Pressekonferenz: Bundesrat kann neu jederzeit Maskenpflicht im ÖV verordnen

Livetickeraktualisiert am Donnerstag, 30. November, 2023

PressekonferenzBundesrat kann neu jederzeit Maskenpflicht im ÖV verordnen

Der Bundesrat hat Lehren aus der Coronakrise gezogen und will das Epidemiengesetz anpassen. Künftig soll so Gesundheitskrisen besser bewältigt werden. Die Pressekonferenz live.

Der Bundesrat kann neu jederzeit eine Maskenpflicht im ÖV anordnen.

Nicole Philipp/Tamedia AG

Das Wichtigste in Kürze:

  • Der Bundesrat passt das Epidemiengesetz an, um künftig besser gegen Pandemien gewappnet zu sein.

  • Insbesondere die Überwachung soll verstärkt und das Eskalationsmodell (normale Lage, besondere Lage, ausserordentliche Lage) optimiert werden.

  • Der Bundesrat will ausserdem stärker gegen Antibiotikaresistenzen und Infektionen, die Patientinnen und Patienten im Rahmen einer medizinischen Behandlung, also etwas im Spital einfangen, kämpfen.

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Mittwoch, 29.11.2023

Impfpflicht

Gibt es Regelungen zur Impfpflicht im Gesetz, gegen die es eine Initiative gibt?

Berset: «Zur Initiative gibt es viele Fragen. Aber soviel ich weiss, kommt die Initiative gegen die Impfpflicht zur Abstimmung. Sie erinnern sich vielleicht an die Diskussion 2013 über das Epidemiengesetz, da haben wir entschieden, und das sehr klar, dass es keinen Impfzwang gibt. Es gibt auch im neuen Gesetz keinen Impfzwang. Die Abstimmung wird wohl deutlich, bevor das neue Gesetz verankert wird, stattfinden.»

Berset führt weiter aus, wie die Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen besser geregelt werden sollen.

«Problematisch war nicht der Wechsel von einer Phase auf die andere, sondern die Umsetzung der Kompetenzen während einer Phase. Es ist stark davon abhängig, wie die Kantone reagieren, welche politischen Meinungen es in den Kantonsregierungen gibt. Aber mit der höheren Kohärenz zwischen dem Plan des Bundes und den Plänen der Kantone sollte das besser gehen. Aber man kann nicht alles erwarten von einem Gesetz. Es braucht auch eine Regierung, Ermessensspielraum und menschliche Kontakte.»

Oder anders gesagt: «Auch in einer zukünftigen Pandemie bleibt alles sehr schwierig.»

Notfall-Betten

Wieso haben Sie keine fixen Schwellenwerte eingeführt? So und so viele freie Betten in den Notfallstationen heisst diese Lage beispielsweise?

Berset: «Weil wir hier nicht das Covid-Gesetz neu machen, sondern das Epidemiengesetz. Es können auch ganz andere Faktoren wichtig werden. Es könnte ein komplett anderes Virus kommen, niemand sagt uns, dass in der nächsten Pandemie die Anzahl Betten noch wichtig sein wird. Wir haben die Erfahrungen aus dem Covid-19-Gesetz mitgenommen. Aber wir können uns nicht einfach auf eine nächste Corona-Pandemie versteifen mit diesem Gesetz.»

Corona-Vergleich

Was würde mit dem neuen Gesetz anders laufen als im Herbst 2020?

Berset: «Das ist schwierig zu sagen. Als wir mit dieser raschen starken Entwicklung konfrontiert waren, haben wir gesehen, dass die Kantone sehr unterschiedlich reagiert haben. Und es gab eine gewisse Resistenz, einige haben einfach erwartet, dass der Bundesrat weiter alles macht. Wir wollten das Gegenteil, dass nach dem ersten Schock und der klaren Übernahme durch den Bund in der ausserordentlichen Lage die Kantone wieder mehr Verantwortung übernehmen.»

Berset mach dann einen Vergleich zur spanischen Grippe: Hundert Jahre danach habe man einfach alles wieder vergessen. Das drohe auch hier.

Flickenteppich

Wie soll ein Flickenteppich in den Kantonen verhindert werden?

Berset: «Man kann mit einem Gesetz nicht alles im Detail regeln. Aber das Gesetz sollte helfen, dass man die Vorbereitung besser und ruhiger machen kann. Wir müssen aber immer im Hinterkopf behalten: Es kann auch ganz anders kommen als während Corona.»

Maskenpflicht

Der Bundesrat hat auch in der normalen Lage neu weitere Kompetenzen. Könnte er eine Maskenpflicht im ÖV schon in der normalen Lage anordnen?

Anne Lévy: «Ja, es geht um genau solche Massnahmen. Es kann auch sein, dass für einen Kanton die Lage schwieriger ist. So sollen kantonale Unterschiede besser aufgefangen werden.»

Verschiedene Lagen

Was ist präziser geworden beim Übergang von einer in die andere Lage?

Berset: «Die Verteilung der Kompetenzen ist klar, das war es auch in den Übungen. Wir haben jetzt aber gemerkt, dass beim Schritt von der normalen in die besondere Lage, dass das ein Schock für alle war. Es geht jetzt darum, eine bessere Vorbereitung zu haben. Bis ins Detail können wir das nicht präzisieren, aber wir haben die Schritte konkretisiert.»

Anne Lévy ergänzt: «Es wird eine quasi neue Lage geben. Die Vorbereitungsphase in die besondere Lage. Damit soll dieser Schock abgefedert werden, indem man einen Zwischenschritt einschiebt.»

Zertifikat

Das Covid-Zertifikat wird also ein Mittel im Kampf gegen Pandemien bleiben?

Berset: Es wird sicher eine Möglichkeit bleiben, um das einzusetzen, etwa für das Reisen. Hier müsse man schnell reagieren können.

Taskforce

Wird eine künftige Taskforce durch das Gesetz geregelt?

Anne Lévy: «Das ist eine Frage, die auf Stufe Bund bei der Vorbereitung auf Krisen geregelt ist.» Künftig werde der Bundesrat wissenschaftliche Taskforces brauchen.

Fragerunde

Damit geht es an die Fragen: Gilt die Kostenübernahme des Bundes auch für Spitalleistungen?

Anne Lévy antwortet: «Es geht darum, die Zuständigkeiten besser zu klären. Die Kantone bleiben zuständig für die Gesundheitsversorgung.» Aspekte, die jetzt noch im Covid-Gesetz geregelt seien, etwa, dass Spitäler Kapazitäten bereitstellen müssen, würden jetzt ins Epidemiengesetz übernommen.

«Die Welt war eine andere»

Vor Corona sei die Welt eine andere gewesen. Die Krise habe gezeigt, wo das Gesetz verbessert werden müsse, fasst Berset zusammen. Das Ziel sei immer, gut auf Pandemien und andere Gefahren vorbereitet zu sein.

Finanzierung

Auch bei Impfstoffen und medizinischen Gütern habe man Lehren aus Covid-19 gezogen. Die Rolle der Kantone bei Impfkampagnen soll gestärkt werden. Die Regeln für die Finanzierung von Impfstoffen wurden präzisiert. Der Bund soll den Impfstoff bezahlen, die Kantone die Impfung an sich. Die Zertifitatsregelungen sollen vom Covid- ins Epidemiengesetz übernommen werden.

Finanzhilfen

Berset spricht auch über die Finanzhilfen für Unternehmen, die unter den Auswirkungen einer Pandemie leiden. Der Bundesrat schlägt neu zwei Varianten dafür vor: Es können spezielle Gesetze erlassen werden, sobald das nötig werde. Oder der Bundesrat könnte die Möglichkeit haben, das schon ins Epidemiengesetz zu schreiben, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

Weiter müsse die Überwachung verbessert werden. Meldeprozesse für übertragbare Krankheiten sollen national zusammengeführt werden. Während der Covid-Pandemie habe man ein Dashboard mit Zahlen entwickelt, das habe geholfen. Die Digitalisierung soll künftig einen noch grösseren Beitrag zur Überwachung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten leisten.

Der Bund müsse in einer Krise regelmässig überprüfen, ob es kantonale Pläne gibt und ob diese der Strategie des Bundes entsprechen. Auch die Situation im Ausland sei immer wichtig zu beobachten, allerdings richte man sich nicht nur danach. Diese Dinge seien insbesondere in der ersten Phase einer sich aufbauenden Gesundheitskrise wichtig.

Berset spricht jetzt über das Eskalationsmodell. Der Bundesrat unterscheidet in einer Krise zwischen normaler, besonderer und ausserordentlicher Lage und passt die Massnahmen entsprechend an. Jetzt will der Bundesrat die Punkte und Bestimmungen präzisieren, die zur Beurteilung der Lage herangezogen werden, und Kantone und Parlament besser einbinden. Der Bundesrat verzichtet aber auf fixe Schwellenwerte, wann von einer Lage in die nächste gewechselt wird.

Auch Antibiotikaresistenzen und Infektionen, die im Zuge einer medizinischen Behandlung, also etwa während eines Spitalaufenthalts, eingefangen werden, seien grosse Herausforderungen.

Auch Teile aus dem Covid-19-Gesetz seien noch einmal angeschaut worden. Man habe aber nicht nur auf Pandemien geschaut, es gebe auch andere Herausforderungen. Und klar sei: Jede Gesundheitskrise werde neue Herausforderungen mit sich bringen.

Die Kernfrage sei: Wie können wir uns künftig besser gegen Pandemien wappnen? In der Konsultation der Kantone und weiterer Partner habe man diverse Vorschläge erhalten.

Das Epidemiengesetz sei in den Grundsätzen gut, eine Totalrevision sei deshalb nicht nötig. Deshalb mache man nun eine Teilrevision, um einzelne Punkte zu verbessern.

Alain Berset spricht von einem entscheidenden Schritt, um künftige Gesundheitskrisen zu bewältigen.

Pressekonferenz beginnt

Ohne Fragen geht es pünktlich in die Pressekonferenz.

Kampf gegen Antibiotika im Detail

Der Bundesrat hat bereits im Rahmen der nationalen Strategie Antibiotikaresistenz Massnahmen erarbeitet, wie Antibiotika angemessen eingesetzt werden sollen, damit sie ihre Wirksamkeit behalten. Diese Massnahmen sollen jetzt mit Bestimmungen im Epidemiengesetz verbindlich festgehalten werden. Es geht unter anderem darum, healthcare-assoziierte Infektionen zu verhindern, Antibiotikaresistenzen zu verhindern, den Antibiotikaeinsatz zu überwachen und Antibiotika zu entwickeln und bereitzustellen.

Überwachungsmassnahmen im Detail

Der Bundesrat will die Meldeprozesse für übertragbare Krankheiten national vereinheitlichen. Die Digitalisierung soll künftig einen noch grösseren Beitrag zur Überwachung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten leisten. Möglichst alle relevanten Daten zu übertragbaren Krankheiten sollen nur einmal gegenüber den Behörden eingegeben und dann allen zugänglich gemacht werden können. Ziel ist es, die Qualität der Daten zu erhöhen und gleichzeitig den Aufwand für die Erfassung sowie die Analyse der Daten zu reduzieren.

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