Polizei zwängt Demonstranten in Transporter

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Massendemo in MinskPolizei zwängt Demonstranten in Transporter

Trotz eines Aufmarschs von Soldaten mit Sturmgewehren haben Zehntausende in Belarus erneut den Rücktritt von Staatschef Alexander Lukaschenko gefordert. Die Einsatzkräfte nahmen zahlreiche Menschen fest.

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Mit Gewalt zwängten am 20. September Polizisten viele Demonstranten in Gefangenentransporter.
Zehntausende forderten den sechsten Sonntag in Serie den Rücktritt von Staatschef Alexander Lukaschenko.
Beobachter sprachen von mehr als 50’000 Teilnehmern.
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Mit Gewalt zwängten am 20. September Polizisten viele Demonstranten in Gefangenentransporter.

KEYSTONE

Darum gehts

  • Am Sonntag fand in Belarus erneut eine Sonntagsdemonstration gegen Lukaschenko statt.
  • Vor der Demo hatten Sicherheitskräfte in Minsk damit begonnen, grosse Plätze abzuriegeln.
  • Trotz friedlicher Kundgebung nahm die Polizei viele Demonstranten fest.

In Belarus (Weissrussland) haben Uniformierte mit Sturmhauben bei der sechstem Sonntagsdemonstration in Folge mit der Festnahme von Gegnern des Präsidenten Alexander Lukaschenko begonnen. Die Einsatzkräfte fassten am Sonntag im Zentrum der Hauptstadt Minsk viele friedliche Demonstranten und zwängten sie in Gefangenentransporter. Es waren Hundertschaften von Polizei und Armee im Einsatz, um einen neuen Massenprotest gegen «Europas letzten Diktator», wie Gegner Lukaschenko nennen, zu verhindern.

Die Menschen strömten zu Fuss aus verschiedenen Richtungen ins Zentrum. Am Palast der Republik standen mit Sturmgewehren bewaffnete Soldaten in Kampfuniformen, wie ein Korrespondent der Deutschen Presse-Agentur vor Ort berichtete. Auch in Seitenstrassen des Prospekts der Unabhängigkeit bezogen Truppen der Miliz, wie sie in Belarus heisst, und des Militärs Stellung. Das stärkste Aufgebot an Einsatzkräften gab es wie an den vorherigen Sonntagen am Präsidentenpalast.

Internet abgestellt

Der 66 Jahre alte Lukaschenko hatte sich dort zuletzt auch zweimal mit Kalaschnikow gezeigt, um eine Erstürmung des Palastes zu verhindern. Die Proteste sind allerdings stets friedlich. Die Behörden sperrten am Sonntag Metrostationen in der Innenstadt, um einen Zustrom von Menschen zu verhindern. Auch das mobile Internet funktionierte nicht. Trotz dieser Einschränkungen und Drohkulisse hatten sich nach Einschätzung von Beobachtern allein am vergangenen Sonntag 150’000 Menschen in der Stadt versammelt.

Auch in anderen Städten kam es nun erneut zu Protesten gegen Lukaschenko, darunter in Grodno, Gomel, Witebsk und Chodino. «Es lohnt sich, um die Freiheit zu kämpfen. Habt keine Angst, frei zu sein!», liess die inhaftierte Oppositionsführerin Maria Kolesnikowa mitteilen. Sie hatte die Proteste gegen Lukaschenko mit angeführt, bevor sie vor zwei Wochen entführt worden war und dann in Haft kam. Der 38-Jährigen drohen bis zu fünf Jahre Haft wegen Gefährdung der nationalen Sicherheit. Kolesnikowa wies dies als absurd zurück. Sie meinte aber, dass sie nichts bereue und alles wieder so tun würde.

Seit der Präsidentenwahl am 9. August kommt es in Belarus täglich zu Protesten. Lukaschenko hatte sich mit 80,1 Prozent der Stimmen nach 26 Jahren im Amt zum Wahlsieger erklären lassen. Die Opposition hält dagegen Tichanowskaja für die wahre Siegerin.

300 Festnahmen am Samstag

Bei einer Protestaktion von Frauen am Samstag hat es nach Angaben von Menschenrechtlern mehr als 300 Festnahmen gegeben. Das Bürgerrechtsportal spring96.org veröffentlichte die Namen von 314 Frauen, die bei der Aktion in der Hauptstadt Minsk in Gewahrsam kamen.

Als die Uniformierten zugriffen, schrien die Frauen laut und riefen «Posor!» («Schande!»). Auch die 73 Jahre alte Nina Baginskaja, eine Veteranin der Protestbewegung und eine seit ihrem Kampf gegen die Kommunisten zu Sowjetzeiten bekannte Dissidentin, wurde in einen Transporter gezwungen.

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