Unanständiges Benehmen?  – R.C. zeigte an Corona-Demo den Hitlergruss – Gericht spricht ihn frei 

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Unanständiges Benehmen?R.C. zeigte an Corona-Demo den Hitlergruss – Gericht spricht ihn frei

An einer Corona-Demo in Bern zeigte ein 50-jähriger Mann den Hitlergruss. Am Donnerstag musste er sich vor Gericht verantworten – und wurde freigesprochen. 

Aufnahmen, die von der Reitschule-Zeitung «Megafon» auf Twitter geteilt wurden, zeigten, wie R.C. die Hand zum Hitlergruss erhob.
C. beteuerte später in einer Stellungnahme, dass die Geste kein Bekenntnis zum Nationalsozialismus gewesen sei.
Die Beteuerungen halfen nichts: Am Donnerstag musste C. auf der Anklagebank Platz nehmen.
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Aufnahmen, die von der Reitschule-Zeitung «Megafon» auf Twitter geteilt wurden, zeigten, wie R.C. die Hand zum Hitlergruss erhob.

Twitter/@megafon_RS_Bern

Darum gehts 

Während mehrerer Sekunden erhob R.C.* an der bewilligten Corona-Demonstration in Bern vom 8. September 2021 die rechte Hand zum Hitlergruss. Dass er dabei gefilmt wurde, bemerkte der 50-Jährige spätestens, als er eine Aufzeichnung seiner Darbietung auf Twitter entdeckte. Nachdem diverse Medien – darunter auch 20 Minuten – über den Vorfall berichtet hatten, sah sich C. zu einer Stellungnahme auf seiner Website veranlasst. Bei der Geste habe es sich nicht um ein Bekenntnis zum Nationalsozialismus gehandelt, sondern um eine «spontane Reaktion auf eine Gruppe von Gegendemonstranten», welche die Massnahmengegner «mit eindeutigen Gesten» provoziert hätten, schreibt C. Daher müsse er sich auch nicht dafür entschuldigen, «weil ich weiss, dass mein Herz rein ist».

Alles Erklären und Beteuern half nichts: Anfang Oktober 2021 flatterte dem Massnahmengegner ein Strafbefehl ins Haus. Allerdings nicht wegen Verstosses gegen die Antirassismus-Strafnorm – mit dem Hitlergruss macht sich hierzulande nur strafbar, wer damit öffentlich für die Nazi-Ideologie wirbt oder ihn gezielt gegen Personen wegen deren rassistischen Zuschreibungen, Ethnie oder Religion einsetzt. Stattdessen sprach die Staatsanwaltschaft C. wegen unanständigen Benehmens schuldig. Mit der Geste habe er «in Anbetracht des historischen Hintergrundes öffentlich Sitte und Anstand grob verletzt», wie es im Strafbefehl heisst. 

Weil der Beschuldigte gegen den Strafbefehl Einsprache erhob, kam es am Donnerstagnachmittag zur Verhandlung vor dem Berner Regionalgericht. Der Hitlergruss habe sich gegen die Antifa-Gruppierung gerichtet, welche die Corona-Demonstranten pauschal mit dem Mittelfinger verurteilt habe, erklärte er sein Verhalten. Dieselbe Geste habe er nicht verwenden wollen und für einen verbalen Gegenangriff sei es inmitten der Demo zu laut gewesen.

Freunde distanzierten sich von ihm 

So habe er sich kurzerhand für den Hitlergruss entschieden – um den Gegendemonstranten den Spiegel vorzuhalten und ihnen zu zeigen, dass sie sich wie in einer Diktatur verhalten würden, da sie die freie Meinung der Demonstrierenden missachtet hätten, so C. Gleichwohl räumte er ein, dass es rückblickend ein Fehler gewesen sei, sich von ein paar Stinkefingern derart provozieren zu lassen. Insbesondere auch deshalb, weil der Vorfall für ihn unangenehme Konsequenzen gehabt habe. In einer linken Bürogemeinschaft sei ihm gekündigt worden und Freunde hätten sich von ihm abgewandt, weil ihm fortan der Ruf eines Rechtsradikalen angehaftet habe.

Das Gericht sprach den Beschuldigten schliesslich vom Vorwurf des unanständigen Benehmens frei. Zwar stelle man mit einem Hitlergruss automatisch einen Bezug zu den Geschehnissen des Zweiten Weltkriegs her und löse bei Passanten Missbehagen und Unverständnis aus, sagte Einzelrichterin Huggenberger bei der Urteilsverkündung. Andererseits seien zahlreiche Motionen auf nationaler Ebene, die nationalsozialistische Symbole grundsätzlich verbieten wollten, allesamt abgelehnt worden. «Aktuell ist also davon auszugehen, dass der Bund den Hitlergruss als solchen bewusst noch nicht unter Strafe gestellt hat», so Huggenberger. Folglich habe der Kanton hier keine Kompetenz, ein solches Verhalten mittels Übertretungsstrafrecht für strafbar zu erklären. 

* Name der Redaktion bekannt 

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