Im Netz gesurft – ungefragt Denner-Werbung im Briefkasten

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Post verdient mitIm Netz gesurft – ungefragt Denner-Werbung im Briefkasten

Wer im Internet Werbeclips anschaut, kann kurz darauf Werbung im Briefkasten haben. Auch die Post verdient damit Geld – und erntet dafür Kritik.

Ein Abstimmungsflyer in einem Briefkasten in Bern.
Foto: 20min/Simon Glauser
Denner hat im Herbst nach einer Online-Werbekampagne tausenden potenziellen Kunden per Post eine personalisierte Rabattkarte geschickt.
Post und Postfinance Logo am SBB Bahnhof in Bern. Die Adressen dafür erhielt die Werbeagentur von der Post, nachdem sie dieser Persönlichkeitsprofile der User gegeben hatte, welche online die Denner-Werbung gesehen hatten.
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Ein Abstimmungsflyer in einem Briefkasten in Bern. Foto: 20min/Simon Glauser

20min/Simon Glauser

Darum gehts

  • Eine Werbeagentur hat mit der Post zusammengespannt, um persönlich adressierte Rabattkarten zu verschicken.

  • Die Denner-Werbung erhielt, wer sich zuvor einen Denner-Werbeclip angesehen hat – ohne, dass er je seine Adresse angegeben hätte.

  • Dass die Post bei diesem Geschäft mitmischt, bringt ihr Kritik vom Konsumentenschutz und vom Datenschutzbeauftragten ein.

Der Detailhändler Denner warb vor einiger Zeit im Netz mit einem Video für frisches Gemüse. Viele, die sich die Werbung anschauten, hatten kurz darauf eine Rabattkarte für Früchte und Gemüse von Denner im Briefkasten. Dabei hatten sie beim Besuch der Webseite nie ihre Adresse oder andere Daten angegeben. Recherchen des Konsumentenmagazins «K-Tipp» (kostenpflichtig) zeigen, wie diese Art von Werbung möglich ist.

Werbeagentur erstellt Online-Profile der User

Der Trick: Wer sich im Internet bewegt, hinterlässt Spuren. Die Werbeagentur Converto trackte anonym, wer auf den Seiten surft, auf denen die Denner-Werbung aufgeschaltet war. Diese Daten erhebt eine Website über sogenannte Cookies. Converto fügt weitere Daten über das Surfverhalten hinzu und erstellte so für die User, welche die Werbung gesehen hatten, anonymisierte Profile.

Post spricht von «märchenhaftem Erfolg»

Die mit den Daten von Converto erstellten Profile wurden mit der Adressdatenbank eines externen Anbieters abgeglichen. So konnten 225’000 Internetnutzer identifiziert und ihre Profile den Postadressen zugeordnet werden. Davon filterte Converto 168’700 Profile heraus, die näher als fünf Kilometer vom nächsten Denner entfernt wohnen. Hier kam die Post ins Spiel, die an dieser Art von Geschäft ebenfalls mitverdient: Sie glich die Daten mit ihrer eigenen Datenbank ab, verifizierte die Postadressen und organisierte Druck und Versand der Rabattkarten. 23’000 Personen wurden letztlich als potenzielle Gemüse-Käufer im Denner erkannt und erhielten automatisch die Rabattkarte zugeschickt.

Die Post preist die Denner-Kampagne in einer Werbebroschüre als «märchenhaften Erfolg»: Dreimal mehr Konsumenten als üblich hätten den Rabattgutschein eingelöst. Und auch die Post verdient mit dem Geschäftsmodell offenbar viel Geld: Für 200’000 Adressen verlangt sie gemäss einer Offerte, die der K-Tipp bei Converto eingeholt hatte, 90’000 Franken.

Datenschützer interveniert

Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz, kritisiert das Vorgehen der Post scharf. «Das geht nicht für einen Bundesbetrieb», sagt sie. Das Geschäft sei für die meisten Konsumenten intransparent und die Adressvergabe so sicher nicht gewollt. «Nachdem sich die Post von der Briefkastenwerbung verabschiedet hat, ist diese heimliche Weiterentwicklung einem Staatsbetrieb unwürdig, vielleicht sogar gesetzeswidrig.» Sie fordert, dass die Konsumenten die Option haben, zuzustimmen.

Das Geschäftsmodell beschäftigt nun auch den Eidgenössischen Datenbeauftragten. Auch er übt Kritik: «Wer das Video betrachtet, muss offen und fair darüber informiert werden, dass seine Personendaten erfasst und schliesslich für Werbezwecke verwendet werden», sagte er dem Konsumentenmagazin. Das Vorgehen von Post, Werbeagentur und Denner sei nicht transparent gewesen, die Einwilligung die Kunden ohne ausführliche Information nicht gültig. Der Datenschutzbeauftragte habe Kontakt mit der Post aufgenommen. Nun soll geklärt werden, welche Datenbearbeitungen bei der Post, der Werbeagentur und bei Denner erfolgt seien.

Post und Agentur weisen Kritik von sich

Die Post betont, dass sie bei der Coverto-Kampagne für Denner keine Adressdaten weitergegeben habe. «Das dürfen wir nicht und machen es auch nicht», sagt Post-Sprecher Erich Goetschi. Converto beziehe die Adressstammdaten von externen Adress-Daten. Die Post dürfe aber Adressdaten mit ihrer Datenbank abgleichen und verifizieren. «Das haben wir auch in diesem Fall gemacht», sagte Goetschi gegenüber dem K-Tipp.

Die Post diene als «Schnittstelle zwischen der digitalen und der physischen Welt». Wie viel Geld die Post dafür erhalten hat, sagt Goetschi nicht. Das Einholen des ausdrücklichen Einverständnisses beim Kunden liege in diesem Fall nicht bei der Post.

Auch Andy Bartneck von Converto versichert: «Alle Daten, die wir für die anonymisierten Profile verwendet haben, können komplett legal über private Adresshändler beschafft werden.» Den Untersuchungen des Datenschützers sieht die Werbefirma gelassen entgegen. «Wir haben immer gemäss den Schweizer Datenschutzregulierungen gehandelt.»

So schützen Sie sich

Wer nicht ungefragt Werbung im Briefkasten haben will, kann sich dagegen schützen. «Jede Person hat das Recht, von einem Unternehmen auf Wunsch informiert zu werden, welche Daten es über sie speichert. Man kann die Löschung dieser Daten jederzeit verlangen», schreibt der K-Tipp. Am besten tue man dies bei der Post per eingeschriebenem Brief.

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