VerhütungsmittelPolitikerinnen von links bis rechts wollen Gratis-Pille für junge Frauen
In Frankreich bekommen unter 25-Jährige Verhütungsmittel kostenlos. Auch im Nationalrat ist die Forderung pendent, eingereicht von Samira Marti (SP).
Darum gehts
Seit dem 1. Januar 2022 bekommen unter 25-jährige Frauen in Frankreich hormonbasierte Verhütungsmittel von der Krankenkasse vergütet. Das gilt etwa für Pille, Spirale oder Diaphragma. Bisher wurden diese in Frankreich an unter 18-Jährige kostenlos abgegeben.
Auch in der Schweiz wollen Politikerinnen, dass Verhütungsmittel gratis sind. Ein halbes Dutzend Vorstösse dazu wurden in den letzten Jahren vom Parlament behandelt. Der jüngste stammt von der Baselbieter SP-Nationalrätin Samira Marti und wurde im Sommer 2021 vom Nationalrat mit 120 zu 65 Stimmen abgelehnt.
Die bürgerliche Ratsmehrheit aus SVP, FDP, Mitte und Grünliberale hat fast geschlossen dagegen gestimmt; SP und Grüne dafür. Auch der Bundesrat lehnt das Anliegen ab: Verhütungsmittel dienten «weder der Prävention oder Behandlung einer Krankheit» noch stellten sie eine Leistung bei Mutterschaft dar, schrieb er in der Motionsantwort. Deshalb könnten die Kosten nicht in den Katalog der von den Krankenkassen vergüteten Leistungen aufgenommen werden.
«Ein grosses Thema bei den Jungen»
Samira Marti wird einen weiteren Vorstoss einreichen, wie sie auf Anfrage von 20 Minuten sagt. Sie höre von jungen Menschen immer wieder, dass die Verhütungskosten ein Thema seien. Da der Bundesrat und die Parlamentsmehrheit eine Finanzierung über die Krankenkasse ablehnen, schlage sie eine kostenlose Abgabe ohne Einbezug der Krankenkasse vor. Junge sollen Verhütungsmittel gratis bekommen, ohne Selbstbehalt und Franchise.
In Frankreich hat sich laut Gesundheitsminister Olivier Véran gezeigt, dass immer mehr junge Frauen aus finanziellen Gründen auf Verhütung verzichten. Dies und die Quote der Schwangerschaftsabbrüche, die zwischen 2012 und 2018 durch die Gratis-Abgabe von Verhütungsmitteln an unter 18-Jährige von 9,5 auf sechs pro 1000 Frauen gesunken ist, haben die Behörden bewogen, die Gratis-Abgabe auszudehnen.
Weniger Schwangerschaftsabbrüche
Schwangerschaftsabbrüche sind auch in der Schweiz wieder ein Thema, nachdem im Dezember zwei Volksinitiativen lanciert wurden mit dem Ziel, die Zahl der Abbrüche zu senken. Eine der Initiantinnen, SVP-Nationalrätin Yvette Estermann, könnte sich eine kostenlose Abgabe von Verhütungsmitteln unter gewissen Umständen vorstellen, wie sie auf Anfrage sagt: «Wenn Untersuchungen zeigen, dass die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche damit tatsächlich sinkt, dann wäre ich dafür. Dazu bräuchte es Pilotprojekte in einem begrenzten und gut überwachten Rahmen.»
Grundsätzlich habe sie Vorbehalte gegenüber der Forderung. «Junge haben Geld für so vieles – Handy, Kleider, warum nicht auch für Verhütung?» Ebenfalls zweifle sie am verantwortungsvollen Umgang von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit der Sexualität. «Trotz Verhütung kann es ungewollte Schwangerschaften geben. Es braucht deshalb ein Verantwortungsbewusstsein, das muss schon an der Schule thematisiert werden.»
Estermann wäre in ihrer Fraktion nicht allein, wenn sie auf die Seite der Befürworterinnen wechseln würde – auch die Genfer SVP-Nationalrätin Céline Amaudruz hat im Sommer für den Vorstoss von Samira Marti gestimmt.
GLP-Nationalrätin Melanie Mettler hat sich der Stimme enthalten. Zwar sei sie durchaus der Ansicht, dass Verhütung Teil der allgemeinen Grundversorgung sei, sagt sie auf Anfrage von 20 Minuten. Doch hormonelle Verhütungsmittel wie die Pille sollten gegenüber anderen wie Kondomen nicht bevorzugt werden. Sie begrüsse es, dass diese Debatte weitergeführt wird. «Es wäre wichtig, die Gesundheitsaspekte der Sexualität zu entmoralisieren», sagt Mettler.