Zürich«Raubüberfall auf Luxus-Juwelier war skrupellos und eiskalt»
Mutmassliche Mitglieder der berüchtigten Pink-Panther-Bande stehen am Mittwoch vor Gericht. Sie sollen am versuchten Überfall auf eine Zürcher Bijouterie beteiligt gewesen sein.
Darum gehts
An einem Samstag im Mai 2016 kurz vor elf Uhr donnerte ein VW Touareg ins Schaufenster der Bijouterie Graff Diamonds an der Zürcher Bahnhofstrasse unweit des Paradeplatzes. Durch den Aufprall wurde die Fensterfront eingedrückt und eine 370 Kilogramm schwere Vitrine durch den Raum katapultiert. Da der Zugang ins Innere des Geschäfts durch die Trümmerteile völlig blockiert war, brachen die vier Räuber ihr Vorhaben ohne Beute ab. Zwei Männer flohen mit einem Roller, die beiden anderen zu Fuss – sie hatten den zweiten Roller nicht starten können.
Der Schaden an der Bijouterie war enorm und betrug knapp 300’000 Franken. Dem Überfall war eine lange Vorbereitungsphase vorangegangen. In den Anklageschriften wird minutiös beschrieben, wie die Männer die Roller und den VW Touareg in Deutschland und Italien kauften, Nummernschilder in Deutschland entwendeten, sich Vorschlaghämmer und eine Pistole besorgten sowie Geschäft und Fluchtweg auskundschafteten. Die Täter kehrten nach dem missglückten Überfall auf Luft- und Landweg nach Belgrad zurück.
Am Mittwoch standen nun zwei der mutmasslichen Täter vor dem Bezirksgericht Zürich. Der Staatsanwalt klagt die beiden heute 43- und 50-jährigen Serben des Raubs, Raubversuchs und weiterer Delikte an. Er verlangt für den Jüngeren eine Freiheitsstrafe von elf Jahren, für den Älteren eine siebenjährige Freiheitsstrafe. Zudem sollen sie für 15 Jahre des Landes verwiesen werden. Der 43-Jährige wird zusätzlich angeklagt, an einem bewaffneten Raubüberfall auf einen Juwelier in Schleswig Holstein (D) im Juli 2017 mitbeteiligt gewesen zu sein.
«Sein Verschulden wiegt schwer»
Die Männer wurden 2018 verhaftet. Sie hatten damals versucht, einen ähnlichen Rammbock-Überfall auf einen Schmuckladen in Lugano zu verüben. Da die Polizei den 50-jährigen Serben von Zürich-Oerlikon aber schon seit geraumer Zeit im Visier hatte und überwachte, konnte sie den 43-Jährigen und seine drei Komplizen unmittelbar vor dem Überfall im Februar 2018 in Lugano verhaften. Der 50-jährige Beschuldigte, welcher damals nur bei der Planung und Organisation des Überfalls beteiligt war, wurde im Dezember 2018 festgenommen. Er wurde Ende 2020 aus der Untersuchungshaft entlassen.
Am Prozess zeigten sich die beiden Beschuldigten wortkarg. Der 50-Jährige, welcher mit seiner Ehefrau und den beiden Töchtern in Zürich-Oerlikon wohnt und in Belgrad in bester Lage eine Wohnung hat, bestritt die Taten und machte keine Aussagen. Sein 43-jähriger Komplize gestand den Raubüberfall in Deutschland und die geplante Tat in Lugano. Beim Überfall in Zürich 2016 will er nicht dabei gewesen sein. Er gab aber zu, das Rammbock-Auto gekauft zu haben.
Für den Staatsanwalt ist der Raubüberfall auf die Bijouterie Graff Diamonds an der Bahnhofstrasse «eiskalt und skrupellos» durchgeführt worden. «Wäre der Geschäftsführer wie immer an seinem Arbeitstisch gesessen, hätte ihn die 370 Kilogramm schwere Vitrine erschlagen.» Die Vitrine, welche durch den Rammbock-Aufprall durch den Laden geschleudert wurde, landete genau auf dessen Stuhl. Der Geschäftsführer war an diesem Samstagvormittag ausnahmsweise später gekommen.
Der in Zürich-Oerlikon wohnhafte 50-jährige Beschuldigte sei im Hintergrund tätig gewesen: «Er war der Logistiker der Bande und hatte eine leitende Funktion inne», sagte der Staatsanwalt. Dies sei aus der polizeilichen Überwachung und durch die verdeckten Ermittlungen deutlich geworden. So habe er dem zweiten Beschuldigten gesagt: «Das ist deine Meisterprüfung.» Zum zweiten Beschuldigten, dem 43-jährigen Serben, sagte der Staatsanwalt: «Sein Verschulden wiegt schwer.» Bei den Überfällen in Zürich und in Lugano sei eine echte Pistole mit vollem Magazin im Einsatz gewesen.
«Die Hinweise sind nicht verwertbar»
Der Verteidiger des 50-Jährigen verlangte einen Freispruch sowie Entschädigung für die knapp zweijährige Untersuchungshaft. Sein Mandant sei aufgrund von Hinweisen der serbischen Polizei von den Schweizer Behörden überwacht und kontrolliert worden. «Die Hinweise sind nicht verwertbar. Suspektes Verhalten genügt nicht zu einer Verurteilung.» Es handle sich nur um Indizien, nicht um Beweise.
Laut dem Anwalt des 43-Jährigen war sein Mandant nicht Mittäter sondern nur Gehilfe. «Er war keiner der vier Räuber beim Überfall an der Bahnhofstrasse.» Der Beschuldigte ist aber geständig bezüglich der Überfälle in Deutschland und Lugano. «Er hat als einziger ausgesagt, obwohl er sich vor Repressalien fürchtete», betonte der Anwalt. Sein Mandant sei nie Mitglied einer kriminellen Organisation gewesen und auch nicht vorbestraft. «Die Untersuchungshaft seit Februar 2018 ist Strafe genug», sagte der Verteidiger und forderte eine Freiheitsstrafe von 69 Monaten. Das Gericht will nächste Woche ein Urteil fällen.
Mutmassliche Mitglieder der Pink-Panther-Bande
Bei den beiden Beschuldigten soll es um Mitglieder der so genannten Pink-Panther, einer kriminellen Organisation vom Balkan, handeln. Diese lose Gruppierung hat sich auf Überfalle auf Bijouterien und Juweliere konzentriert und ist bekannt für ihre akribischen Tatvorbereitungen. Dass sie auch in anderen Bereichen der organisierten Kriminalität aktiv sind, zeigt das Beispiel des VW-Touareg-Rammbock-Fahrers. Laut lokalen Medien sind er und ein Begleiter im Juli 2020 von einem unbekannten Killerkommando auf der griechischen Insel Korfu mit insgesamt 29 Kugeln erschossen worden.
Die beiden Todesopfer wurden von der montenegrinischen und serbischen Polizei wegen Mordes und Mordversuchs gesucht. Es soll sich um eine Abrechnung gehandelt haben. Laut Polizeiquellen waren die beiden Opfer in einen Bandenkrieg verwickelt, bei dem einige Monate zuvor bei Athen zwei Montenegriner von vier Männern getötet wurden.