinitiative der SVP. Noch vor den Festtagen haben die Gegner ihren Abstimmungskampf wort- und gestenreich lanciert.

Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (SP) geisselte das Volksbegehren am Dienstag an einer Medienkonferenz als «unmenschlich». Es breche «die Regeln der Demokratie» und degradiere einen Teil der Bevölkerung zu «Menschen zweiter Klasse». Hans-Jürg Käser (FDP), Präsident der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren, warnte gar vor einem «Chaos», sollte die Initiative am 28. Februar angenommen werden. Und auf Social Media plädieren Dutzende Personen unter dem Hashtag «#HandstandFürDenAnstand» für eine Ablehnung der Initiative.

SVP will Automatismus

Die SVP konterte umgehend per Medienmitteilung: Es sei «selbstverständlich, dass schwer kriminelle Ausländer, Sozialhilfebetrüger und notorische Wiederholungstäter das Land zu verlassen haben». Das Volk habe dies bereits 2010 mit der Annahme der Ausschaffungsinitiative beschlossen. Die Partei hat die Durchsetzungsinitiative lanciert, weil sie mit der Umsetzung des Ausschaffungsartikels nicht zufrieden ist. Sie stört sich insbesondere an der vom Parlament beschlossenen Härtefallklausel, die es Gerichten erlaubt, in Ausnahmefällen auf die Ausschaffung von kriminellen Ausländern zu verzichten.

Die neue Initiative soll die automatische Ausschaffung nun in der Verfassung festschreiben. Folgende Streitpunkte zeichnen sich ab:

Verhältnismässigkeit:

Neben dem Wegfall der Härtefallklausel stösst den Gegnern ein weiterer Punkt sauer auf. In der Durchsetzungsinitiative wurde der Katalog der Straftaten, bei denen eine Ausschaffung droht, erweitert. Nicht nur verurteilte Mörder und Vergewaltiger sollen in ihre Heimatländer ausgewiesen werden. Auch kleinere Vergehen wie Hausfriedensbruch mit Sachbeschädigung sollen künftig zur Ausschaffung führen, wenn es sich um die zweite Verurteilung innert zehn Jahren handelt. Flavia Kleiner, Leiterin der NGO-Gegenkampagne, sagt: «Es ist zwingend, dass jeder Fall einzeln angeschaut wird und nicht jemand wegen eines Bagatelldelikts in ein Land ausgeschafft wird, dessen Sprache er nicht einmal beherrscht. Schliesslich ist die Schweiz keine Diktatur.» Heinz Brand, Migrationsspezialist der SVP, erwidert: «Wiederholter Hausfriedensbruch in Verbindung mit anderen Tatbeständen ist keine Bagatelle.» Wenn sich jemand mehrmals einer solchen Straftat schuldig mache, sei dies ein grundlegender Beweis dafür, dass er sich nicht an unsere geltende Rechtsordnung halten wolle. «Das müssen wir nicht dulden, weil es Ruhe und Ordnung abträglich ist.»

Personenfreizügigkeit:

Automatische Ausschaffungen könnten laut Bundesrätin Simonetta Sommaruga das Freizügigkeitsabkommen mit der EU verletzen. Dadurch drohe das Verhältnis mit Brüssel weiter belastet zu werden. Brand sagt: «Das eine hat mit dem andern nichts zu tun.» Das Personenfreizügigkeitsabkommen sehe explizit die Möglichkeit einer Ausschaffung von Personen vor, die beispielsweise die öffentliche Ordnung gefährdeten.

Gewaltenteilung:

Laut Initiativtext müsste das Volksbegehren nach einer Annahme sofort angewandt werden, ohne dass das Parlament – wie üblich – ein Gesetz dazu erarbeiten könnte. Zudem würde durch den Automatismus der Spielraum der Gerichte eingeschränkt. Die Initiative breche dadurch demokratische Grundregeln, so Kleiner. «Der Richter als Automat? So etwas gibt es sonst nur in der Scharia.» Brand sieht hingegen keine Verletzung der Gewaltenteilung. «Das Volk fällt seinen Entscheid einfach auf oberster Stufe, sodass gar kein Gesetz mehr nötig ist.» Zudem habe man bei der Ausschaffungsinitiative gesehen, welches die Folgen sind, wenn das Parlament mit der Umsetzung betraut ist «und diese eigentlich gar nicht will».

Wäre vor einem Monat abgestimmt worden, wäre die Initiative laut einer GFS-Umfrage deutlich angenommen worden. Zwei Drittel der Befragten gaben an, dass sie das Volksbegehren sicher oder eher annehmen wollen.

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