Rasta-Locken-Eklat: Freispruch für Berner Brasserie Lorraine

Livetickeraktualisiert am Montag, 17. Februar, 2025

RassendiskriminierungFreispruch für Brasserie: «Kapitulation des Rechtsstaats»

Ein Berner Lokal stoppte 2022 ein Konzert wegen «kultureller Aneignung». Nun wird der Fall vor Gericht verhandelt, die Verantwortlichen der Brasserie sind wegen Rassendiskriminierung angeklagt.

Brasserie Lorraine: Die Verantwortlichen stehen in Bern wegen Rassendiskriminierung vor Gericht.
Die Berner Mundart-Band Lauwarm trat am 18. Juli 2022 in der Berner Brasserie Lorraine auf, und musste wegen «kultureller Aneignung» ihr Konzert abbrechen.
Unterstützer der Brasserie Lorraine jubeln nach dem Freispruch vor dem Gerichtsgebäude.
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Brasserie Lorraine: Die Verantwortlichen stehen in Bern wegen Rassendiskriminierung vor Gericht.

20min/Matthias Spicher

Darum gehts

  • In der Brasserie Lorraine in Bern wurde ein Konzert abgebrochen, weil sich Besucher an der «kulturellen Aneignung» der weissen Bandmitglieder gestört hatten.

  • Zum Strafverfahren kam es aufgrund einer Anzeige der Jungen SVP Schweiz, die zu einem Strafbefehl führte.

  • Die Brasserie Lorraine wehrte sich gegen den Strafbefehl wegen Rassendiskriminierung.

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Montag, 17.02.2025
12:07

Zusammenfassung: Brasserie Lorraine wird freigesprochen

Am Montag wurde das Urteil im Prozess um den Rasta-Locken-Eklat gefällt: Das Regionalgericht Bern-Mittelland sprach die Brasserie Lorraine frei.

Konzertabbruch wegen «kultureller Aneignung»

2022 wurde ein Konzert in der Brasserie abgebrochen, weil sich Personen im Publikum wegen der «kulturellen Aneignung» unwohl fühlten. Die hellhäutigen Mitglieder der Band trugen teilweise Rastalocken.

Danach flatterte ein Strafbefehl der Staatsanwaltschaft in den Briefkasten der Brasserie Lorraine. Sie war der Rassendiskriminierung in Verantwortlichkeit des Unternehmens durch mangelnde Organisation angeklagt.

Tat sollte dem Unternehmen zugerechnet werden

Die Brasserie erhob Einsprache gegen den Strafbefehl und forderte einen Freispruch – mit Erfolg. Bei der Urteilsverkündung ging die Richterin nicht auf den Aspekt der Rassendiskriminierung ein, sondern auf den der mangelnden Organisation.

Wenn aufgrund mangelnder Organisation in einem Verbrechen innerhalb eines Unternehmens keine bestimmte natürliche Person ausfindig gemacht werden kann, so kann das Verbrechen dem Unternehmen zugerechnet werden, wie die Staatsanwaltschaft argumentiert.

«Kein Organisationsmangel»

Die mangelnde Organisation könne dem Unternehmen jedoch nicht nachgewiesen werden. Dass sich die betroffenen Personen im Rahmen der Ermittlungen nicht äusserten, sei ihr gutes Recht, sagt die Richterin.

Nach der Urteilsverkündung zeigen sich die Unterstützer der Brasserie Lorraine zufrieden, indem sie vor dem Eingang des Amtshauses jubelnd feiern. Weniger zufrieden zeigt sich der Präsident der Jungen SVP, der das Urteil als «desaströs» beschreibt. Die Staatsanwaltschaft werde nun das Urteil intern prüfen und das weitere Vorgehen im Anschluss besprechen.

11:34

Staatsanwaltschaft wird Urteil prüfen

«Das Gericht hatte im Wesentlichen die zwei Fragen zu klären, ob Rassendiskriminierung vorliegt und ob das Unternehmensstrafrecht anwendbar ist», sagt Staatsanwalt Marco Amstutz zu 20 Minuten. Sie habe die Frage der Rassendiskriminierung nicht geklärt, sondern direkt die Unternehmensstrafrechtsnorm geprüft. Dort habe das Gericht eine «saubere Begründung» geliefert.

Das Gericht ist zur Schlussfolgerung gekommen, dass nicht alle nötigen Mittel tätig geworden sind, um die verantwortliche Person ausfindig zu machen.

Dazu äussert sich Amstutz auf Anfrage von 20 Minuten: «Man kann in jedem einzelnen Fall der Staatsanwaltschaft viel mehr machen, das ist durchaus möglich. Aber man muss grundsätzlich verhältnismässig vorgehen, in jedem einzelnen Fall.» Die Staatsanwaltschaft sei der Ansicht, dass in diesem Fall alles getan wurde, was möglich und zielführend war.

Nun werde das Urteil intern geprüft und im Anschluss das weitere Vorgehen besprochen.

11:21

«Ein desaströses Urteil»

«Aus formalen Gründen werden diese Leute freigesprochen, weil angeblich die Staatsanwaltschaft zu wenig gemacht hat, um die verantwortliche Person herauszufinden», sagt Nils Fiechter, Präsident der Jungen SVP Schweiz, zu 20 Minuten.

«Es ist absolut lächerlich», kommentiert er das Urteil. «Es ist eine gänzliche Kapitulation des Rechtsstaates, die wir heute erleben.» Die «woken Linken» hätten eine Narrenfreiheit und dürften Rassendiskriminierung begehen, so der Politiker. «Gerichte schützen jene ‹woken Linken›, weil sie angeblich zu chaotisch organisiert sind, sodass die Staatsanwaltschaft auch zu wenig machen konnte, um die verantwortliche Person zu finden.»

«Ein desaströses Urteil», befindet Fiechter abschliessend.

10:49

Vor dem Gerichtsgebäude jubeln Unterstützer der Brasserie Lorraine

Vor dem Amtshaus klatschen und jubeln die Unterstützer der Brasserie Lorraine. Die Personen umarmen sich, einzelne Tränen sind in den Augen der Menge zu erkennen.

In der Brasserie war im Jahr 2022 das Konzert einer Reggae-Band hellhäutiger Männer wegen «kultureller Aneignung» gestoppt worden.

Vor dem Amthaus in Bern jubeln die Unterstützer der Brasserie Lorraine.

Vor dem Amthaus in Bern jubeln die Unterstützer der Brasserie Lorraine.

20min/ Alessia Rambaldi
10:34

Urteilsverkündung beendet

Die Richterin beendet die Urteilsverkündung.

10:33

Nicht alle nötigen Mittel genutzt

Nach Ansicht des Gerichts seien nicht alle nötigen Mittel ergriffen worden, um den oder die Straftäter zu ermitteln, der die Rassendiskriminierung begangen haben soll.

Beispielsweise hätten die weiteren Bandmitglieder befragt werden können. Andererseits hätte man eine beschuldigte Person mit Organisationsunterlagen ausfindig machen können, um zu ermitteln, wer für den Abbruch verantwortlich war.

Obwohl die Verantwortlichen der Brasserie diese Auskunft verweigerten, hätte man mit einer Hausdurchsuchung an des Büros kommen können. So könne das Unternehmen nicht zur Verantwortung gezogen werden.

10:32

Kein Organisationsmangel

«Dieser Fall ist etwas anders», sagt die Richterin.

Angeklagt ist die Genossenschaft und keine einzelne Person, da keine konkreten Tatverdächtigen ermittelt werden konnten. Die Richterin stellt fest, dass es in der Genossenschaft Brasserie Lorraine keine klaren Reglemente mit Hinweis auf die Organisationsstruktur gegeben habe, aus der man schliessen könne, wer verantwortlich war.

Daraus dürfe nicht geschlossen werden, dass diese nicht existiert. Für das Event sei eine private Handynummer als Hotline angegeben worden. Daraus lasse sich schliessen, dass diese Privatperson die Verantwortung getragen hatte.

«Es lässt sich nicht leugnen, dass die beschuldigten Personen nicht aktiv mitgewirkt haben», sagt die Richterin. Die verweigerte Mitwirkung dürfe aber keinen Nachteil erzielen.

«Der Organisationsmangel ist nicht erstellt», sagt die Richterin schlussfolgernd.

10:08

Brasserie Lorraine freigesprochen

Die Genossenschaft Brasserie Lorraine wurde vom Regionalgericht Bern-Mittelland freigesprochen. Die Brasserie war wegen Rassendiskriminierung angeklagt.

10:00

Urteilsverkündung beginnt

Die Richterin eröffnet die Urteilsverkündung.

08:39

Urteilsverkündung um zehn Uhr

Vergangene Woche standen die Verantwortlichen der Brasserie Lorraine vor Gericht. Nachdem eine Gruppe weisser Männer wegen «kultureller Aneignung» ihr Konzert in der Brasserie abbrechen musste, ist das Unternehmen wegen Rassendiskriminierung angeklagt. Heute folgt um zehn Uhr das Urteil, 20 Minuten wird live berichten.

Montag, 10.02.2025
13:48

Zusammenfassung

Am Montag wurde die Anklage gegen die Genossenschaft Restaurant Brasserie Lorraine vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland verhandelt. Eine aus hellhäutigen Männern bestehende Reggae-Band durfte 2022 nicht weiterspielen, weil sich Personen im Publikum wegen der «kulturellen Aneignung» unwohl fühlten. Die Mitglieder der Band trugen teilweise Rastalocken.

Die Auskunftspersonen aus dem Umfeld der Brasserie Lorraine gaben vor Gericht allesamt keinerlei Auskunft zum Geschehen und zur Organisationsstruktur der Genossenschaft.

«Wir hätten weiterspielen wollen», sagte ein Zeuge vor Gericht, der Teil der betroffenen Band ist. Ob sie eine Wahl gehabt hätten, weiterzuspielen: «Das ist schwierig zu beurteilen, das weiss ich nicht», sagt er.

Staatsanwalt fordert Verurteilung

Die Staatsanwaltschaft argumentierte, dass es sich ganz klar um Diskriminierung gehandelt habe.

Was wäre gewesen, wenn eine dunkelhäutige Person Schweizer Musik gespielt hätte und es Kritik gegeben hätte, wirft der Staatsanwalt als Frage auf.

Zusätzlich habe es keine Kooperation seitens der Brasserie Lorraine gegeben, weswegen die Täter nicht ermittelt werden konnten. Er fordert eine Strafe in Höhe von 3000 Franken.

Verteidiger fordert Freispruch

Die Verteidigung spricht von einer Bagatellisierung von Rassismus, stellte zunächst erfolglos einen Antrag, dass das Verfahren eingestellt wird.

Es bestünde mehr als nur Zweifel an der Schuld der Brasserie Lorraine. Der Verteidiger fordert einen Freispruch.

Das Urteil wird am 17.02.2025 verkündet.

12:20

Verhandlung geschlossen

Die Richterin schliesst die Verhandlung, das Urteil wird am 17.02.2025 verkündet.

12:09

Schlusswort haben die Beschuldigten

«Ich möchte mich entschuldigen. Wir hatten keine Absicht, so viele Leute wütend zu machen. Es ist schade, so einen riesigen Hass abzukommen», sagt ein Vertreter der Brasserie Lorraine. Es brauche eine Aufarbeitung, aber ein Prozess sei nicht der richtige Ort.

12:03

«Es handelt sich um ein Offizialdelikt»

«Es ist ein Offizialdelikt, wir mussten von Amts wegen tätig werden», erläutert der Staatsanwalt. Die Anzeige der Jungen SVP sei nicht entscheidend gewesen.

Die Aussage des Verteidigers, es könne nicht in einer Mehrheitsgesellschaft keine Diskriminierung wegen der Hautfarbe geben, teilt der Staatsanwalt so nicht.

Der Staatsanwaltschaft unterstreicht jedoch auch: «Ich werfe keinem böse Absicht vor.»

11:57

Kritik, dass auf Basis von Junge-SVP-Anzeige Strafbefehl erlassen wurde

Der Verteidiger führt aus, das ganze Verfahren gehe auf die Junge SVP zurück. Die Strafnorm sei ein kompletter Witz, hätte es aus Reihen der Jungen SVP geheissen. Die Woken sollten ihre eigene Medizin spüren, habe die Junge SVP gesagt, führt der Verteidiger aus.

Er findet es unverständlich, dass ein Strafbefehl erlassen wurde. «Das ist eine Bagatellisierung von Rassismus», schliesst der Verteidiger sein Plädoyer.

11:52

«Es lag kein Organisationsversagen vor»

Die Brasserie Lorraine sei freizusprechen, fordert der Verteidiger.

Dass sich Auskunftspersonen auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht berufen und nicht aussagen, sei kein Organisationsversagen, führt die Verteidigung weiter aus.

Es bestünden mehr als nur Zweifel an der Schuld der Brasserie Lorraine.

11:43

Verteidiger: Tatbestand nicht erfüllt

Es gehe aus dem Strafbefehl nicht hervor, worin die Staatsanwaltschaft die strafbare Handlung sehe, so der Verteidiger. Der vorgeworfene Tatbestand sei nicht erfüllt.

Die Interpretation der Staatsanwaltschaft sei starr und blende die soziale Wirklichkeit aus. Menschen weisser Hautfarbe könnten diskriminiert werden, aber nicht in einer Mehrheitsgesellschaft.

11:35

«Es ist nie das Ziel gewesen, Menschen zu diskreditieren»

Der Konzertabbruch sei auch eine Entscheidung des Kollektivs gewesen, das gehe auch aus der Aussage des Zeugens hervor. Es sei jedoch eine gemeinsame Entscheidung von Band und Kollektiv gewesen, führt der Verteidiger des Kollektivs aus. «Es ist nie das Ziel gewesen, Menschen zu diskreditieren oder ihnen die Menschenrechte abzusprechen», sagt er.

Es sei auch nicht die Auffassung des Kollektivs, dass die betroffene Band nicht musizieren dürfe.

11:31

Nun ist die Verteidigung der Brasserie an der Reihe

Die Angelegenheit sei von rechten Parteien genutzt worden, führt der Verteidiger der Brasserie Lorraine aus.

Der Verteidiger bestreitet auch, dass Mitarbeiter der Brasserie Lorraine die Aufklärung behindert hätten.

Er berichtet auch von Hassnachrichten, die bei der Brasserie eingegangen seien.

11:19

Staatsanwalt beantragt 3000 Franken Strafe

Der Staatsanwaltschaft beantragt eine Strafe in Höhe von 3000 Franken gegen die Genossenschaft Restaurant Brasserie Lorraine.

11:15

«Wegen Ermittlungsbehinderung Täter nicht ermittelt»

Bei den Tätern handele es sich unzweifelhaft um Personen aus der Brasserie Lorraine, führt der Staatsanwalt aus. Bestraft werden soll nun das Unternehmen.

«Wenn wegen mangelhafter Organisation eine Person nicht ermittelt werden kann, kann das Unternehmen unter Erfüllung bestimmter Kriterien mit bis zu fünf Millionen Franken bestraft werden», führt der Staatsanwalt weiter aus. Die Kriterien sieht der Staatsanwalt als erfüllt an und deshalb solle das Unternehmen bestraft werden. Die einzelnen Täter könnten wegen der Behinderung durch das Kollektiv rund um die Brasserie Lorraine nicht ermittelt werden.

11:08

«Es wurde Grundrecht auf Musizieren abgesprochen»

Dass gewisse Gruppierung nicht eine bestimmte Musik spielen dürfen, würde die Menschenrechte, die Gleichwertigkeit der Menschen und die Menschenwürde einschränken.

Diskriminierung liege in diesem Fall klar vor, das Recht auf das Musizieren sei ein Menschenrecht. Das Menschenrecht auf Musizieren wurde den Personen abgesprochen.

«Schon einem Primarschulkind wäre es erkennbar, dass es diskriminierend ist, einer Person wegen der Hautfarbe das Recht auf das Musizieren abzusprechen», stellt der Staatsanwalt fest.

«Wenn eine dunkelhäutige Frau aus Südafrika Schweizer Volksmusik gespielt hätte und sich Personen unwohl gefühlt hätten, was wäre dann die Reaktion gewesen? Wie wäre ein solches Unwohlsein bewertet worden?», führt der Staatsanwalt weiter aus.

11:04

Zu keinem Zeitpunkt Kooperation

Wer zuständig war, konnte nicht ermittelt werden, wegen mangelnder Kooperation durch die Brasserie Lorraine, führt der Staatsanwalt weiter aus, weswegen die Ermittlungen deutlich erschwert wurden.

10:59

«Wir haben das Richtige getan»

In den sozialen Medien habe die Brasserie Lorraine mitgeteilt, dass sie geschlossen hinter der Entscheidung stehen. «Wir haben mit dem Abbruch das Richtige getan», habe die Brasserie dort mitgeteilt.

Die Band hätte keine Alternative gehabt, es sei ein erzwungener Entscheid gewesen. Es hätte keine andere Möglichkeit gegeben, als einzuwilligen.