Proteste in Liestal BL und BernPolizei bekommt Schelte für Umgang mit Demonstranten
Klima-Aktivisten einer unbewilligten Demo wurden angezeigt, maskenlose Demo-Teilnehmer blieben verschont: Das Vorgehen der Polizei gegenüber renitenten Demonstranten sorgt für Aufregung.
Darum gehts
Massnahmen-Skeptiker, die ohne Maske demonstrierten, liess die Polizei gewähren.
Bei einem Protest von Klima-Aktivisten mit zu vielen Personen gab es dagegen Verzeigungen.
Kritische Reaktionen halten das für ungerecht.
Auch Nationalräte prangern das Vorgehen an.
Um die Maskenpflicht scherten sich die Teilnehmer der Demonstration gegen die Corona-Massnahmen kaum. Die wenigsten der rund 6000 Protestierenden trugen eine Maske, als sie am Samstag durch Liestal BL marschierten. Damit verstiessen sie gegen die gesetzliche Maskenpflicht, die für Kundgebungen gilt.
Friedlich lief der bewilligte Protest nicht ab. Bei einem tätlichen Angriff wurde eine Person verletzt und musste ins Spital gebracht werden. Auch attackieren die Massnahmen-Skeptiker Passanten. Er sei am Bahnhof als Schafseckel bezeichnet worden, weil er eine Maske getragen habe, twitterte etwa Lukas Ott, Leiter der Basler Kantons- und Stadtentwicklung. Ausser für zwölf angehaltene Personen hatte das Verhalten aber keine Konsequenzen.
«Warum schreitet die Polizei nicht ein?»
Härter griff die Polizei hingegen bei den bewilligten Sitzstreiks von Klima-Aktivisten am Freitag in Bern durch. Da die Protestierenden gegen die 15-Personen-Regel im Freien verstiessen und dies nicht bewilligt war, führte die Kantonspolizei Bern Kontrollen durch: 180 der rund 200 Kontrollierten auf dem Waisenhausplatz wurden angezeigt.
Auf Social Media verstehen viele User die Welt nicht mehr. Sie kritisieren, dass die Polizei bei den Massnahmen-Skeptikern nicht eingeschritten sei, während sie die Klimaaktivisten hart angepackt habe.
«Erwartete Bussen und Strafanzeigen»
Politiker der Sicherheits- und der Rechtskommission kritisieren das Vorgehen der Polizei in Liestal. SP-Nationalrätin Franziska Roth fordert ein einheitliches Vorgehen. «Der föderalistische Ansatz der Polizeien ist bei Demos in Coronazeiten fragwürdig», sagt sie. Die Polizeikommandanten schweizweit sollten das Vorgehen absprechen.
Das Kopfschütteln der Bevölkerung könne sie gut verstehen, sagt Roth. «Ich fand es stossend, dass die Polizei in Liestal die Demonstranten so gewähren liess. Behörden und Polizei machen keine gute Falle.» Die Berner Polizei habe 200 sitzende Personen kontrolliert. «An der Demo mit 6000 Personen in Liestal durften Maskenlose hingegen ungestört im Gewimmel mitlaufen.» Sie habe jedoch Bussen und sogar Strafanzeigen erwartet. Der Basler Landrat müsse die Hintergründe für das grosszügige Vorgehen der Polizei aufarbeiten. «Die verweigerte Maskenpflicht darf in einer Pandemie nicht auf Akzeptanz treffen.»
Gleiche Gesetze für alle gefordert
Auch Andrea Geissbühler, SVP-Nationalrätin und ehemalige Polizistin, sagt: «Ob Klimademonstrierende, linke Antifa-Aktivisten oder Massnahmen-Skeptiker – wer an einer illegalen Kundgebung teilnimmt, also sich nicht an das Gesetz hält, muss gebüsst werden.»
Ihren Feststellungen zufolge durfte die Polizei in den letzten Jahren bei den von linker Seite organisierten «Abendspaziergängen» und unbewilligten Kundgebungen mit grossen Sachbeschädigungen oft nicht eingreifen. «Dies, obschon bekannt ist, dass bei gewaltbereiten Demonstrierenden die vielgepriesene Deeskalation nicht funktioniert.»
Erstaunlich sei der ausbleibende Aufschrei, wenn sich linke Demonstranten nicht an das Gesetz hielten und nicht zur Rechenschaft gezogen würden, so Geissbühler. «Es wäre nichts als normal, wenn in einem Rechtsstaat die Gesetze für alle gleichermassen gelten würden.»
Polizei setzte Priorität auf ruhigen Ablauf
Der Kantonspolizei Basel-Landschaft ist die Aufregung rund um die Demo in Liestal bewusst. Man verstehe den Unmut der Bevölkerung, wenn mitten in einer Pandemie Menschen ohne Masken und ohne Abstand durch die Strassen zögen, sagt Roland Walter, Mediensprecher der Kapo Basel-Landschaft. Sie hätten diesbezüglich ausserordentlich viele Rückmeldungen aus der Bevölkerung erhalten.
«Unsere Priorität war es, dass die Veranstaltung ruhig abläuft und nicht eskaliert», sagt Walter. Eine Intervention berge immer das Risiko einer Eskalation, womit niemandem gedient sei, wenn die Demonstrierenden schon da seien. «Man muss eine Güterabwägung vornehmen und sich fragen, ob es das nun wert ist, vereinzelte herauszupicken und mit hundert Franken zu büssen.» Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) war am Sonntag für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
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